Politik

Die Privatisierung der Politik: Wie Konzerne die Macht übernehmen - und die Demokratie beseitigen

Lesezeit: 3 min
24.10.2021 14:21  Aktualisiert: 24.10.2021 14:21
Der Staat zieht sich immer mehr zurück, seine Aufgaben übernehmen profitorientierte Konzerne, die über keinerlei demokratische Legitimation verfügen. Droht uns das Ende der Demokratie?
Die Privatisierung der Politik: Wie Konzerne die Macht übernehmen - und die Demokratie beseitigen
Die Macht der Politik schwindet - der Lauf der Welt wird zusehends von den Konzernen bestimmt. (Foto: dpa)
Foto: Peter Kneffel

Der Neoliberalismus hat uns fest im Griff. Angesichts der schier unermesslich angewachsenen Staatsschulden erscheint es Teilen der Politik opportun, immer mehr staatliche Einrichtungen zu privatisieren. Man will mit den Einnahmen aus diesen Verkäufen aufgelaufene Schulden abtragen oder aber – ansonsten nicht finanzierbare - Neuinvestitionen tätigen. Um möglichen Protesten vorzukommen, macht man die Bürger glauben, privat geführte Unternehmen arbeiteten effizienter, sparsamer und kostengünstiger. Die Beispiele Deutsche Bundespost und Deutsche Bundesbahn zeigen deutlich, wie irrig diese Annahmen sind.

Profitmaschine Gesundheitssektor

Letztes Jahr wurde in Deutschland eine Pandemie ausgerufen. Die Politik setzte sich damit unter Zugzwang, weil für die Bekämpfung einer Pandemie gewaltige finanzielle Mittel benötigt werden. Waren es zunächst nur die vergleichsweise preisgünstigen Gesichtsmasken, die die Pandemie eindämmen sollten, wurden es im Laufe der Zeit neu entwickelte Impfstoffe, deren Anschaffung natürlich viel höher zu Buche schlägt und die durch Schulden finanziert wird. Die Hersteller aller dieser Mittel arbeiten, um Profit zu erzielen. Kleine, wirtschaftlich im Grunde unbedeutende Unternehmen sind inzwischen an der Börse notiert und erzielen riesige Gewinne – auf Kosten der Steuerzahler. Überhaupt ist der Großteil des Gesundheitssektors schon lange privatisiert - die dort erzielten Riesengewinne ermöglichen wir alle mit unseren Steuern und Abgaben.

Privatisierung des Rechts?

Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage: Kann auch die Rechtsetzung privatisiert werden? Jeder einigermaßen politisch Bewanderte würde dies zunächst verneinen.

Angesichts der Zusätze und Veränderungen, die die Berliner Politik in das Infektionsschutzgesetz eingebracht hat, ist das aber keineswegs abwegig. Ohne die Zusätze im Infektionsschutzgesetz (IFSG / § 28a und b) wären die Möglichkeiten der Pandemie-Steuerung nicht gegeben gewesen, hätten auch Impfstoffe nicht den Absatz und Einsatz gefunden, den sie letztlich fanden. Mit diesen Gesetzes- und Befugniserweiterungen wurden privatwirtschaftlichen Unternehmen ungeheure Gewinne ermöglicht, die ihnen sonst nicht möglich gewesen wären. Wenn Rechtsetzungsveränderungen zu solchen Ergebnissen führen, bleibt nur die Schlussfolgerung, dass es sich um eine de facto Privatisierung von Rechtsetzung handelt, die – ob beabsichtigt oder nicht – privatwirtschaftliche Interessen enorm begünstigt, während sie das öffentliche Interesse an einer wohlabgewogenen Politik auf massive Weise vernachlässigt.

Die Globalisierung: Für Konzerne gilt kein Recht mehr

Großspurig wird in transnationalen Unternehmerkreisen (z.B. WEF) von einer „Private Public Partnership“ gesprochen. Auch im Nachhaltigkeitspapier der (alten) Bundesregierung liest man davon. Privates Kapital wolle und solle der Politik Unterstützung bieten. Wohin das geführt hat, zeigen nicht nur die Zustände in unserem Land, sondern auch in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und in der UNO, die in hohem Maße von den Interessen großer Konzerne beeinflusst werden. Fest steht: Wenn sich private Interessen in öffentliche Belange einmischen, ist das keine „Private Public Partnership“, sondern vielmehr ein „Private Public Influencing“. Wir werden uns noch wundern, was für Verhältnisse wir bekommen, wenn den Völkern die politischen Instrumente mehr und mehr aus der Hand genommen und von privaten Interessen übernommen werden.

Nicht vergessen werden dürfen in diesem Zusammenhang die seit Jahren bekannten Bestrebungen international tätiger Unternehmen, sich über nationales Recht hinwegzusetzen. Und zwar, indem sie ihre Interessen mit Hilfe ihrer umfangreichen Rechtsabteilungen vor sogenannten Schiedsgerichten vorbringen. Dies geschieht regelmäßig bei der Regelung sogenannter Freihandelsabkommen.

Rechtsmissachtung ist auch bei den großen Container-Reedereien zu beobachten, wenn diese durch Ausflaggung ihrer Schiffe in Billigflaggenländer die Umwelt- und Sozialstandards umgehen, die in ihren - in der Regel westlichen - Heimatländern herrschen. Der größte Teil des Welthandels, der auf diese Weise abgewickelt wird, wäre viel kostenaufwendiger, wenn die großen Akteure sich an Standards halten würden – das heißt, sowohl Importe als auch Exporte wären erheblich teurer. Die Globalisierung in Form eines entfesselten Turbokapitalismus hätte dann nicht seine heute sattsam bekannten Ausmaße angenommen; letzten Endes wäre auch das Wegwerfdenken der westlichen Konsumgesellschaft verhindert oder zumindest erheblich reduziert worden. Und last but not least wäre auch der Aufstieg einer bekannten asiatischen Großmacht verlangsamt worden und besser kontrollierbar gewesen.

Das Ende der Demokratie

Angesichts des oben Gesagten muss man konstatieren, dass sich der Marktliberalismus (Chicagoer Schule), dessen Folgen ein Kommerzialismus des „Alles-ist-käuflich“ ist, als ökonomische Fehlentwicklung herausgestellt hat. Eine Entwicklung, an deren Ende die Menschheit nicht in die Freiheit, sondern stattdessen in eine neue bedrohliche Abhängigkeit geführt wird!

Auch kriegerische Operationen im Zuge sogenannter Militäreinsätze werden zunehmend von privaten Sicherheitsunternehmen durchgeführt, so dass man, wie beispielsweise im Falle Afghanistans, nun auch von einer Privatisierung der Kriegsführung sprechen kann.

Mit der Maxime „Wir machen das für Euch“, sind private Großunternehmen und Konzerne bei der Abschaffung der Demokratie ein gutes Stück vorangekommen und haben die Volksherrschaft durch private Formen des Politikmachens ersetzt. Davon ist, wie schon erwähnt, auch die UNO betroffen, die größte globale Organisation, die – trotz all ihrer vielen Schwächen – immer noch als weltweite moralische Instanz gilt.

Wer aber den Völkern dieser Erde die politische Gestaltungsmacht raubt, der macht sie unmündig und unterwirft sie der feudalistischen Herrschaft privater Aristokraten. Das kann nicht hingenommen werden.

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft LNG: EU-Sanktionen bedrohen Russlands Energiegeschäfte
07.05.2024

Russland steht vor möglichen schmerzhaften EU-Sanktionen im Zusammenhang mit seinen Geschäften im Bereich Flüssigerdgas (LNG). Die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freie Lehrstellen erreichen kritisches Niveau: Was Unternehmen jetzt tun müssen
07.05.2024

Der Lehrstellenmangel verschärft sich: Demografischer Wandel und veränderte Berufspräferenzen der Generation Z führen zu einem...

DWN
Politik
Politik Erbschaftssteuer: Droht durch Klage Bayerns ein Wettbewerb der Länder beim Steuersatz?
07.05.2024

In Karlsruhe wird es diesen Sommer mal wieder um den Dauerbrenner Erbschaftssteuer gehen. Schon zweimal hat das Verfassungsgericht von der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Investitionsschreck Deutschland: Internationale Investoren meiden deutsche Projekte
07.05.2024

Ausländische Unternehmen haben im vergangenen Jahr immer weniger in Deutschland investiert. Die Anzahl der Projekte ausländischer...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Nachlassende Nachfrage: Deutsche Industrie verzeichnet erneut weniger Aufträge
07.05.2024

Trotz einer vielversprechenden Entwicklung im März kämpfen Deutschlands Exporteure nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten.

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: US-Arbeitsmarktdaten lassen erneut Zinssenkungsfantasie aufkommen
07.05.2024

Die internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte verbleiben im Spannungsfeld wechselnder Indikatoren hinsichtlich des zukünftigen Zinspfads...

DWN
Politik
Politik Israels Armee nähert sich dem Grenzübergang von Rafah
07.05.2024

Israels Regierung bleibt bei der geplanten umfangreichen Offensive gegen Rafah bestehen, während die Hamas einer Waffenruhe zustimmt -...

DWN
Immobilien
Immobilien Gesundheitsimmobilien: Investmentmarkt stolpert – wie sieht die Pipeline weiter aus?
07.05.2024

Nach robustem Transaktionsvolumen in den vergangenen Jahren herrschte auf dem Investmentmarkt für Pflegeheime, Seniorenimmobilien und...