Der Ruf nach einer bundesweiten Abschaffung der 2G-Regel im Einzelhandel wird immer lauter. Nach dem Handelsverband Deutschland forderten am Montag auch die vier großen Lebensmittelhändler - Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) - in einem Brief an mehrere Spitzenpolitiker ein Ende der Zugangsbeschränkungen, die noch immer in großen Teilen des Handels gelten. Dies ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Lebensmittelhändler selbst überhaupt nicht von der 2G-Regel betroffen sind.
Gleichzeitig signalisierte FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner Zweifel an der geltenden Regelung. "Ich stelle mir persönlich die Frage, ob wir wirklich auf Dauer die sehr scharfen Zutrittsbeschränkungen im Handel brauchen. Da entsteht ja ein wirtschaftlicher Schaden. Und da muss eben immer gefragt werden, ob der Schaden in einem richtigen Verhältnis steht zum zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen", sagte er dem TV-Sender "Welt".
Die Chefs von Edeka, Rewe, Aldi und der Schwarz-Gruppe erklären in einem gemeinsamen Schreiben an Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt und andere Spitzenpolitiker: "Auf Basis unserer nunmehr fast zweijährigen Erfahrungen mit der Pandemie können wir feststellen, dass der Einzelhandel mit den geeigneten Hygienekonzepten (maßgeblich Maskenpflicht und Abstandswahrung) kein Infektionsherd ist." Das gelte unabhängig von den gehandelten Sortimenten.
Bei den betroffenen Händlern sorge die 2G-Regel, die nur Geimpften und Genesenen den Zutritt erlaubt, dagegen für erhebliche Umsatz- und Ergebniseinbußen, heißt es in dem Schreiben weiter. Die Gefahr von tausenden Schließungen insbesondere inhabergeführter Geschäfte und verheerenden Auswirkungen auf die Innenstädte sei offensichtlich. Die Topmanager drängen deshalb: "Den Unternehmen sollte es jetzt ermöglicht werden, unter Einsatz der hinlänglich bewährten Hygienekonzepte ihre Kundinnen und Kunden ohne weitere Beschränkungen zu empfangen und zu bedienen."
Bund und Länder hatten die 2G-Regel für weite Teile des Einzelhandels angesichts der steigenden Corona-Inzidenzzahlen Anfang Dezember vergangenen Jahres beschlossen. Davon ausgenommen sind Läden des täglichen Bedarfs wie Supermärkte, Drogerien, Apotheken. Allerdings wurde die Regelung bereits in mehreren Bundesländern von Gerichten gekippt.
Erstes Gericht erklärt 2G für ungültig
Eine Betreiberin dreier Modehäuser hat vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt mit einem Eilantrag gegen die 2G-Regel in Hessen einen Erfolg erzielt. Nach dem am Montag zugestellten Beschluss des Gerichts kann sie ihre Geschäfte vorerst ohne Anwendung der 2G-Regel betreiben, wie eine Gerichtssprecherin am Montag mitteilte. (5 L 182/22.F)
Die Antragstellerin hatte argumentiert, es sei nicht einzusehen, warum nicht nur Betriebe der akuten Versorgung der Bevölkerung wie Apotheken, Drogerien, Tankstellen, sondern auch Gartenmärkte und Blumenfachgeschäfte von der 2G-Regel ausgenommen sind, Bekleidungs- und Modegeschäfte aber nicht zur Grundversorgung zählen sollen.
Die Kammer des Verwaltungsgerichts kam in der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung zu dem Schluss, dass die Antragstellerin in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung durch die Coronavirus-Schutzverordnung verletzt sei. Aus der Verordnung gehe nicht mit hinreichender Gewissheit hervor, welche Ladengeschäfte unter die Zugangsbeschränkung 2G fallen sollten, hieß es. Das Gericht machte geltend, dass im Sozialgesetzbuch als Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts neben der Ernährung, Körperpflege und dem Hausrat auch die Kleidung genannt werde.
Der Handelsverband Hessen begrüßte die Entscheidung des Gerichts und sah sich in seiner Argumentation gegen die 2G-Regel bestätigt. „Es ist beruhigend, dass sich Vernunft vor Gericht einklagen lässt“, sagte Jochen Ruths, der Präsident des Verbands. Die Landesregierung müsse diesen Rechtsspruch als weiteres Signal wahrnehmen und 2G für den Einzelhandel generell beenden.