Finanzen

KUBIN ANALYSIERT: Medienberichte über angeblichen Containerstau im größten Hafen der Welt stimmen nicht

Lesezeit: 4 min
31.05.2022 18:58
DWN-Autor Andreas Kubin wartet mit einer überraschenden Entdeckung auf.
KUBIN ANALYSIERT: Medienberichte über angeblichen Containerstau im größten Hafen der Welt stimmen nicht
Ein Container-Schiff fährt auf das Containerdock des Yangshan-Hafens in Shanghai zu. (Foto: dpa)
Foto: Chen Jianli

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Beginnen möchte ich zuallererst mit einer Bestandsaufnahme der (Börsen-)Situation (Referenztag: 30. Mai 2022).

Entgegen der Annahme so mancher „Experten“ sind die Börsen trotz Pandemie, Ukraine-Krieg und Stagflation bisher nicht eingebrochen. Der DAX notiert bei 14.553 Punkten, der Dow Jones bei 33.350. Am selben Tag schloss der Hang Seng in Hongkong 2,06 Prozent höher bei 21.124 Zählern. Der WTI-Rohölpreis betrug 115,52 US-Dollar. Okay, der NASDAQ-100, noch im November 2021 bis auf stark übertriebene 16.573 Punkte kurzfristig hochgepuscht, lag am 27. Mai bei „nur“ noch 12.681 Zählern, was aber auch viel realistischer und plausibler ist. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass er vor gerade mal zwei Jahren, am 20. März 2020, auf 6.994 Zähler einbrach. Guckt man sich den fünfjährigen Chartverlauf an, bietet dieser keinen Grund zur Nervosität.

Wahrscheinlich sind für manch einen die jüngsten Börsenanstiege nicht ganz nachvollziehbar. Nun, das hat zu einem nicht geringen Teil damit zu tun, dass hier in Europa wenig bis gar nichts davon berichtet wurde, dass die Häfen von Shanghai, Singapur, Shenzhen und Co. längst wieder in vollem Umfang die Fracht der Containerschiffe löschen.

Wie sieht es mit der Abfertigung am weltgrößten Hafen in Shanghai aktuell aus?

Die strikten Corona-Lockdowns in China haben den Außenhandel der Volksrepublik sicherlich etwas ausgebremst. Der über Shanghai - den größten Hafen der Welt - laufende Frachtverkehr brach stark ein. Jedoch ist das bereits Schnee von gestern.

Die folgende Aufnahme zeigt keine Staus, sondern einfach den normalisierten regen Verkehr an den Shanghaier Hafeneinfahrten. Hier die Live-Karte des Hafens von Shanghai vom 27. Mai 2022. Aufgebauschte Horror-Staumeldungen diverser Medien werden dadurch widerlegt.

Wenn bereits am 26. April 2022 an die 500 Containerschiffe täglich gelöscht wurden, dann widerspricht das den publizierten Szenarien hier in Europa. Ich überlasse es dem Leser, sich darauf seinen Reim zu machen.

Der tägliche Betrieb des Shanghaier Hafens hat sich in der zweiten Maihälfte fast vollständig von den Auswirkungen der Covid-19-Abriegelung der Stadt erholt, obwohl der Rückstau durch die „Störungen“ im Hafen und in den nahegelegenen Fabriken wahrscheinlich noch bis weit ins Jahr hinein zu Engpässen im Schiffsverkehr führen wird. Der tägliche Container-Umschlag - ein Maß für den Frachtumschlag - im Hafen von Shanghai sei wieder auf 95,3 Prozent des normalen Niveaus angestiegen, sagte der Beamte des Verkehrsministeriums, Li Huaqiang, nach Angaben chinesischer Staatsmedien am 26. Mai. Der Frachtumschlag in den großen chinesischen Häfen stieg zwischen dem 1. und 24. Mai um 4,2 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im April. Fakt ist: Die Aussagen des Beamten decken sich mit den Angaben von Marine Traffic.

Die Inflationsrate

EU-weit ist die Teuerungsrate laut Statista[1] im April 2022 gegenüber dem Vorjahresmonat um satte 8,1 Prozent gestiegen. Dass die Inflationsrate in Deutschland mit 7,4 Prozent - wie vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden für April errechnet - ihren Höhepunkt bereits erreicht habe, wie erste Ökonomen meinen, glaube ich weniger. Und schon gar nicht glaube ich die Begründung für diese Aussagen, nämlich, dass die Geldmenge jetzt langsamer wachse. Letzteres hat nämlich – wenn es überhaupt stimmt – nur einen schwachen Effekt. Ich betone es hier zum wiederholten Male: Die Bilanzsummen der großen Zentralbanken wie der EZB und der FED sind nach wie vor irre aufgebläht, und das ist es, was sich eklatant auswirkt! Tritt doch der Cantillon-Effekt langsam, aber sicher, immer deutlicher zu Tage (der Cantillon-Effekt besagt, dass von einer Erhöhung der Geldmenge nicht alle Akteure profitieren, aber alle Akteure die Kosten der durch die Erhöhung ausgelösten Inflation mittragen müssen. Von der Geldflut der vergangenen Jahre haben vor allem die Finanzwirtschaft und die Zombie-Unternehmen profitiert – ausbaden müssen sie jedoch alle, also auch die solide wirtschaftenden Unternehmen sowie die Bürger). Von einem bin ich fest überzeugt: wir werden bald zweistellige Inflationsraten sehen.

Kurseinbrüche ausnützen?

Gleichzeitig bin ich nur zur Hälfte gleicher Meinung wie der in den USA hochangesehene Börsenexperte Dennis Gartman. Er riet am 23. Mai gegenüber Bloomberg Radio folgendes: Käufer, die jetzt und in nächster Zeit Aktien während eines Bärenmarkts kaufen, sollten jede folgende Marktrally nützen, um wieder zu verkaufen.

Meine aktuelle mittelfristig angelegte Strategie sieht vielmehr folgendes vor: Ja, Kurseinbrüche für sukzessive Käufe nützen (da gehe ich mit Gartmann d'accord), aber anschließend nicht verkaufen, sondern die Anteile halten.

Zum Schluss wollen wir uns noch zwei Investitionsmöglichkeiten anschauen, bei denen man Vorsicht walten lassen sollte.

Nvidia und Ark Invest

Nvidia, der Chip-Hersteller aus Santa Clara im US-Bundesstaat Kalifornien, meldete für das erste Quartal 2022 einen Gewinn pro Aktie (EPS) von 1,36 Dollar. An der Wall Street waren lediglich 1,29 Dollar erwartet worden. Der Umsatz belief sich auf 8,29 Milliarden Dollar, Analysten hatten mit 8,11 Milliarden etwas weniger prognostiziert. Mit Blick auf die Zukunft (Prognose für Q2/2022) prognostizierte Nvidia, dass der Umsatz etwa 8,1 Milliarden Dollar betragen werde, was unter den Erwartungen der Analysten von 8,54 Milliarden US-Dollar liegt. Der Umsatzrückgang von knapp 500 Millionen Dollar stehe im Zusammenhang mit Russland und dem Ukraine-Krieg sowie pandemiebedingten Sperrungen in China, so Nvidia.

Ich meine, das ist noch lange kein Beinbruch. Trotzdem wurde die Aktie in den vergangenen Monaten regelrecht nach unten geprügelt. Im November 2021 in der Spitze noch bei 292 Euro, brach das Papier bis auf 150 Euro ein. Dann griff Starinvestorin Cathie Wood von „Ark Invest“ erneut zu, und die Anteile stiegen innerhalb von Tagen wieder auf 168 Euro. Ich habe Nvidia ebenfalls auf dem Radar, möchte da aber noch die weitere Entwicklung abwarten.

Und zwar nicht zuletzt deshalb, weil ich die Portfolio-Anpassungen von Ark Invest seit geraumer Zeit ziemlich konsterniert verfolge. Beispielsweise der aktiv gemanagte Tech-Fonds „ARK Innovation“ (ARKK)[2]. Dem Handelsblatt war das am 4. Mai 2022 eine Schlagzeile wert. Titel: „Cathie Wood kauft trotz Rekordverlust im April Aktien für 280 Millionen Dollar nach.“ Der Artikel beginnt mit dem Satz: „Für Starinvestorin Cathie Wood war der April (2022) verheerend…“[3]

Der Kursverlauf ihres ARKK fiel – betrachtet bis zum Stichtag 27.Mai - um satte 54,07 Prozent (sein größter Verlust der vergangenen sechs Jahre und der sechste Monatsverlust in Folge). Nach einem vorangegangenen Höhenflug hatte er am 3. Januar noch in der luftigen Höhe von 96,99 Dollar notiert, aktuell (per 27. Mai 2022) bei nur mehr 44,55 Dollar, was dem Kursniveau vom März 2018 entspricht. Sollte in den kommenden Monaten noch ein kräftiger Börseneinbruch erfolgen, dann kracht‘s aber gewaltig im Gebälk dieses ETFs. Man muss sich das mal vor Augen halten: Seit dem Allzeithoch von 156,85 Dollar im Februar 2021 beträgt sein Verlust erschreckende 71,5 Prozent …

[1] [[2]" href="https://de.statista.com/statistik/daten/studie/252059/umfrage/inflationsrate-in-der-eu-nach-monaten/

[2]" target=_blank>de.statista.com] [[3]" href="https://etfs.ark-funds.com/hubfs/1_Download_Files_ETF_Website/Fact_Sheets/ARKK_Factssheet.pdf

[3]" target=_blank>etfs.ark-funds.com] www.handelsblatt.com/finanzen/anlagestrategie/trends/ark-invest-cathie-wood-kauft-trotz-rekordverlust-im-april-aktien-fuer-280-millionen-dollar-nach/28299770.html 4.5.2022

Andreas Kubin lebt in Oberösterreich, hat ein MBA mit Schwerpunkt "Finanzen" und verfügt über drei Jahrzehnte Börsen-Erfahrung. 

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