Deutschland

Deutschland soll ab Sommer 2024 auf russisches Gas verzichten

"Die Unabhängigkeit von russischem Gas kann in einem gemeinsamen Kraftakt bis Sommer 2024 weitgehend erreicht werden", so das Bundeswirtschaftsministerium.
25.03.2022 12:05
Lesezeit: 2 min

Deutschland braucht noch über zwei Jahre russisches Gas und wehrt sich daher weiter gegen einen Energie-Importstopp. "Die Unabhängigkeit von russischem Gas kann in einem gemeinsamen Kraftakt bis Sommer 2024 weitgehend erreicht werden", heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Papier des Wirtschaftsministeriums. Dies setze aber Einsparungen und den Einsatz von Wasserstoff voraus. Dann benötige man immer noch zehn Prozent des Bedarfs aus Russland.

Parallel zum EU-Gipfel stemmte sich Minister Robert Habeck so erneut gegen Forderungen nach einem Energie-Embargo. Deutschland bemühe sich aber, schnell unabhängiger zu werden, sagte der Grünen-Politiker. Auf russische Kohle wolle Deutschland bis Herbst, auf Öl bis Ende des Jahres verzichten, bekräftigte er frühere Planungen. Beim Gas bekommt Europa Unterstützung aus den USA: Das Land vereinbarte mit der EU zusätzliche Flüssiggas-Transporte.

Deutschland hatte in den vergangenen Jahren etwa 35 Prozent seines Öl-Bedarfs und rund die Hälfte der Kohle aus Russland bezogen. Beim Gas waren es 55 Prozent. Die Bundesregierung stemmt sich daher gegen ein Embargo, wie viele Staaten es im Zuge des russischen Einmarsches in die Ukraine fordern. Beim EU-Gipfel steht Deutschland unter Druck. Auch bei den sieben größten Wirtschaftsmächten wehrt es sich gegen einen Importstopp. Deutschland hat derzeit den G7-Vorsitz.

Mittlerweile liegt der Importanteil von russischem Gas noch bei 40 Prozent, wie schon der Bundesverband Energiewirtschaft (BDEW) festgestellt hatte. Dies liegt zum einen an den rasant gestiegenen Preisen, die zum Energiesparen zwingen. Zum anderen verzichten immer mehr Unternehmen von sich aus auf russische Energie-Lieferungen, sofern sie Alternativen finden. Auch laufen mehr Kohle- anstelle von Gaskraftwerken.

Entlastung auch für Deutschland soll von einer EU-Vereinbarung mit den USA kommen. Am Rande des EU-Gipfels vereinbarte die Kommission die Lieferung von mehr als 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas zusätzlich. Bis 2030 soll das zusätzliche Volumen der US-Lieferungen auf 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr anwachsen. Deutschlands Jahres-Gesamtbedarf lag zuletzt bei etwa 100 Milliarden Kubikmetern.

KRISEN-REGELUNG FÜR TERMINAL-BAU IM GESPRÄCH

Der BDEW hatte zudem kurzfristig eine Halbierung der Gas-Importe für möglich gehalten, das Wirtschaftsministerium peilt bis Jahresende eine Kürzung um ein Viertel an. Während eine Ausweitung der deutschen Gas-Förderung, die 5 Prozent des Bedarfs abdeckt, nicht erwogen wird, soll in erster Line Flüssiggase die Lücke füllen.

Habeck stellte erneut in Aussicht, Deutschland werde auf Spezialschiffe zurückgreifen können. Diese sollten über Uniper und RWE bereitgestellt werden, die sie wiederum über Norwegen bekommen. Sie würden ein schnelles Anlanden von Flüssiggas etwa in Wilhelmshaven möglich machen. Schon im kommenden Winter soll so mehr als fünf Prozent des Bedarfs angelandet werden. Dies wird Regierungskreisen zufolge in Wilhelmshaven der Fall sei. Dabei wird auch erwogen, eine Notfall-Regelung zur Planungsbeschleunigung der nötigen Infrastruktur einzusetzen. Der Bau des zweiten Terminals in Brunsbüttel soll dem Papier zufolge erst 2026 beendet sein.

Parallel sollen die Gas-Speicher im Sommer besser gefüllt werden, um über den Winter zu kommen. Der Bundestag wollte dafür noch am Freitag ein entsprechendes Gesetz beschließen.

Dennoch hatte der Energieverband BDEW verlangt, die Regierung solle die Frühwarnstufe des "Notfallplan Gas" ausrufen. Hintergrund sind die russischen Forderungen, sich das Gas künftig in Rubel bezahlen zu lassen. Habeck wertet das als Vertragsbruch und will sich mit EU und USA über eine Reaktion einigen. Die Ausrufung der Warnstufe lehnte er aber ab, da die Versorgung derzeit gesichert sei. Der "Notfallplan Gas" sieht abgestuft auch Abschaltungen von Industrie-Anlagen vor.

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