Finanzen

Bundesbank erwartet deutlichen Anstieg der Inflation

Die Bundesbank rechnet auf kurze Sicht mit einer hohen Teuerungsrate.
22.11.2021 15:46
Aktualisiert: 22.11.2021 15:46
Lesezeit: 2 min
Bundesbank erwartet deutlichen Anstieg der Inflation
Bundesbank-Pr Foto: Kay Nietfeld

Inflationsraten von knapp 6 Prozent und ein vorläufiges Ende der Konjunkturerholung in Deutschland: Die Aussichten zum Jahresende haben sich inmitten steigender Corona-Zahlen deutlich eingetrübt. Die Bundesbank hält einen Sprung des harmonisierten Verbraucherpreisindexes HVPI, den die EZB für ihre Geldpolitik heranzieht, auf knapp 6 Prozent im November für möglich, wie aus dem am Montag veröffentlichten Monatsbericht der deutschen Notenbank hervorgeht. Zugleich dürfte die wirtschaftliche Erholung im vierten Quartal stagnierten, so die Prognosen-

Teuerungsraten um die 6 Prozent hatte das Statistische Bundesamt zuletzt 1992 nach dem nur für deutsche Zwecke gemessenen Verbraucherpreisindex ermittelt. Den HVPI gab es damals noch nicht. Im Oktober dieses Jahres hatten vor allem gestiegene Energiepreise die Inflation nach dem HVPI auf 4,6 Prozent getrieben. Beachtet werden sollte, dass der HVPI umstritten ist, weil beispielsweise die Kosten für selbst genutzten Wohnraum ausgeklammert werden, wie der Ökonom Michael Bernegger in einer Analyse für die DWN herausarbeitete.

Einen Teil des Anstiegs der Verbraucherpreise führt die Bundesbank auf Sondereffekte wie die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer in Deutschland ab Sommer 2020 in der Corona-Krise zurück. Seit Beginn dieses Jahres gelten wieder die alten Steuersätze.

Der Sondereffekt aus der Mehrwertsteuer entfällt ab Januar 2022. „Dann sollte die Inflationsrate spürbar zurückgehen, obwohl die kräftig gestiegenen Marktnotierungen für Erdgas vermutlich zum Großteil erst nach dem Jahreswechsel an die Verbraucher weitergegeben werden“, schrieb die Notenbank. Die Experten rechnen damit, dass die Teuerungsrate in den folgenden Monaten des kommenden Jahres nach und nach abnimmt. „Sie könnte aber noch für längere Zeit deutlich über 3 Prozent bleiben.“

In diesem Zusammenhang beurteilt die Notenbank die Pläne der möglichen neuen Bundesregierung kritisch, den Mindestlohn gegen Ende des Jahres 2022 auf 12 Euro je Stunde zu erhöhen. Dies hätte „nicht zu vernachlässigende Ausstrahlungseffekte“ auf die darüber liegenden Lohngruppen, erläuterte die Bundesbank. „Auch hierdurch dürfte sich der Lohndruck künftig verstärken.“ Dahinter steht die Sorge vor einer Spirale aus steigenden Preisen und steigenden Löhnen, für die Ökonomen bislang noch keine Anzeichen sehen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt für den Währungsraum der 19 Länder eine jährliche Teuerungsrate von 2 Prozent an und ist zumindest zeitweise bereit, ein moderates Über- oder Unterschreiten dieser Marke zu akzeptieren. Aus Sicht der Notenbank ist der jetzige Anstieg der Inflation vorübergehend. Europas Währungshüter lassen sich daher nicht zu einem rascheren Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes drängen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte jüngst, dass die Notenbank die Wirtschaft auch dann weiter unterstützen werde, wenn die akute Pandemie-Notlage beendet sei. Der Grund: die enormen Schuldenlasten von Staaten, Unternehmen und Haushalten lassen keine Zinsanstiege mehr zu, weil sonst das gesamte Finanzsystem in Schieflage geraten dürfte.

Lieferengpässe und die Corona-Infektionszahlen bremsen nach Einschätzung der Bundesbank die Wirtschaft in Deutschland zum Jahresende. „Die wirtschaftliche Erholung wird voraussichtlich zunächst eine Verschnaufpause einlegen“, schrieb die Notenbank. Das Bruttoinlandsprodukt könnte im vierten Quartal stagnieren. Im Sommer war Europas größte Volkswirtschaft nach vorläufigen Daten noch um 1,8 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal gewachsen. Dazu hatte vor allem die Konsumlust der Verbraucher beigetragen.

Nach Einschätzung der Bundesbank ist der Wachstumsschub, der nach dem Ende vieler Corona-Beschränkungen vom Dienstleistungssektor ausging, zunächst wohl weitgehend ausgelaufen. Einige Eindämmungsmaßnahmen wurden angesichts steigender Infektionszahlen zudem wieder verschärft. Zugleich dürfte die Industrie auch im vierten Quartal unter Lieferengpässen leiden und damit das gesamtwirtschaftliche Wachstum dämpfen. Ein positiver Wachstumsimpuls geht nach Einschätzung der Notenbank vom Baugewerbe aus.

Im Corona-Jahr 2020 waren die monatlichen Konsumausgaben der privaten Haushalte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 3 Prozent auf durchschnittlich 2.507 Euro gegenüber dem Vorjahr gesunken. Lockdowns und Begrenzungen der Personenzahl zum Beispiel in Freizeit- und Dienstleistungseinrichtungen führten demnach zu einem Rückgang. Insgesamt sieht die Bundesbank im gesamten Winterhalbjahr Risiken durch ein verstärktes Pandemiegeschehen. „Nach derzeitigem Stand dürften die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen aber weniger gravierend ausfallen als in früheren Pandemiewellen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...

DWN
Politik
Politik Gasförderung Borkum: Kabinett billigt Abkommen mit den Niederlanden
02.07.2025

Die Bundesregierung will mehr Gas vor Borkum fördern und stößt damit auf heftigen Widerstand von Umweltschützern. Das Vorhaben soll...

DWN
Immobilien
Immobilien Klimaanlage einbauen: Was Sie vor dem Kauf wissen müssen
02.07.2025

Die Sommer werden heißer – und die Nachfrage nach Klimaanlagen steigt. Doch der Einbau ist komplizierter, als viele denken. Wer nicht in...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerke: 220.000 neue Anlagen binnen sechs Monaten
02.07.2025

Mehr als 220.000 neue Balkonkraftwerke sind in Deutschland binnen sechs Monaten ans Netz gegangen. Während Niedersachsen glänzt, fallen...

DWN
Politik
Politik USA frieren Waffenlieferungen an die Ukraine ein – Prioritäten verschieben sich
02.07.2025

Die USA stoppen zentrale Waffenlieferungen an die Ukraine. Hinter der Entscheidung steckt ein geopolitischer Kurswechsel, der Europa...

DWN
Politik
Politik Stromsteuer: Kommt jetzt die Entlastung für alle?
02.07.2025

Die Stromsteuer spaltet das schwarz-rote Bündnis – und mit ihr die Frage, ob Bürger und Betriebe wirklich entlastet werden. Während...

DWN
Panorama
Panorama Hitzewelle in Deutschland: Temperaturen bis 40 Grad und drohende Unwetter
02.07.2025

Deutschland ächzt unter extremer Hitze, örtlich steigen die Temperaturen auf bis zu 40 Grad. Experten warnen vor Unwettern, Waldbränden...