Finanzen

Wie Europas Konzerne Rubel-Zahlungen für russisches Gas vorbereiten

Lesezeit: 3 min
28.04.2022 16:33  Aktualisiert: 28.04.2022 16:33
Europas Gasversorger treffen die nötigen Vorbereitungen, um russischen Gas künftig in Rubel zu bezahlen. Die EU lässt dies zu, um eine Versorgungskatastrophe zu vermeiden.
Wie Europas Konzerne Rubel-Zahlungen für russisches Gas vorbereiten
Europas große Konzerne folgen Putins Erlass und werden russische Gaslieferungen künftig in Rubel bezahlen. (Foto: dpa)

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Europas Energieunternehmen bereiten sich darauf vor, dass sie für russisches Gas künftig in Rubel bezahlen müssen. Sie werden dazu voraussichtlich das von Russland vorgeschlagene Zahlungssystem nutzen. Trotz der umfangreichen Sanktionen gegen Russland hatte die EU-Kommission in der vergangenen Woche Gaszahlungen in Rubel unter bestimmten Bedingungen als "sanktionskonform" eingestuft, auch wenn diese Zahlungen an Russland der russischen Wirtschaft wichtige Barmittel in Milliardenhöhe zuführen werden.

Die großen Gasversorger in Deutschland, Österreich, Ungarn und der Slowakei bereiten sich nun im Hochtempo darauf vor, Rubelkonten bei der Gazprombank in der Schweiz zu eröffnen, wie Insider gegenüber der Financial Times berichten. Unter den Gasversorgern, die derzeit Konten bei der russischen Bank einrichten, gehören auch zwei der größten Einzelimporteure von russischem Gas: die in Düsseldorf ansässige Uniper und die in Wien ansässige OMV.

Die Verhandlungen zwischen den Gasversorgern und Gazprom, dem staatlich kontrollierten russischen Gaslieferanten, haben sich mit dem Näherrücken der Zahlungsfristen intensiviert. Auch die italienische Eni, ein weiterer Großkunde von Gazprom, prüft Zahlungen in Rubel, sagten zwei mit den Gesprächen vertraute Personen. Das vom italienischen Staat unterstützte Unternehmen hat noch Zeit bis Ende Mai, um eine endgültige Entscheidung zu treffen. Denn erst dann ist seine nächste Zahlung an Gazprom fällig.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Ende März einen Erlass herausgegeben, wonach Gasabnehmer aus so genannten "unfreundlichen Staaten", zu denen unter anderem die gesamte EU, Großbritannien und die Schweiz gehören, sowohl Fremdwährungs- als auch Rubelkonten bei der Gazprombank, dem in der Schweiz ansässigen Finanzhandelszweig von Gazprom, einrichten müssen, um mit deren Hilfe ihre Gaslieferungen zu bezahlen. Die Gazprombank unterstützt die ausländischen Unternehmen beim Umtausch in Rubel.

Gasimporteure in Polen und Bulgarien haben sich bis zuletzt strikt geweigert, das russische Programm zur Bezahlung der Gaslieferungen zu unterzeichnen. In der Folge wurden ihre Gaslieferungen aus Russland am Mittwoch unterbrochen. Diese Entscheidung der Russen, kein Gas mehr an die beiden Staaten zu liefern, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen wollten, hat die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, als Erpressung bezeichnete.

Im Rahmen des neuen russischen Mechanismus würden die europäischen Versorgungsunternehmen ihre Importe weiterhin in Euro an die Gazprombank bezahlen und damit sicherstellen, dass sie nicht gegen die EU-Sanktionen verstoßen. Die russische Bank, gegen die keine EU-Sanktionen verhängt wurden, würde dann auf Antrag der Unternehmen die auf Euro lautenden Einlagen auf einem zweiten, auf ihren Namen eröffneten Konto in Rubel umwandeln, sodass die Gasrechnungen an Gazprom in Rubel bezahlt werden können.

Sicherlich wäre es für die EU-Kommission ein Leichtes, dieses Schlupfloch in den Sanktionen des Blocks zu schließen. Doch die Berater der Kommission sind zu dem Schluss gekommen, dass jeder Schritt der Union, Sanktionen gegen die Gazprombank zu verhängen, den gesamten bestehenden Zahlungsmechanismus für russisches Gas gefährden könnte, was zu einer katastrophalen Einstellung der Lieferungen in die Staaten der EU führen würde.

Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident der EU-Kommission, sagte in einem Interview, dass es in erster Linie Sache der einzelnen Unternehmen sei, die Verträge mit Gazprom eingegangen sind, diese Verträge umzusetzen und auszulegen. Er forderte sie jedoch auf, sich an den Wortlaut der Verträge zu halten. "Die Preise werden in Euro oder Dollar vereinbart. Sie zahlen also diesen Euro-Betrag für eine bestimmte Menge Gas, Ende der Geschichte", sagte er.

Das internationale integrierte Öl-, Gas- und Chemieunternehmen OMV mit Sitz in Wien erklärte, es habe die Anfrage von Gazprom zu den Zahlungsmodalitäten im Hinblick auf die EU-Sanktionen analysiert und arbeite an einer sanktionskonformen Lösung. Und Tiina Tuomela, Chief Financial Officer von Uniper, sagte: "Wir sind der Meinung, dass die Änderung des Zahlungsprozesses mit dem Sanktionsgesetz übereinstimmt und die Zahlungen somit möglich sind."

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Mittwoch, der russische Zahlungsmechanismus sei "der Weg, der mit den Sanktionen vereinbar ist". Seiner Ansicht nach würden sich die deutschen Unternehmen, die diesen Weg gehen, an ihre Verträge halten. "Die meisten EU-Länder verfolgen diesen Ansatz." Habeck fügte hinzu, dass er nach einem Besuch in Polen am Dienstag davon ausgehe, dass Warschau eine kompromisslosere Haltung gegenüber Moskau einnehmen wolle. "Sie haben keine Angst vor einem Embargo."


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