Politik

Kissinger fordert Verhandlungen für einen Waffenstillstand - bevor der Konflikt aus dem Ruder läuft

Henry Kissinger mahnt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos schnellstmögliche Friedensverhandlungen an. Der Westen solle nicht versuchen, Russland in der Ukraine eine Niederlage beizubringen.
25.05.2022 16:34
Aktualisiert: 25.05.2022 16:34
Lesezeit: 2 min
Kissinger fordert Verhandlungen für einen Waffenstillstand - bevor der Konflikt aus dem Ruder läuft
Henry Kissinger. (Foto: dpa) Foto: Christoph Soeder

Der US-amerikanische Geopolitik-Experte und frühere Sicherheitsberater und Außenminister von Richard Nixon, Henry Kissinger, hat in einem Videobeitrag auf dem Weltwirtschaftsforum im Schweizer Davos mit Blick auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine vor einer Eskalation gewarnt und baldige Verhandlungen gefordert.

Kissinger zufolge sollte der Westen nicht länger das Ziel verfolgen, den Russen eine vernichtende Niederlage in der Ukraine zuzufügen. Eine solche Strategie hätte desaströse Folgen für die langfristige Stabilität Europas, so Kissinger, weil Russland ein struktureller Teil der Sicherheitsarchitektur auf dem Kontinent sei.

Kissinger rief zu Verhandlungen auf und forderte die Ukraine offenbar indirekt auch zu einem möglichen territorialen Verzicht auf: „Ich hoffe, dass die Ukrainer die Tapferkeit, die sie bewiesen haben, mit Weisheit ergänzen werden“, wird Kissinger vom britischen Telegraph zitiert. „Meiner Meinung nach muss eine Bewegung hin zu Verhandlungen - und zwar Friedensverhandlungen - in den nächsten zwei Monaten oder so beginnen. Das Resultat des Krieges sollte von diesen vorgezeichnet werden, bevor Aufregungen und Spannungen entstehen, die nicht mehr einfach behoben werden können. (...) Idealerweise sollte die Trennungslinie zum Status Quo Ante zurückkehren. Ich glaube, wenn man den Krieg über diesen Punkt hinaus fortführen würde, dann geht es nicht mehr um die Freiheit der Ukraine, die von der Nato mit großer Geschlossenheit verteidigt wurde, sondern um einen neuen Krieg gegen Russland selbst. Und so scheint dies mir die Trennlinie zu sein, die beinahe unmöglich zu definieren sein wird und es wird schwierig sein.“

Beobachter spekulieren, was Kissinger mit dem Verweis auf den „Status Quo Ante“ gemeint haben könnte. Damit könnte gemeint sein, dass die Ukraine den territorialen Status akzeptieren solle, der kurz vor Kriegsbeginn am 24. Februar herrschte. Zu diesem Zeitpunkt unterstanden sowohl die Krim als auch die abtrünnigen selbsterklärten Volksrepubliken Donezk und Luhansk schon seit Jahren nicht mehr der Kontrolle Kiews.

In einem Interview mit der Financial Times hatte Kissinger zuvor seiner Überzeugung, dass sich die Welt in den vergangenen Jahren grundlegend geändert habe, Ausdruck verliehen: „Wir sind jetzt mit Technologien [konfrontiert], bei denen die Schnelligkeit des Austauschs, die Subtilität der Erfindungen Ausmaße von Katastrophen hervorrufen können, die nicht einmal vorstellbar waren. Aber es gibt international kaum eine Diskussion darüber, was passieren würde, wenn die Waffen tatsächlich eingesetzt würden. Mein Appell im Allgemeinen, auf welcher Seite auch immer Sie stehen, ist, zu verstehen, dass wir jetzt in einer völlig neuen Ära leben, und wir sind bis jetzt noch damit durchgekommen, diesen Aspekt einfach zu vernachlässigen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik 100 Milliarden für Klimaschutz? Einigung zwischen Union, SPD und Grünen
14.03.2025

Ein Milliarden-Paket für Verteidigung und Infrastruktur sorgt für politische Bewegung. Nach zähen Verhandlungen haben Union, SPD und...

DWN
Politik
Politik BSW auch nach endgültigem Ergebnis nicht im Bundestag
14.03.2025

Das endgültige Wahlergebnis steht fest: Das BSW verpasst den Bundestag knapp. Trotz zusätzlicher Stimmen bleibt die Partei unter der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unser neues Magazin ist da: Gesund arbeiten und gesund leben? Die Balance auf der Kippe
14.03.2025

Unsere Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Digitalisierung, Globalisierung und die ständige...

DWN
Unternehmen
Unternehmen BMW-Aktie: Gewinn beim Hersteller BMW sackt ab - die ganz fetten Jahre sind vorbei
14.03.2025

Nach Jahren extremer Erträge geht es für die Autohersteller gerade abwärts. Doch selbst nach den aktuellen Einbrüchen verdienen...

DWN
Politik
Politik Grüne blockieren schwarz-rotes Finanzpaket – Streit um Europas Zukunft
14.03.2025

Die Grünen stellen sich gegen das Finanzpaket von Union und SPD. Fraktionschefin Katharina Dröge fordert, Verteidigungs- und...

DWN
Technologie
Technologie Polen will Bau von AKW an der Ostsee 2028 starten
14.03.2025

Deutschland hat sein letztes Atomkraftwerk abgeschaltet. Polen indes will seinen ersten Reaktor direkt am Ostseestrand errichten. Das...

DWN
Panorama
Panorama Vorsorge Gesundheit: Krankenkassen-Boni noch bis 31. März sichern
14.03.2025

Viele Krankenkassen fördern ein gesundheitsbewusstes Verhalten ihrer Versicherten mit Bonuszahlungen. Wer davon profitieren möchte,...

DWN
Finanzen
Finanzen Die unsichtbare Enteignung: Wie Inflation unser Vermögen entwertet
14.03.2025

Inflation – die größte legale „Enteignung“ der Geschichte? Während Verbraucher unter steigenden Preisen ächzen, kassiert der...