Weltwirtschaft

Schanghai im Lockdown: Belastungen für den Welthandel nehmen zu

Lesezeit: 2 min
08.04.2022 13:00  Aktualisiert: 08.04.2022 13:41
Große Teile der Wirtschaftsmetropole Schanghai befinden sich im Lockdown. Der Stillstand hat auch Auswirkungen für den Welthandel und zahllose deutsche Firmen.
Schanghai im Lockdown: Belastungen für den Welthandel nehmen zu
Schiffe fahren am frühen Morgen über den Huangpu-Fluss in Schanghai. (Foto: dpa)

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Trotz des nun schon seit knapp zwei Wochen währenden Lockdowns ist die Zahl der Corona-Infektionen in der chinesischen Finanzmetropole Schanghai auf Rekordhöhe geschnellt. Die Behörden meldeten am Freitag 21.000 neuen Fälle. Damit wurden seit Ausbruch der neuen Corona-Welle, die von der hochansteckenden Omikron-Variante getragen wird, schon mehr als 130.000 Neuinfektionen registriert. Das ist weit mehr als bei der ersten Welle bei Ausbruch der Pandemie Anfang 2020.

Regierung prüft Konjunkturhilfen

Das hat auch wirtschaftliche Folgen: Sollte der Lockdown in der mit 26 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Stadt des Landes den ganzen April über andauern, dürfte das deren Wirtschaftsleistung im sechs Prozent drücken, sagte die ING-Chefvolkswirtin für den Großraum China, Iris Pang. Das wiederum dürfte das Bruttoinlandsprodukt der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt um zwei Prozent schmälern.

Den Behörden in China war es zwei Jahre lang gut gelungen, Corona in Schach zu halten. Nun macht Omikron der Null-Covid-Strategie der Regierung einen dicken Strich durch die Rechnung. Mit Zhengzhou wurde die Hauptstadt der zentralen Provinz Henan in den Lockdown geschickt. Dort sollen alle 12,6 Millionen Einwohner getestet werden, nachdem hier zahlreiche Fälle festgestellt worden waren. Im Landkreis Shizong in der südwestchinesischen Provinz Yunnan wurden Geschäfte geschlossen und der Verkehr eingestellt, während die Bewohner ihre Städte und Dörfer nicht mehr verlassen durften. Zuletzt kündigte die nordwestchinesische Stadt Xian an, ihren in Gefahrengebieten lebenden Bürgern die Rückkehr vorerst nicht mehr zu gestatten und Reisen dorthin zu verbieten.

Analysten des japanischen Finanzhauses Nomura schätzen, dass 23 chinesische Städte entweder vollständig oder teilweise im Lockdown sind. Dort leben etwa 193 Millionen Menschen, die 22 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsproduktes erwirtschaften. Dazu gehört auch Changchun, ein wichtiges Produktionszentrum, das seit 28 Tagen abgeriegelt ist.

Die chinesische Wirtschaft ist nach den Worten von Ministerpräsident Li Keqiang mit größeren Unsicherheiten und Herausforderungen konfrontiert. Die Regierung werde daher ihre politischen Maßnahmen zur Unterstützung der Konjunktur rechtzeitig verstärken, wurde Li am Freitag in den staatlichen Medien zitiert. Die Behörden würden demnach auch neue Notfallpläne prüfen. Die Landeswährung Yuan wolle man dabei grundsätzlich stabil halten, fügte Li hinzu.

Folgen für deutsche Unternehmen

In Schanghai sind mehr als 2000 deutsche Unternehmen aktiv. "Die Metropolregion Schanghai ist für Chinas Exportwirtschaft besonders wichtig", sagte Handelsforscher Vincent Stamer vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW). "Einerseits ist Schanghai der weltweit größte Containerhafen. Andererseits produzieren Firmen in der Metropolregion einen wichtigen Teil der Elektronikexporte Chinas." Wenn der Lockdown die Produktion dieser Güter für einen langen Zeitraum einschränke, könnte das Angebot an Unterhaltungselektronik, aber auch an Zwischengütern für die Industrie zumindest zeitweise in Deutschland zurückgehen. China ist seit 2016 der wichtigste Handelspartner Deutschlands: Zwischen beiden Ländern wurden allein im vergangenen Jahr Waren im Wert von 245,4 Milliarden Euro gehandelt.

Der ökonomischen Folgen des verlängerten Corona-Lockdowns in Shanghai werden dem Einzelhandel zufolge auch die deutschen Verbraucher zu spüren bekommen. "Wir rechnen im Einzelhandel mit spürbaren Auswirkungen des Lockdowns in Schanghai", sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Ähnliche Entwicklungen hätten bereits in den vergangenen beiden Jahren zu Störungen der Lieferkette und Lieferschwierigkeiten insbesondere bei Unterhaltungselektronik und Spielwaren geführt. "Darunter könnte in der Folge wie bereits in der Vergangenheit die Produktvielfalt leiden", sagte Genth. "Es wird dann schlicht weniger Auswahl innerhalb einiger Warengruppen geben, generelle Knappheiten über ganze Sortimente hinweg sind aber nicht zu erwarten."

"Insgesamt werden die Auswirkungen in Deutschland erst mit erheblicher Verzögerung sichtbar werden", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Genth. "Es geht meist um Waren, die mit Containerschiffen transportiert werden. Diese sind meist über Wochen unterwegs, Ausfälle werden hier dementsprechend mit deutlicher Zeitverzögerung spürbar." Aufgrund von Lockdowns waren in den vergangenen Wochen schon in anderen wichtigen Wirtschaftsregionen wie Schenzhen oder Dongguan bereits Produktionen gedrosselt sowie Häfen geschlossen worden.


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