Deutschland

Teurer Traum von den eigenen vier Wänden: Wann platzt die Preisblase?

In großen Städten sind Wohnungen und Häuser für viele Menschen unbezahlbar. Der Trend zu steigenden Immobilienpreisen hat auch den ländlichen Raum erfasst.
09.04.2022 09:45
Lesezeit: 3 min
Teurer Traum von den eigenen vier Wänden: Wann platzt die Preisblase?
20.04.2019, Schleswig-Holstein, Ahrensburg: Neu erbaute Wohnungen stehen im Ahrensburger Neubauviertel Erlenhof-Süd. (Foto: dpa) Foto: Markus Scholz

Egal ob Stadt oder Land: Wohneigentum in Deutschland wird tendenziell immer teurer. Elf Prozent mehr als ein Jahr zuvor mussten Käufer 2021 im Schnitt für Wohnungen und Häuser auf den Tisch legen, wie das Statistische Bundesamt errechnet hat. Im vierten Quartal legten die Preise für Wohnimmobilien mit 12,2 Prozent so kräftig wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr zu.

Die Nachfrage ist groß, das Angebot knapp. Gepaart mit niedrigen Bauzinsen treibt dies seit langem die Preise auf dem Immobilienmarkt. Dieser Trend hat sich im vergangenen Jahr beschleunigt. Von 2019 auf 2020 waren Wohnungen und Häuser im Schnitt noch um 7,8 Prozent teurer geworden.

Dass Wohneigentum in Städten wie Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart oder Düsseldorf kaum noch bezahlbar ist, hat sich inzwischen herumgesprochen. Nun hat die Entwicklung zu mehr Homeoffice während der Pandemie auch die Nachfrage nach Wohnraum auf dem Land zusätzlich angekurbelt.

„Die neuen Rekorde auf dem Immobilienmarkt werden von der Angst vor einer Zinserhöhung sowie steigender Inflation begünstigt. Viele Deutsche flüchten sich in Betongold und schließen dabei zunehmend die Städte in zweiter Reihe mit ein, nachdem Metropolen wie München bereits als überbewertet gelten“, analysierte jüngst Eva Grunwald, Leiterin des Postbank-Immobiliengeschäftes. „Die Corona-Pandemie hat den Wunsch nach dem eigenen Zuhause nur noch bestärkt und den Radius erweitert.“

Entsprechend stiegen die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser in dünn besiedelten ländlichen Kreisen im Schlussquartal 2021 besonders kräftig, wie das Bundesamt mitteilte: plus 15,9 Prozent zum Vorjahresquartal. Eigentumswohnungen verteuerten sich in diesen Regionen um 13,2 Prozent. In dichter besiedelten ländlichen Kreisen zogen die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser um 14,5 Prozent an, Eigentumswohnungen wurden um 11,2 Prozent teurer.

Deutschlands teuerstes Pflaster bleibt nach Berechnungen der Postbank München. Nirgendwo anders mussten Käuferinnen und Käufer im vergangenen Jahr für einen Quadratmeter Wohnraum so viel bezahlen wie in der bayerischen Landeshauptstadt: im Schnitt 9732 Euro für eine Bestandswohnung. In Frankfurt waren demnach 6586 Euro je Quadratmeter fällig, in Hamburg 6489 Euro und in Berlin 5528 Euro. Der bundesweit teuerste Landkreis mit Quadratmeterpreisen von 7977 Euro war 2021 nach Postbank-Zahlen der Landkreis Nordfriesland, zu dem die Nordseeinseln Sylt, Föhr und Amrum sowie Ferienorte an der Küste wie St. Peter-Ording gehören. In der Liste der zehn teuersten Landkreise stehen ansonsten ausschließlich Kreise aus dem Speckgürtel Münchens und aus den Feriengebieten des Alpenvorlandes.

Die Bundesbank warnt seit Jahren vor Überbewertungen auf dem Immobilienmarkt. Die Preissteigerungen in Deutschland und anderen europäischen Ländern alarmierten zuletzt auch den EU-Risikorat ESRB. „Die Überbewertungen bei Wohnimmobilien nahmen zu“, stellte die Bundesbank in ihrem Monatsbericht Februar fest. „Gemäß aktuellen Schätzergebnissen lagen die Immobilienpreise in den Städten im Jahr 2021 zwischen 15 Prozent und 40 Prozent über dem Preis, der durch soziodemografische und wirtschaftliche Fundamentalfaktoren angezeigt ist.“ 2020 hatte die Spanne noch 15 bis 30 Prozent betragen.

Immer häufiger komme es „zu spekulativen Übertreibungen, insbesondere bei Eigentumswohnungen und Baugrundstücken in Metropolen wie Berlin, Hamburg und München“, folgerte im Dezember das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung anhand einer Analyse von Daten aus 114 Großstädten. „Dort, aber auch in anderen großen Städten sind in den nächsten Jahren Preiskorrekturen in größerem Ausmaß möglich.“

Die Bundesregierung will zudem für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen. „Wir haben uns vorgenommen, die Weichen so zu stellen, dass 400 000 Wohnungen im Jahr gebaut werden können und davon 100 000 bezahlbare, öffentlich geförderte Sozialwohnungen“, bekräftigte Bauministerin Klara Geywitz in der vergangenen Woche im Bundestag.

Doch es gibt Zweifel, ob diese Pläne umsetzbar sind: Viele Handwerker und Baufirmen sind wegen großer Nachfrage nach Immobilien ausgelastet. Dazu kommt: Baumaterialien wie Holz, Stahl und Dämmstoffe haben sich in den vergangenen Monaten teils extrem verteuert, weil die Nachfrage auf den Weltmärkten im Zuge der Konjunkturerholung nach dem Corona-Krisenjahr 2020 anzog und Lieferkapazitäten begrenzt sind. Das treibt die Bau- und Kaufpreise zusätzlich in die Höhe.

Experten machen Bauherren und Immobilienkäufern kurzfristig wenig Hoffnung auf Entspannung. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) rechnet damit, dass die Baupreise in Deutschland auch in diesem Jahr zulegen werden. 2021 waren sie um sechs Prozent gestiegen. „Das ist der stärkste Anstieg in über 20 Jahren gewesen“, sagte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. Für 2022 rechnet der Verband mit vier Prozent Zuwachs. „Das heißt, es beruhigt sich etwas, die Preise steigen aber immer noch.“ Ein Niveau wie vor der Pandemie sei nicht absehbar – „und das liegt vor allem an den stark gestiegenen Materialpreisen“, sagte Pakleppa im Februar.

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...