Weltwirtschaft

USA gegen China: Australien hat sich verspekuliert - und zahlt nun einen hohen Preis

Lesezeit: 5 min
21.09.2021 11:00  Aktualisiert: 21.09.2021 11:32
Australien hat sich früh dem amerikanischen Handelskrieg gegen China angeschlossen. Nun sind große Teile seines Exportgeschäfts mit China abgewandert - und zwar zu den Konkurrenten nach Amerika.
USA gegen China: Australien hat sich verspekuliert - und zahlt nun einen hohen Preis
Australiens Premier Scott Morrison. (Foto: dpa)

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Die australische Regierung hat sich in eine schwierige außen- und wirtschaftspolitische Lage manövriert und muss nun einen hohen Preis für die in jüngster Vergangenheit getroffenen Entscheidungen zahlen.

Denn seitdem die Regierung in Canberra einen wirtschaftspolitischen Konfrontationskurs mit China - seinem wichtigsten Kunden auf internationaler Ebene - verfolgt, brechen die Exportgeschäfte bedeutender australischer Branchen mit China ein. Profitiert davon haben ausgerechnet die amerikanischen Konkurrenten der Australier, berichtet die South China Morning Post.

So sind die Ausfuhren australischer Kohle nach China vor acht Monaten vollständig zum Erliegen gekommen, während US-Exporteure die Lücke mit stark steigenden Ausfuhren seitdem füllten. Seit April beläuft sich das Exportvolumen amerikanischer Kohle nach China durchschnittlich auf rund 150 Millionen US-Dollar beziehungsweise etwa 800.000 Tonnen pro Monat. Zum Vergleich: Noch vor Oktober des vergangenen Jahres exportierten Australiens Minen Kohle im Gesamtwert von bis zu 375 Millionen Dollar nach China - die USA hingegen damals überhaupt keine Ware.

Auch in bestimmten Bereichen der Lebensmittelbranche lässt sich die ökonomische Wachablösung weg von Australien hin zu den USA erkennen - beispielsweise beim Geschäft mit Rindfleisch. Australiens Farmern war es in den vergangenen Jahren gelungen, die Weltmarktführerschaft beim Verkauf von gefrorenem Rindfleisch in den Milliardenmarkt China zu erringen. Doch seit einigen Monaten sinken die Exporte spürbar, jene der amerikanischen Konkurrenz konnten sich seit Jahresbeginn hingegen mehr als verdoppeln. Im Mai übertrafen die Ausfuhren aus den USA erstmals jene aus Australien - seitdem hat sich der Trend noch verstärkt. Im Juli beispielsweise verkauften US-Farmer Rindfleisch im Wert von 107 Millionen Dollar nach China - ihre australischen Konkurrenten generierten Einnahmen von nur noch 35 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Noch im Januar 2020 beliefen sich die australischen Rindfleisch-Exporte ins Reich der Mitte auf monatlich rund 200 Millionen Dollar, jene der Amerikaner auf etwa 10 Millionen Dollar.

Ein ähnliches Bild ergibt sich auf dem Markt für Wein. Noch im Herbst 2020 lagen die australischen Ausfuhren bei rund 50 Millionen Dollar pro Monat, zuletzt waren sie im Juli auf 400.000 Dollar zusammengeschrumpft. Die Winzer aus den USA konnten auch in diesem Bereich ihren Marktanteil auf Kosten der Australier ausbauen. Im Juli lagen die Exporte von Wine made in America bei rund 3,5 Millionen Dollar - was in etwa einer Verdoppelung der Erlöse im Vergleich zum Herbst 2020 entspricht.

Canberras teurer Handelskrieg

Hauptgrund für die schwächelnden Geschäfte Australiens mit China ist die eskalierende Verschlechterung der politischen Beziehungen beider Länder. Die Regierung in Peking erließ seit Ende des vergangenen Jahres mehrere offizielle und inoffizielle Einfuhrzölle und Importverbote für bestimmte australische Warenkategorien.

Die Maßnahmen der Chinesen stellen eine Reaktion auf eine Druckkampagne der australischen Regierung dar, welche diese Anfang des vergangenen Jahres zuerst auf dem Feld des bilateralen Handels lancierte und später zusätzlich um außenpolitische Elemente ergänzte:

Am 28. Februar 2020 gab die australische Regierung nach einer Prüfung bekannt, auch künftig Einfuhrzölle auf rostfreien Stahl aus chinesischer Produktion zu erheben. Am 31. März desselben Jahres eröffneten die Wettbewerbsbehörden des Landes dann neue Ermittlungen wegen mutmaßlicher Dumping-Praktiken bei Stahlröhren und Präzisionsrohren gegen Hersteller aus China, Südkorea, Taiwan und Vietnam. Am 16. April schließlich wurden Anti-Dumping-Ermittlungen im Markt für Druckerpapier gegen Hersteller aus China, Brasilien, Indonesien und Thailand aufgenommen.

Die wohl entscheidende Maßnahme der australischen Regierung, welche die Chinesen schließlich zu einer scharfen Reaktion zwang und welche die politischen Beziehungen zwischen beiden Ländern bis heute nachhaltig belastet, erfolgte dann am 21. April: Australiens Premierminister Scott Morrison forderte öffentlich eine internationale Untersuchung hinsichtlich des Ursprungs des Coronavirus gegen China. Damit unterstützte die Regierung in Canberra faktisch die von US-Präsident Donald Trump zuvor mehrfach geäußerten und nicht mit Belegen unterlegten Mutmaßungen, das Corona-Virus sei aus einem Speziallabor in Wuhan entwichen und China müsse „dafür bezahlen.“

Die Wuhan-Hypothese wiederum war ein Baustein der gegen China gerichteten Druckkampagne der US-Regierung jener Zeit, die neben dem Handelskrieg auch politische Komponenten wie die Uiguren- und Taiwan-Frage beinhaltete. Mit der öffentlichen Unterstützung der Trumpschen Agenda und im Kontext der kurz zuvor lancierten Dumping-Ermittlungen war der Bogen aus Sicht der chinesischen Regierung offenbar überspannt und diese reagierte mit drastischen Maßnahmen:

Am 11. Mai erließen Chinas Behörden ein Importverbot gegen vier große australische Fleischverarbeitungsunternehmen. Seitdem schaukelte sich der Konflikt weiter auf, beide Seiten erließen danach mehrfach Strafzölle, initiierten Ermittlungen, sprachen inoffizielle Importverbote aus (so etwa China am 12. Oktober 2020 gegen australische Kohle) oder forderten vor der Welthandelsorganisation Untersuchungen gegen die jeweils andere Seite.

Australien bittet die USA um Unterstützung

Offensichtlich versucht die australische Regierung nun, von der Biden-Administration politische Unterstützung in der verfahrenen Situation zu erhalten. Canberra geht es vor allem darum, die Außenwirtschaftspolitik der Chinesen vor der Welthandelsorganisation erfolgreich zu verklagen und eine Koalition mehrerer Länder innerhalb der WTO zu diesem Zweck zu mobilisieren. Am 21. Dezember 2020 hatte man vor der Organisation bereits eine Beschwerde gegen Chinas Importzölle auf australische Gerste lanciert und um die Etablierung einer WTO-Sonderkommission zum Thema gebeten. Mitte Juni lancierte Australien dann eine Beschwerde gegen die chinesischen Wein-Einfuhrzölle, welche von China Ende Juni mit einer Beschwerde gegen die australischen Sonderzölle auf chinesische Produkte (Eisenbahnräder, rostfreier Stahl und Windkraftanlagen) spiegelbildlich beantwortet wurde.

Im Rahmen eines Treffens mit der amerikanischen Handelsbeauftragten Katherine Tai im Juli in Washington sagte der australische Handelsminister Dan Tehan: „Die US-Regierung hat uns klar zu verstehen gegeben, dass sie uns nicht alleine auf dem Spielfeld zurücklassen wird, also suchen wir nach Wegen, wie sie uns helfen und unterstützen können.“ Es gehe vor allem darum, den angeblich von China ausgehenden „wirtschaftlichen Zwang“ vor der WTO durch eine Koalition mehrerer Staaten zu verurteilen.

Angesprochen auf den Umstand, dass nun einige amerikanische Branchen in beträchtlichem Umfang von den Verwerfungen im australisch-chinesischen Verhältnis profitieren, sagte Tehan: „Eine der Schwierigkeiten im Umgang mit wirtschaftlicher Erpressung besteht darin, dass andere Staaten davon profitieren, wenn ein Land bestraft wird. Deshalb brauchen wir einen kollektiven Ansatz, um dagegen vorzugehen, um sicherzugehen, dass Länder einen Gesichtsverlust erleiden, wenn sie zu wirtschaftlicher Erpressung greifen.“

Dass die australische Strategie im Rahmen der WTO von Erfolg gekrönt sein wird, gilt unter Beobachtern jedoch als unsicher. Dagegen spräche schon die Bedingung der Einstimmigkeit, welche bei weitreichenden Entscheidungen der Welthandelsorganisation vorausgesetzt wird. „Ich denke, dass sich die WTO-Staaten nichteinmal auf eine Definition von ‚wirtschaftlicher Erpressung‘ einigen können und noch weniger, wenn das Konzept dann gegen jemanden ins Feld geführt werden soll“, zitiert die South China Morning Post einen Professor für Handelsgesetzgebung an der Universität von Hongkong.

Ironischerweise ist es nicht zuletzt die unter US-Präsident Trump verfügte und unter seinem Nachfolger weitergeführte Blockade der WTO selbst, die Australiens Zielen im Wege stehen. Da auch die Biden-Administration wie Trump keine neuen Mitglieder des Schlichtungsausschusses der WTO ernennen möchte, bleibt das wichtige Gremium weiterhin blockiert.

„Trotz der Ankündigungen, seinen Verbündeten Australien zu unterstützen und sich gegen China wegen des so erlebten wirtschaftlichen Zwangs zu stellen, haben die Vereingten Staaten angesichts des Fehlens formaler Mechanismen und internationaler Handelsregeln wenig für die Umsetzung ihres Versprechens getan. Stattdessen ernetet Amerika sogar die Vorteile des andauernden (handels)politischen Disputes Australiens mit China, indem die infolge der Einfuhrverbote gegen australische Waren verstärkte Nachfrage der Chinesen bedient wird“, schließt die South China Morning Post.

Der neue AUKUS-Militärpakt

Auffallend ist, dass die wirtschaftliche Machtverschiebung im China-Geschäft auf dem Feld der Geopolitik durch eine neue Initiative ausbalanciert wird. Im Zuge der von den USA angeführten Allianz mit Großbritannien und Australien („AUKUS“) soll Canberra Zugang zur nuklearen Antriebstechnologie von U-Booten erhalten und erfährt dadurch eine militärische Aufwertung.

Gleichzeitig wird Australien dadurch aber einerseits stärker in den Konfrontationskurs der US-Regierung gegen China im Pazifik verwickelt, andererseits muss es Belastungen im Verhältnis zu Frankreich sowie zu Neuseeland und Malaysia hinnehmen, welche die neue Allianz und deren Folgewirkungen auf die Sicherheitslage in der Region sowie einen dadurch abgeblasenen U-Boot-Deal mit einer französischen Firma bereits scharf kritisiert haben. Hinter Frankreich haben sich zudem - zumindest symbolisch - die Außenminister der EU positioniert. Der Abschluss eines angestrebten Freihandelsabkommens Australiens mit Europa könnte dadurch verzögert oder im schlimmsten Fall ganz verhindert werden.


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