Der Neoliberalismus hat uns fest im Griff. Angesichts der schier unermesslich angewachsenen Staatsschulden erscheint es Teilen der Politik opportun, immer mehr staatliche Einrichtungen zu privatisieren. Man will mit den Einnahmen aus diesen Verkäufen aufgelaufene Schulden abtragen oder aber – ansonsten nicht finanzierbare - Neuinvestitionen tätigen. Um möglichen Protesten vorzukommen, macht man die Bürger glauben, privat geführte Unternehmen arbeiteten effizienter, sparsamer und kostengünstiger. Die Beispiele Deutsche Bundespost und Deutsche Bundesbahn zeigen deutlich, wie irrig diese Annahmen sind.
Profitmaschine Gesundheitssektor
Letztes Jahr wurde in Deutschland eine Pandemie ausgerufen. Die Politik setzte sich damit unter Zugzwang, weil für die Bekämpfung einer Pandemie gewaltige finanzielle Mittel benötigt werden. Waren es zunächst nur die vergleichsweise preisgünstigen Gesichtsmasken, die die Pandemie eindämmen sollten, wurden es im Laufe der Zeit neu entwickelte Impfstoffe, deren Anschaffung natürlich viel höher zu Buche schlägt und die durch Schulden finanziert wird. Die Hersteller aller dieser Mittel arbeiten, um Profit zu erzielen. Kleine, wirtschaftlich im Grunde unbedeutende Unternehmen sind inzwischen an der Börse notiert und erzielen riesige Gewinne – auf Kosten der Steuerzahler. Überhaupt ist der Großteil des Gesundheitssektors schon lange privatisiert - die dort erzielten Riesengewinne ermöglichen wir alle mit unseren Steuern und Abgaben.
Privatisierung des Rechts?
Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage: Kann auch die Rechtsetzung privatisiert werden? Jeder einigermaßen politisch Bewanderte würde dies zunächst verneinen.
Angesichts der Zusätze und Veränderungen, die die Berliner Politik in das Infektionsschutzgesetz eingebracht hat, ist das aber keineswegs abwegig. Ohne die Zusätze im Infektionsschutzgesetz (IFSG / § 28a und b) wären die Möglichkeiten der Pandemie-Steuerung nicht gegeben gewesen, hätten auch Impfstoffe nicht den Absatz und Einsatz gefunden, den sie letztlich fanden. Mit diesen Gesetzes- und Befugniserweiterungen wurden privatwirtschaftlichen Unternehmen ungeheure Gewinne ermöglicht, die ihnen sonst nicht möglich gewesen wären. Wenn Rechtsetzungsveränderungen zu solchen Ergebnissen führen, bleibt nur die Schlussfolgerung, dass es sich um eine de facto Privatisierung von Rechtsetzung handelt, die – ob beabsichtigt oder nicht – privatwirtschaftliche Interessen enorm begünstigt, während sie das öffentliche Interesse an einer wohlabgewogenen Politik auf massive Weise vernachlässigt.
Die Globalisierung: Für Konzerne gilt kein Recht mehr
Großspurig wird in transnationalen Unternehmerkreisen (z.B. WEF) von einer „Private Public Partnership“ gesprochen. Auch im Nachhaltigkeitspapier der (alten) Bundesregierung liest man davon. Privates Kapital wolle und solle der Politik Unterstützung bieten. Wohin das geführt hat, zeigen nicht nur die Zustände in unserem Land, sondern auch in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und in der UNO, die in hohem Maße von den Interessen großer Konzerne beeinflusst werden. Fest steht: Wenn sich private Interessen in öffentliche Belange einmischen, ist das keine „Private Public Partnership“, sondern vielmehr ein „Private Public Influencing“. Wir werden uns noch wundern, was für Verhältnisse wir bekommen, wenn den Völkern die politischen Instrumente mehr und mehr aus der Hand genommen und von privaten Interessen übernommen werden.
Nicht vergessen werden dürfen in diesem Zusammenhang die seit Jahren bekannten Bestrebungen international tätiger Unternehmen, sich über nationales Recht hinwegzusetzen. Und zwar, indem sie ihre Interessen mit Hilfe ihrer umfangreichen Rechtsabteilungen vor sogenannten Schiedsgerichten vorbringen. Dies geschieht regelmäßig bei der Regelung sogenannter Freihandelsabkommen.
Rechtsmissachtung ist auch bei den großen Container-Reedereien zu beobachten, wenn diese durch Ausflaggung ihrer Schiffe in Billigflaggenländer die Umwelt- und Sozialstandards umgehen, die in ihren - in der Regel westlichen - Heimatländern herrschen. Der größte Teil des Welthandels, der auf diese Weise abgewickelt wird, wäre viel kostenaufwendiger, wenn die großen Akteure sich an Standards halten würden – das heißt, sowohl Importe als auch Exporte wären erheblich teurer. Die Globalisierung in Form eines entfesselten Turbokapitalismus hätte dann nicht seine heute sattsam bekannten Ausmaße angenommen; letzten Endes wäre auch das Wegwerfdenken der westlichen Konsumgesellschaft verhindert oder zumindest erheblich reduziert worden. Und last but not least wäre auch der Aufstieg einer bekannten asiatischen Großmacht verlangsamt worden und besser kontrollierbar gewesen.
Das Ende der Demokratie
Angesichts des oben Gesagten muss man konstatieren, dass sich der Marktliberalismus (Chicagoer Schule), dessen Folgen ein Kommerzialismus des „Alles-ist-käuflich“ ist, als ökonomische Fehlentwicklung herausgestellt hat. Eine Entwicklung, an deren Ende die Menschheit nicht in die Freiheit, sondern stattdessen in eine neue bedrohliche Abhängigkeit geführt wird!
Auch kriegerische Operationen im Zuge sogenannter Militäreinsätze werden zunehmend von privaten Sicherheitsunternehmen durchgeführt, so dass man, wie beispielsweise im Falle Afghanistans, nun auch von einer Privatisierung der Kriegsführung sprechen kann.
Mit der Maxime „Wir machen das für Euch“, sind private Großunternehmen und Konzerne bei der Abschaffung der Demokratie ein gutes Stück vorangekommen und haben die Volksherrschaft durch private Formen des Politikmachens ersetzt. Davon ist, wie schon erwähnt, auch die UNO betroffen, die größte globale Organisation, die – trotz all ihrer vielen Schwächen – immer noch als weltweite moralische Instanz gilt.
Wer aber den Völkern dieser Erde die politische Gestaltungsmacht raubt, der macht sie unmündig und unterwirft sie der feudalistischen Herrschaft privater Aristokraten. Das kann nicht hingenommen werden.