Finanzen

Anlage-Berater bleibt optimistisch: Ukraine-Krieg spielt für Märkte keine große Rolle

Lesezeit: 5 min
27.04.2022 09:33  Aktualisiert: 27.04.2022 09:33
Der Finanzberater Klaus Porwoll bleibt, anders als viele andere Marktbeobachter, dem Krieg zum Trotz optimistisch. Im DWN-Interview erklärt er unter anderem, welche Schritte Anleger jetzt unternehmen sollten.
Anlage-Berater bleibt optimistisch: Ukraine-Krieg spielt für Märkte keine große Rolle
Händler an der Börse bei der Arbeit. (Foto: dpa)

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Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Keiner hat mit dem Ausbruch des Krieges gerechnet: Weder die Politiker noch die Wirtschaftsfachleute noch andere Experten. Eigentlich sind wir alle noch mit der Bewältigung der Pandemie beschäftigt. Und jetzt haben wir schon wieder eine neue Katastrophe.

Wie bewerten Sie das plötzliche Auskommen dieser neuen Krise?

Klaus Porwoll: Die Märkte bewerten den Ausbruch des Krieges gar nicht so stark. Es waren keine so großen Einbrüche zu beobachten, obwohl das Thema in den internationalen Medien so präsent ist. Bisher waren bei der Pandemie größere Marktausschläge zu sehen. Ein wichtiger Grund: Russland gehört zu den Emerging Markets, also zu den Schwellenländern. Global gesehen sind dies aus Anlagesicht nur Nebenschauplätze. Das lässt sich klar an der Struktur des weltweiten Börsenbarometers MSCI World Index erkennen, der von Unternehmen aus den USA dominiert wird, die dort einen Anteil von fast 70 Prozent haben. Hier machen deutsche Aktien derzeit 2,8 Prozent aus. Russische Papiere hingegen sind in der offiziellen Statistik des MSCI World nicht einmal gesondert ausgewiesen, weil sie einfach viel zu wenig zum Index beisteuern. Wir bewerten den russischen Markt auch vor dem Ausbruch des Krieges als „spekulativ“. Besondere Regulierungen existieren in freien Ökonomien nicht. Ganz aktuell wurden die russischen Aktien aus dem MSCI World Index entfernt. Ähnliches beobachten wir auch in China. Das Land verfügt zwar über eine starke Wirtschaft, doch hat die chinesische Führung dort den Zugang für fremde Investoren limitiert.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Das bedeutet der Ausbruch des Ukraine-Krieges ist eher eine politische Krise als eine Anlage-Krise?

Klaus Porwoll: Es ist keine klassische Anlage-Krise, aber ein Politikum, das auch Konsequenzen für die Märkte hat. Dabei ist eine klare politische Positionierung zu beobachten. Die EU und die USA üben wieder verstärkt den Schulterschluss. Für den Anleger gilt es jetzt, die richtigen Schlüsse aus der politischen Entwicklung zu ziehen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Ihr Kollege, Daniel Schär von der Berliner Weberbank, hat bei uns im Interview einmal gesagt, dass „man Ruhe bewahren soll, weil politische Börsen bekanntermaßen kurze Beine haben“. Teilen Sie auch diese Auffassung?

Klaus Porwoll: Diese Aussage unterstütze ich auch. Jetzt die Ruhe zu bewahren, ist richtig. Wir als Honorarberater orientieren uns an den strategischen Zielen des Klienten. Im Fokus steht, die Kunden langfristig zu betreuen. Da unser Anlage-Horizont auf einen langen Zeitraum ausgelegt ist, müssen wir immer mit Markt-Schwankungen rechnen, die zu bestimmten Zeitpunkten auftreten. Das ist ganz normal. Bei der Corona-Pandemie sind die Schwankungen auch zu sehen gewesen. Und genauso reagieren die Börsen jetzt auch. Wir hoffen natürlich, dass sich der Konflikt möglichst schnell löst. Man darf nicht vergessen, dass der Ausbruch des Krieges schon sehr emotional belastend ist, weil er direkt vor unserer Haustür auftritt. Wir sind alle nur Menschen und dadurch gefühlsmäßig stark darin involviert.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Sprechen wir mal über Emotionen und Moral an den Märkten. Die Ölkonzerne BP, Royal Dutch Shell und Equinor aus Norwegen haben ihre russischen Engagements aufgekündigt. „Wir sind tief bestürzt über die Invasion in die Ukraine, die einen schrecklichen Rückschlag für die Welt bedeutet“, hat Anders Opedal, der Präsident und CEO des norwegischen Unternehmens seinen Schritt begründet. „Unsere Gedanken sind bei denjenigen, die unter der Militäraktion leiden“, erklärte der Manager. „In der aktuellen Situation sehen wir unser Engagement als unvertretbar an. Wir werden neue Investitionen in unser russisches Geschäft beenden“, so Opedal. Da hat der CEO in moralischen Kategorien gesprochen. Gibt es sowas wie Moral und Emotionen an den Börsen?

Klaus Porwoll: Die Ölunternehmen haben erkannt, dass sie mit der Beteiligung an Geschäften in Russland ihren Anlegern schaden. Doch nicht nur die Ölkonzerne, sondern auch andere Firmen wie der Autohersteller BMW, VW und Daimler haben dort ihre Aktivitäten einstweilen eingestellt. Es ist zu begrüßen, wenn solche moralischen und emotionalen Aspekte im Business eine immer größere Rolle spielen. Internationale Unternehmen vertreten somit verstärkt auch unsere Werte, die in westlichen Demokratien verankert sind. Der Anleger hat bereits ein Bewusstsein dafür entwickelt, wie die Firmen, in die er investiert, ihre Renditen erzielen. Er achtet beispielsweise auf die Arbeitsbedingungen, die ein internationales Unternehmen an einem fremden Standort seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anbietet. Die Frage, wie nachhaltig das Investment ist, wird immer wichtiger.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: BP war bis vor kurzem noch sehr stark beim russischen Staatskonzern Rosneft engagiert. Noch Ende des vergangenen Jahres hat es nicht im Ansatz danach ausgesehen, dass der Ölkonzern sich zurückzieht – auch bei den anderen Unternehmen nicht.

Wie bewerten Sie es, dass auf einmal solche Großkonzerne wie BP und Royal Dutch Shell eine solche Kehrtwendung machen?

Klaus Porwoll: Dies zeigt, dass die Politik derzeit einen ganz starken Einfluss hat. Generell ist es in einer Krise äußert wichtig, dass sich die politische Seite positioniert. Die Akteure und die Entscheidungsträger zeigen eine Geschlossenheit, die nur zu begrüßen ist. Sie überlegen fieberhaft, wie sie möglichst schnell die Energieabhängigkeit von Russland verringern können. Dazu gehören Diskussionen, möglicherweise die Kohlekraftwerke weiter laufen zu lassen oder die Atomkraft weiter zu nutzen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie sollten die Anleger jetzt reagieren?

Klaus Porwoll: Es geht weiterhin darum, möglichst breit in den Märkten investiert zu sein, um die Schwankungen, die durch die Krise entstehen, abzufedern. Derzeit gibt es Berater am Markt, die empfehlen, ein Anleger sollte den Ausbruch des Krieges für den Verkauf oder Kauf bestimmter Aktien nutzen. Wir halten diese Strategie, die sich im Fachjargon „Timing“ nennt, allerdings für falsch. Aus unserer Sicht birgt dies die Gefahr, unter dem psychischen Druck, unter dem viele nun stehen, hektisch und unüberlegt zu handeln. Unser Ansatz ist wissenschaftlich belegt und beruht darauf, langfristig investiert zu sein und nicht den angeblich richtigen Ein- und Ausstiegspunkt zu suchen. Die Investments, die wir empfehlen, verfügen über eine breite Streuung in den entwickelten Märkten. Es geht bei uns immer darum, für den einzelnen Kunden herauszufinden, welches Maß an Risiko für ihn individuell das richtige ist. Darüber hinaus wollen wir ihn dabei unterstützen, langfristig auf seine individuellen Ziele hinzuarbeiten.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie sieht denn ein solches Portfolio aus?

Für uns ist der Aktienmarkt sehr interessant. Wir kombinieren die Aktien zur Risikoreduzierung mit einem Anleihen-Portfolio. Dieses wird so konstruiert, dass es zur Mentalität des Anlegers passt. Dafür nutzen wir eine Methode, die wissenschaftlich geprüft ist. Ganz wichtig: Wir legen Wert darauf, dass die Streuung möglichst groß ist. Darunter befinden sich sowohl Gewinner als auch Verlierer. Wenn es im Einzelfall Verluste gibt, dann werden sie vom Markt kompensiert. Dadurch reduzieren wir massiv das Risiko. Einzelne Aktien oder Produkte, die in eine bestimmte Branche investieren, haben wir nicht in den Portfolien unserer Anleger. Das entspricht nicht unserem Ansatz. Aus Anlagesicht ist der Ausbruch der jetzigen Krise nichts anderes als jeder andere negative Ausschlag, den es früher durch Katastrophen immer wieder gegeben hat. Natürlich berührt uns dies als Berater genauso emotional wie alle anderen, wenn ein Land ein anderes überfällt.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie dürfte sich die Inflation vor dem Hintergrund des Kriegsausbruches entwickeln?

Klaus Porwoll: Zurzeit sehen wir eine sehr starke Nachfrage, wodurch die Preise allgemein und damit die Inflation steigen. Dazu kommt der Konflikt in Osteuropa als zusätzlicher Faktor, den man berücksichtigen muss. Dieser dürfte noch eine Weile die Märkte belasten.

Wir befinden uns in einer Marktphase, in der noch andere Aspekte auf die Entwicklung der Preise einwirken. Beispielweise muss sich die Wirtschaft auf Erneuerbare Energien einstellen. Interessant: Ein Investment in den Energiesektor brachte bisher langfristig kaum Rendite. Es stimmt, dass insbesondere die Energiepreise in der jüngsten Zeit stark angestiegen sind. Dies ist eine momentane Belastung für uns alle und die Politik wird ihren Teil dazu tun. Die Rüstungsindustrie profitiert von höheren Rüstungsausgaben. Langfristig gesehen haben wir generell eine gesunde wirtschaftliche Situation, aber es gibt einiges anzupacken. Das ist aber immer in einer Krise so.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Herr Porwoll, herzlichen Dank für das Gespräch

Der Berliner Finanzberater Klaus Porwoll ist seit 1994 in der Finanzbranche tätig. Der Fachmann hat sich auf die Betreuung von Firmeninhabern, Unternehmern, Geschäftsführern, Selbständigen und Freiberuflern spezialisiert. Er führt seine eigene Beratung PecuniArs.


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