Deutschland und die anderen G7-Staaten wollen den ukrainischen Streitkräften notfalls noch jahrelang Waffen und andere militärische Ausrüstung für den Kampf gegen Russland liefern. «Wir werden unsere laufende Militär- und Verteidigungshilfe für die Ukraine so lange wie nötig fortsetzen», heißt es in einer von den Außenministern der Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen (G7) verabschiedeten Erklärung.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) betonte am Samstag zum Abschluss von Beratungen nahe dem Weißenhäuser Strand an der Ostsee in Schleswig-Holstein auch die politische Unterstützung durch die G7-Staaten. «Grenzveränderungen, die Russland mit militärischer Gewalt erzwingen will, werden wir niemals anerkennen», sagte sie. Den G7-Staaten falle eine zentrale Rolle dabei zu, «zu verhindern, dass die globalen Auswirkungen dieses Krieges die Welt in eine unkontrollierbare Krise stürzen».
Der Runde gehören neben der Bundesrepublik die Nato-Staaten USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Italien sowie Japan an. Deutschland hat derzeit den Vorsitz der G7-Gruppe inne.
Keine Kampfjet-Zusage
Unerfüllt bleibt allerdings weiter der ukrainische Wunsch nach der Lieferung westlicher Kampfflugzeuge. Fragen zu weiteren Lieferungen müssten erst einmal «bis in jedes Detail» gemeinsam geklärt werden, sagte Baerbock und verwies auf eine große Verantwortung «in dieser absolut schwierigen Situation».
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuletzt angedeutet, dass eine Belieferung der Ukraine mit immer schwereren Waffen zu einer Eskalation des Krieges und letztlich einem Atomkrieg mit Russland führen könne. Deutschland liefert seinen Angaben zufolge «immer sorgfältig abwägend auch schweres Gerät», tue aber zugleich nicht einfach alles, was der eine oder die andere gerade fordert.
Weitergabe russischer Gelder juristisch schwierig
Baerbock machte der Ukraine auch keine Hoffnungen auf eine schnelle Weitergabe eingefrorener russischer Staatsgelder. «Ein Zugriff auf eingefrorenes Geld ist juristisch (...) alles andere als einfach», erklärte sie. Es gebe einige gute Gründe, diesen Weg zu beschreiten - Sanktionen und gerade ein solcher Schritt müssten aber auch vor dem deutschen Recht und dem Europäischen Gerichtshof Bestand haben.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte Deutschland und die anderen G7-Staaten bei dem Treffen in Schleswig-Holstein gebeten, Gesetze zu verabschieden, um Vermögenswerte des russischen Staates zu beschlagnahmen und der Ukraine für den Wiederaufbau des Landes zur Verfügung zu stellen. «Wir sprechen über hunderte Milliarden US-Dollar in Europa», sagte er.
In Europa werden neben rechtlichen Schwierigkeiten auch politische Risiken gesehen. So wird befürchtet, dass Länder wie Russland und China in Reaktion auf Enteignungen ein alternatives internationales Finanzsystem aufbauen.
Der Ukraine-Krieg als globale Krise
Baerbock unterstrich nach dem Treffen die besondere Verantwortung der G7-Staaten. Diese hätten als stärkste Industrienationen unter den Demokratien die Chance und die Mittel, sich Hunger, Instabilität, Energieunsicherheit und dem schleichenden Aushöhlen von demokratischen Werten und Menschenrechten durch Desinformation entgegen zu stellen.
«Wie wir jetzt handeln oder aber auch, wie wir nicht handeln, wird für viele Jahre und vielleicht sogar Jahrzehnte unser Miteinander auf der Welt prägen», sagte Baerbock. Man müsse sich aber darauf einstellen, dass der Kampf gegen die aktuelle globale Krise ein Langstreckenlauf werde.
Ideen gegen russische Getreideblockade
Moskau bereite etwa mit der Blockade von Getreidelieferungen aus der Ukraine «den Nährboden für neue Krisen, um den internationalen Zusammenhalt gegen Russlands Krieg bewusst zu schwächen», sagte die Ministerin. Bis zu 50 Millionen Menschen vor allem in Afrika und im Nahen Osten seien zusätzlich von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen.
Begleitet werde die russische Strategie von einer «massiven Desinformationskampagne, die mit absurden Behauptungen versucht, Täter und Opfer umzukehren». Baerbock betonte: «Es gibt keine Sanktionen gegen Getreide, es gibt keine Sanktionen gegen Medikamente oder humanitäre Hilfe.» Die westlichen Sanktionen richteten sich «auf das Machtzentrum des russischen Regimes, damit dieser völkerrechtswidrige Krieg unterbunden wird».
Mit Blick auf die blockierten ukrainischen Häfen sagte Baerbock, man prüfe derzeit Alternativen zum Schiffstransport von Getreide aus der Ukraine, um die russische Blockade in diesem Bereich zu brechen. Nachdem es beim Schienentransport über Rumänien Probleme gebe, prüfe man etwa die Ausfuhr über die baltischen Häfen. Es müssten jedoch zunächst die Voraussetzungen geklärt werden, wie die dortigen Häfen erreicht werden könnten.
Normalerweise könnten über den Seeweg fünf bis sechs Millionen Tonnen Getreide pro Monat von der Ukraine ausgeliefert werden, sagte Baerbock. Bei einer Lieferung über die Schiene sei klar, dass man deutlich weniger Getreide bekomme. Bisher werde ein Bruchteil per Bahn vor allem über Rumänien exportiert. Der «Flaschenhals» sei, dass die Ukraine und Rumänien unterschiedliche Spurbreiten bei den Bahnen hätten. Dadurch gehe viel Zeit verloren. In den ukrainischen Häfen lagerten 25 Millionen Tonnen Getreide.