Deutschland

Deutsche Industrieaufträge nach Kriegsausbruch eingebrochen

Die Aufträge der deutschen Industrie sind nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine viel stärker eingebrochen als erwartet. Eine Rezession wird immer wahrscheinlicher.
05.05.2022 09:43
Aktualisiert: 05.05.2022 09:43
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die wirtschaftlichen Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine für die deutsche Konjunktur werden zunehmend in den Daten sichtbar: Nach Exporten und Einzelhandelsumsätzen fielen im ersten Monat nach Kriegsbeginn auch die Industrieaufträge. Die Unternehmen sammelten im März vor allem wegen eines schwachen Auslandsgeschäfts 4,7 Prozent weniger Bestellungen ein als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte.

Das ist der stärkste Einbruch seit Oktober 2021, der zudem mehr als viermal so stark ausfiel wie von Ökonomen vorhergesagt. Bereits im Februar waren die Bestellungen geschrumpft, mit minus 0,8 Prozent allerdings weit weniger.

"Damit zeigt sich im ersten Monat des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine bereits ein deutlicher Effekt der gestiegenen Unsicherheit auf die Nachfrage", kommentierte das Bundeswirtschaftsministerium die Entwicklung im März. Eine rasche Besserung wird nicht erwartet. "Der Ausblick für die nächsten Monate fällt derzeit gedämpft aus", so das Haus von Ressortchef Robert Habeck.

"SOMMER WIRD ZUR DURSTSTRECKE"

Das sehen Ökonomen ganz ähnlich. "Die Sommermonate werden für die deutsche Volkswirtschaft vermutlich zu einer Durststrecke werden, die Belastungen sind gegenwärtig zu groß", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Eine Rezession wird immer wahrscheinlicher." Diese konnte im ersten Quartal mit einem Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent noch knapp vermieden werden. Wie es nun weitergeht, hängt entscheidend vom Krieg ab. "Je länger der Ukraine-Krieg dauert, desto mehr werden Auftragsstornierungen folgen", warnte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG, Alexander Krüger.

Dem Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge hat sich der Warenverkehr im April in zahlreichen Volkswirtschaften zumindest stabilisiert. "Die ersten Schockwellen der russischen Invasion in der Ukraine für den globalen Warenaustausch sind offenbar verdaut, und die Handelsdaten im April stabilisieren sich", sagte IfW-Experte Vincent Stamer. "Fast alle wichtigen Volkswirtschaften können Zuwächse oder zumindest eine Seitwärtsbewegung erwarten."

AUSLANDSGESCHÄFT SCHWÄCHELT

Der Rückgang der Industrieaufträge im März ist insbesondere auf deutlich geringere Auslandsaufträge zurückzuführen: Deren Volumen fiel um 6,7 Prozent niedriger aus als im Februar. Dabei nahm das Neugeschäft außerhalb der Euro-Zone um 13,2 Prozent ab, das aus der Währungsunion wuchs hingegen um 5,6 Prozent. Die Inlandsaufträge sanken um 1,8 Prozent. Besonders Investitionsgüter wie Maschinen, Fahrzeuge und Anlagen waren weniger gefragt, weil sich Unternehmenskunden mit größeren Ausgaben derzeit zurückhalten: Hier brach die Nachfrage um 8,3 Prozent ein.

Viele Industriebetriebe berichten derzeit von Engpässen, die sich seit der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar teils noch verschärft haben: Drei von vier Firmen klagten im April über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen, wie das Ifo-Institut bei seiner Unternehmensumfrage herausfand. Zu schaffen macht der Wirtschaft zudem die Corona-Krise bei ihrem wichtigsten Handelspartner China, die etwa die Finanzmetropole Shanghai in einen wochenlangen Lockdown geschickt hat.

"Die neuen Verwerfungen in der Lieferkette in China werden in den kommenden Monaten den Druck auf die Aufträge und damit auf die gesamte Wirtschaft erhöhen", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Bahnverbindung nach Aserbaidschan: Türkei baut Teil der Neuen Seidenstraße für 2,4 Milliarden Euro
14.09.2025

Die Türkei baut eine 224 Kilometer lange Bahnverbindung nach Aserbaidschan – als Teil der Neuen Seidenstraße. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China jenseits der Schlagworte: Ein Insider berichtet – Megastädten und ländliche Transformation
14.09.2025

Uwe Behrens hat 27 Jahre in China und Indien gelebt und gearbeitet – lange bevor Schlagworte wie „Belt and Road Initiative“ bekannt...

DWN
Finanzen
Finanzen Debatte neu entfacht: Braucht die Erbschaftsteuer eine Reform?
13.09.2025

Im Bundeshaushalt fehlt das Geld, und immer wieder rücken dabei auch das Vermögen der Deutschen und eine gerechtere Besteuerung in den...

DWN
Technologie
Technologie IoT-Baumaschinen: Wie Digitalisierung die Baustelle verändert
13.09.2025

IoT-Baumaschinen verändern Baustellen grundlegend: mehr Effizienz, Sicherheit und Nachhaltigkeit. Wer nicht digitalisiert, riskiert...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Darf der Chef in mein Postfach? Urteil zeigt Grenzen für Arbeitgeber
13.09.2025

Arbeitsrecht im digitalen Zeitalter: Darf ein Arbeitgeber nach Ende des Arbeitsverhältnisses noch in das E-Mail-Postfach seiner...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kritik am Verbrenner-Verbot der EU: So nicht umsetzbar
13.09.2025

Das Verbrenner-Verbot der EU steht vor dem Scheitern: Käufer verweigern sich Elektroautos, Hersteller warnen vor unrealistischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende: WWF-Ranking sieht Brandenburg ganz vorn
13.09.2025

Die Energiewende schreitet ungleichmäßig voran – während Brandenburg laut Umweltverband WWF glänzt, hinken andere Länder hinterher....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lightcast-Bericht: KI-Kenntnisse treiben Gehälter massiv nach oben
13.09.2025

Wer KI beherrscht, kassiert kräftig ab: Laut einer globalen Studie steigern KI-Fähigkeiten das Gehalt um bis zu 43 Prozent – in manchen...