Politik

Machtwechsel in Australien: Premier räumt Wahlniederlage ein

Australiens Konservativen von Ministerpräsident Scott Morrison müssen nach fast neun Jahren abtreten. Doch die Labor-Partei benötigt möglicherweise Partner.
21.05.2022 17:13
Lesezeit: 2 min

In Australien kehrt die sozialdemokratische Labor-Partei nach fast zehn Jahren an die Macht zurück. Nach Zahlen des Fernsehsenders ABC wird Oppositionsführer Anthony Albanese der neue Premierminister des Landes. Der 59-Jährige löst den amtierenden Scott Morrison von der rechtskonservativen Koalition als Regierungschef ab. Morrison räumte am späten Samstagabend (Ortszeit) seine Niederlage ein und erklärte, er habe Albanese am Telefon zum Sieg gratuliert.

«Dies ist eine schwere Nacht für die Liberalen», sagte der 54-Jährige, der seinen Rücktritt vom Parteivorsitz ankündigte. Es sei ein Privileg gewesen, «diese großartige Nation zu führen». Morrison war seit 2018 im Amt. Mit Tränen in den Augen erklärte Albanese unter dem Jubel seiner Anhänger: «Dieser Sieg erfüllt mich mit Demut, und ich fühle mich geehrt, die Chance zu erhalten, als 31. Premierminister Australiens zu dienen.» Er versprach, Einheit und Optimismus zu fördern und die Klimakrise anzugehen.

Nach ABC-Berechnungen wird Labor mindestens eine Minderheitsregierung bilden können, möglicherweise reicht es auch für eine Mehrheitsregierung. Am späten Abend hatte die Partei 72 Sitze im Unterhaus sicher. Die Mehrheit liegt bei 76 Sitzen. Die konservative Koalition aus Liberalen und Nationalen, die seit 2013 gemeinsam regiert, kommt nach diesen Zahlen zunächst nur auf 55 Mandate. Sie kann keine Mehrheit mehr bekommen. Verteidigungsminister Peter Dutten sprach von einem «schrecklichen Tag» für die Koalition.

Der Wahlausgang hing lange in der Schwebe. Grund war vor allem das gute Abschneiden vieler unabhängiger Kandidaten, die auf mindestens elf Sitze kommen, und der australischen Grünen (The Greens), die zunächst zwei Sitze gewannen. «Das wird die politische Landschaft in Australien komplett verändern», sagte ein Kommentator im australischen Fernsehen. Wann das endgültige Wahlergebnis vorliegt, war unklar.

Der britische Premierminister Boris Johnson gratulierte dem Wahlgewinner noch am Abend. Beide Länder vereine eine lange gemeinsame Geschichte, und er freue sich darauf, in den nächsten Jahren mit Albanese zusammenzuarbeiten. «Die einzige Distanz zwischen uns ist geografischer Natur», so Johnson.

Hauptthema im Wahlkampf waren die Wirtschaftslage und die Klimakrise - vor allem nach den jüngsten verheerenden Überschwemmungen an der Ostküste. Auch am Wahltag selbst schüttete es in Sydney zeitweise wie aus Kübeln, in Queensland wurden teilweise erneut Warnungen wegen möglicher Überflutungen ausgesprochen.

Das Land leidet seit Jahren aber auch unter schweren Dürren und zerstörerischen Buschbränden, unter Korallenbleichen am Great Barrier Reef und Baumsterben in den Regenwäldern. Gleichzeitig hat Australien eine der höchsten CO2-Emissionen pro Kopf und ist einer der größten Kohleexporteure der Welt.

Morrison war stets ein Unterstützer der einflussreichen Kohleindustrie, und viele Mitglieder der Liberalen gelten als Leugner des Klimawandels. Albanese, der seit 1996 im Repräsentantenhaus sitzt, versprach hingegen, den Kampf gegen den Klimawandel zu einem zentralen Punkt seiner Amtszeit zu machen, sollte er gewählt werden.

Rund 17 Millionen Australier waren zur Wahl gerufen. Berichten zufolge hat etwa die Hälfte von ihnen schon im Vorfeld entweder per Briefwahl oder per frühzeitiger Stimmabgabe abgestimmt. Schon vergangene Woche hatten Hunderte Wahllokale für diejenigen geöffnet, die am Wahltag verhindert waren. Die 2,7 Millionen Briefwahl-Stimmen wurden am Samstag noch nicht ausgezählt.

In Down Under herrscht Wahlpflicht - wer sich weigert, muss 20 australische Dollar (13,30 Euro) Strafe zahlen. Der fünfte Kontinent ist mehr als 20 Mal größer als Deutschland, hat aber nur rund 25 Millionen Einwohner.

Mehr zum Thema: Australien verwandelt sich schrittweise in einen Überwachungsstaat

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Trump besucht erneut die Golfstaaten – Wirtschaftsinteressen stehen im Vordergrund
13.05.2025

Warum reist Donald Trump erneut als erstes nach Saudi-Arabien – und nicht etwa zu den engsten Nachbarn der USA? Hinter dem glanzvollen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trump: Die Arzneimittelpreise müssen um 59 Prozent sinken
13.05.2025

Die Pharmabranche gerät weltweit unter Druck: Mit einer neuen Ankündigung hat US-Präsident Donald Trump den globalen Arzneimittelmarkt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Kommission kündigt Importverbot für russisches Gas an – doch wo bleibt das Gesetz?
13.05.2025

Die EU verkündet das Ende russischer Gasimporte – aber präsentiert (noch) keine juristische Grundlage. Experten warnen: Was die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Innovation Neuro-Webdesign: „Die meisten Firmenwebsites scheitern am Menschen“
13.05.2025

Viele mittelständische Websites wirken modern, funktionieren aber nicht. Warum? Sie ignorieren die Psychologie der Nutzer. Jonas Reggelin,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rezession 2025: Düstere Aussichten für Deutschland
13.05.2025

Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle – und das ausgerechnet in einer Phase, in der neue Impulse dringend nötig wären. Der...

DWN
Politik
Politik Rentenversicherung: Warum Bärbel Bas' Beamten-Vorschlag 20 Milliarden Euro im Jahr kosten würde
13.05.2025

Geht es nach Arbeitsministerin Bärbel Bas, sollen künftig auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden. Eine neue...

DWN
Panorama
Panorama Reichsbürger-Verbot: Dobrindt zerschlägt "Königreich Deutschland"
13.05.2025

Sie erkennen den Staat nicht an, verbreiten Verschwörungstheorien und zahlen häufig keine Steuern. Die Szene der Reichsbürger war...

DWN
Politik
Politik Geopolitischer Showdown in der Türkei: Selenskyj, Putin – und Trump im Anflug
13.05.2025

Ein historisches Treffen bahnt sich an: Während Selenski den russischen Präsidenten zu direkten Friedensgesprächen nach Istanbul...