Der Boom auf dem deutschen Wohnungsmarkt hat nach Daten des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp) auch im ersten Quartal angehalten. Insgesamt seien die Preise für Immobilien im Auftaktviertel 2022 binnen Jahresfrist um 8,8 Prozent gestiegen, teilte der vdp am Dienstag mit. Bei Wohneigentum liege das Preisplus sogar bei 10,7 Prozent.
Experten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) mahnen aber zur vorsichtigen Interpretation, da die Zahlen noch nicht merklich unter dem Einfluss des aktuellen Zinsanstiegs stünden. Der Immobilienmarkt solle sich deshalb nicht in falscher Sicherheit wiegen, erklärte LBBW-Analyst Martin Güth. "Die Zinswende bedeutet für den Immobilienmarkt eine Zeitenwende." Insgesamt habe der Immobilienpreisindex des Verbandes mit 190,8 Punkten einen neuen Höchstwert erreicht, erklärte der vdp.
"Der Immobilienmarkt in Deutschland befindet sich weiterhin im Aufwind – und das, obwohl die Pandemie nach wie vor nicht ausgestanden ist und mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ein höchst beunruhigender exogener Schock eingetreten ist", erklärte vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. Auch wenn aktuell noch keine Auswirkungen auf den Immobilienmarkt zu erkennen seien, müsse man abwarten, wie sich Zweit- und Drittrundeneffekte auswirken werden.
LBBW: Stagflation könnte Preisrückgänge von bis zu 25 Prozent nach sich ziehen
Die LBBW hat in ihrer Studie vor allem den jüngsten Anstieg der Bauzinsen im Blick, die sich seit Jahresbeginn um 1,5 Prozentpunkte erhöht hätten. Laut dem Baufinanzierungsvermittler Interhyp kosteten Darlehen mit zehnjähriger Zinsfestschreibung Anfang Mai im Durchschnitt 2,6 Prozent. Beruhige sich der Zinsanstieg wie erwartet, verlaufe die Hauspreisentwicklung im laufenden Jahr noch positiv, bevor sie in eine Seitwärtsbewegung übergehe, erklärte Analyst Güth.
Sollte es jedoch zu einem weiteren Anstieg der Zinsen kommen, zeige die LBBW-Untersuchung deutliche Konsequenzen für die Preise von Wohnimmobilien. "Das Risiko einer kräftigen Preiskorrektur sehe ich vor allem für den Fall, dass die Zinsen weiter kräftig steigen, während die Wirtschaft nicht vom Fleck kommt – ein echtes Stagflationsszenario also." Dann dürften Preisrückgänge in einer Größenordnung von 20 Prozent bis 25 Prozent möglich sein.
Umfrage: Große Probleme bei Baumaterial in Deutschland
Bei den Gewerbeimmobilien hat sich die Stimmung der Investoren in Deutschland im ersten Quartal bereits eingetrübt, wie die weltweite Immobilien-Berufsvereinigung RICS zu ihrer jüngsten Umfrage mitteilte. "Während einzelne Länder eine deutliche Wachstumsdynamik ausmachen, fällt die Investorenstimmung in Deutschland", sagte Susanne Eickermann-Riepe , die Vorstandsvorsitzende von RICS Deutschland.
So sei der Stimmungsindex für deutsche Gewerbeimmobilien (Commercial Property Sentiment Index) im ersten Quartal mit minus eins Punkten in den negativen Bereich gerutscht, während er im vierten Quartal 2021 noch bei plus zwei Zählern gelegen habe. Der Pfandbrief-Verband vdp meldete für das Auftaktquartal 2022 einen Anstieg der Preise für Gewerbeimmobilien von 1,8 Prozent.
Der gesondert vom RICS ermittelte Gesamtindex der Bautätigkeit (CAI) zeigt in Deutschland ein Plus von 31 auf 34 Punkte. In Europa hat sich der CAI dagegen abgeschwächt und liegt bei 19 gegenüber 29 im Vorquartal. In ganz Europa nannten 91 Prozent der Befragten die Materialkosten als ein Hemmnis für die Bautätigkeit, 80 Prozent gaben Schwierigkeiten bei der Materialversorgung an. In Deutschland stimmten dem Problem der Materialversorgung sogar 94 Prozent zu.
Probleme bei den Materialkosten sehen satte 100 Prozent der Befragten in Deutschland. Gleichsam werden Immobilien in Deutschland aufgrund der vielfachen Preistreiber immer unerschwinglicher. So berichten die Landesbausparkassen und der Finanzierungsvermittler Interhyp berichten über eine stark gestiegene Nachfrage seit Jahresanfang. Der Hauptgrund: Die Sorge, Immobilien und Zinskosten könnten noch teurer werden.