Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff warnt mit Blick auf das von SPD, Grünen und FDP formulierte Ziel eines Ausstiegs aus der Kohleverstromung bis zu Jahr 2030 vor einer Stromlücke.
„Ein vorgezogener Kohleausstieg ist derzeit nicht denkbar, es sei denn, wir kaufen Atomstrom aus Frankreich, wie es Belgien bereits tut, und Kohlestrom aus Polen“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.
Für Import von Atomstrom zeigte sich Haseloff aber offen: „Wenn wir das Geld erwirtschaftet haben, mit dem wir Atomstrom einkaufen, warum denn nicht? Das ist doch vollkommen legitim. Wir müssen aufhören mit dem Schwarz-Weiß-Denken, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen.“
Beschlossen ist bisher, dass Deutschland spätestens 2038 aus der Gewinnung und Verbrennung von Kohle aussteigt. Die Grünen dringen jedoch in der geplanten Ampel-Koalition im Bund darauf, dies auf 2030 vorzuziehen.
Haseloff äußerte grundsätzliche Zweifel, ob Sonne, Wind und Co die Versorgung sichern können. „Die Kohle brauchen wir noch, weil sich allein durch erneuerbare Energien die Netze nicht stabilisieren lassen“, sagte er. „Wir brauchen ein Drittel grundlastfähiger Energie, die die volatile Einspeisung aus Windenergie und Photovoltaik ausgleicht.“ Dafür nannte er auch Gaskraftwerke.
Arbeitgeber für längere Laufzeiten bei Kohle
Angesichts der gestiegenen Energiepreise hatte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger Mitte Oktober längere Laufzeiten für Kohlekraftwerke ins Gespräch gebracht. Die künftige Bundesregierung müsse schnell ein Energiekonzept vorlegen, das Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Preise sicherstelle, sagte Dulger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Sonst wird sie beim Kohleausstieg an einer Verlängerung der Fristen kaum vorbeikommen.“ Er verwies auf den geplanten Ausstieg aus der Kohlekraft bis spätestens 2038. „Dazu stehen wir. Wenn sich aber herausstellt, dass wir die Ausstiegsziele zu ehrgeizig gefasst haben und alternative Energien erst später sicher liefern können, dann sollten wir offen und ehrlich über andere Alternativen diskutieren.“
Dulger kritisierte, Deutschland habe als stärkste Industrienation Europas eine Energiewende beschlossen, die nicht konsequent zu Ende gedacht sei. Man sei erst aus der Atomkraft ausgestiegen und jetzt aus der Kohle. „Wenn wir es umgekehrt gemacht hätten, dann hätten wir im nächsten Winter vielleicht ein Problem weniger.“ Die Unternehmen und ihre Beschäftigten seien auf bezahlbare Energie angewiesen. „Was im Augenblick passiert, ist besorgniserregend.“
In den von den Planungen der Ampel-Koalition betroffenen Regionen stoßen die Pläne der drei Parteien auf Skepsis. Der designierte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst forderte, es müsse beantwortet werden, wo der Strom herkommen werde, wie Energie bezahlbar bleibe und was mit den Kohleregionen und Arbeitnehmern geschehen solle. „Wir werden Anwalt dieser Menschen und Regionen sein“, sagte der CDU-Politiker.
Auch Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) hatte im September gewarnt, dass ein vorgezogener Kohleausstieg die Energiesicherheit in Gefahr bringen könnte.
Kohle wichtigster Energielieferant
Die Debatte um den Kohleausstieg hat zusätzlich durch den Umstand an Fahrt gewonnen, dass die Kohlekraft inzwischen zur wichtigsten Energiequelle Deutschlands aufgestiegen ist. So wurden im gesamten ersten Halbjahr des laufenden Jahres 27,1 Prozent des Stroms hierzulande aus der Kohleverstromung generiert und damit deutlich mehr als aus Windkraftanlagen (rund 22 Prozent). Mehr als 56 Prozent des Stroms stammten aus fossilen Quellen, weil der Wind ungewöhnlich selten wehte. Bereits das zweite Halbjahr 2020 wurde von der Kohlekraft dominiert.