Finanzen

Federal Reserve hebt Leitzinsen um 75 Basispunkte an

Lesezeit: 3 min
16.06.2022 10:00  Aktualisiert: 16.06.2022 10:07
Die US-amerikanische Zentralbank hat den größten Zinsschritt seit dem Jahr 1994 geliefert.
Federal Reserve hebt Leitzinsen um 75 Basispunkte an
Der Präsident des Federal Reserve System, Jerome Powell. (Foto: dpa)
Foto: Jacquelyn Martin

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Mit dem größten Zinsschritt seit fast 30 Jahren will die US-Notenbank die steigende Inflation bekämpfen und schürt die Angst vor einer Rezession. Das Federal Reserve System (Fed) erhöht ihren Leitzins stark um 0,75 Prozentpunkte, wie sie am Mittwoch bekannt gab. Fed-Chef Jerome Powell betonte zwar, dass ein so hoher Zinsschritt "natürlich ungewöhnlich" und nicht üblich sei. Gleichzeitig stellte er für Ende Juli eine erneute Anhebung um 0,5 oder 0,75 Prozentpunkte in Aussicht. Für die Fed ist es nun ein Drahtseilakt, die steigende Inflation zu stoppen und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum nicht zu sehr auszubremsen.

Der aktuelle Zinsschritt ist die dritte Erhöhung des Leitzinses seit dem Beginn der Coronavirus-Pandemie - und der erste Anstieg um 0,75 Prozentpunkte seit 1994. Eigentlich hatten die Zentralbanker vor einigen Woche noch einen Anstieg um 0,5 Prozentpunkte signalisiert. Daten aus der vergangenen Woche zeigten jedoch, dass die Verbraucherpreise im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,6 Prozent gestiegen waren - dies setzte die US-Notenbank stark unter Druck. Sie überrascht eigentlich eher ungern die Märkte. Kurz vor der Fed-Sitzung wurde schließlich gar über eine Anhebung von einem Prozentpunkt spekuliert - und an den legendären Fed-Chef Paul Volcker erinnert.

Volcker hob den Leitzins in den 1970er und 80er Jahren drastisch an - er stieg zeitweise auf mehr als 20 Prozent. Auch damals hatte die größte Volkswirtschaft der Welt mit enormer Inflation zu kämpfen. Volcker wird zugute gehalten, die Inflation als Zentralbankchef erfolgreich bekämpft zu haben. Kritiker machten seinen Kurs jedoch für den Anstieg der Arbeitslosigkeit und einen Einbruch des Wirtschaftswachstums verantwortlich. Seine Maßnahmen waren so radikal, dass die USA dadurch in eine Rezession rutschten. Fed-Chef Powell versuchte nun eine klare Botschaft zu vermitteln: Die Fed ist entschlossen, die Inflation zu senken. Man versuche dabei nicht, eine Rezession herbeizuführen, versicherte er.

Wenn die Zinssätze steigen, leihen sich Bürgerinnen Bürger sowie die Wirtschaft weniger Geld oder müssen für Kredite mehr ausgeben. Folglich nimmt das Wachstum ab, Unternehmen können höhere Preise nicht mehr einfach weitergeben. Das alles hat direkte Auswirkungen auf den Alltag der Menschen - etwa bei Kreditkartenrechnungen, Krediten und Hypotheken. Ziel ist es, die Nachfrage im Laufe der Zeit zu senken, damit die Preise sinken und sich stabilisieren können. Die Folge: Die Inflation sinkt.

Wird das Wachstum aber zu schnell ausgebremst, könnten die USA in eine Rezession schlittern. Eine Rezession ist ein allgemeiner wirtschaftlicher Abschwung. Die Entscheider der Fed rechnen nun zum Jahresende im Mittel mit einem Leitzins von 3,4 Prozent und sogar 3,8 Prozent im kommenden Jahr - das ist allerdings noch sehr weit von den Volcker-Zeiten entfernt. "Wir verfügen sowohl über die notwendigen Instrumente als auch über die nötige Entschlossenheit, um die Preisstabilität im Interesse der amerikanischen Familien und Unternehmen wiederherzustellen", sagte Powell. Wichtig sei dabei nun auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fed.

Die Prognosen der US-Notenbank zeigen nun auch dank der Zinserhöhung einen Anstieg der Arbeitslosenquote in den kommenden Jahren. Für Powell ist das offenbar ein notwendiger Kompromiss. Die Arbeitslosenquote lag im Mai bei niedrigen 3,6 Prozent - ein Erfolg, für den sich US-Präsident Joe Biden immer wieder rühmt. "Eine Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent bei einer Inflation, die sich Richtung 2 Prozent bewegt - ich denke, das wäre ein erfolgreiches Ergebnis", sagte Powell nun.

"Natürlich sind wir nie der Meinung, dass zu viele Menschen arbeiten und weniger Menschen Arbeit haben müssen", betonte der Fed-Chef auf die Frage, ob nun Menschen im Kampf gegen die Inflation ihren Arbeitsplatz verlieren sollten. "Aber wir sind auch der Meinung, dass man ohne Preisstabilität keinen Arbeitsmarkt haben kann, wie wir ihn uns wünschen."

Powell betonte auch, dass der Krieg in der Ukraine und die Corona-Lockdowns in China einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft haben. "Das Problem ist, dass man nicht weiß, ob diese Kräfte in welchem Ausmaß anhalten werden", sagte der 69-Jährige. Es sei offen, ob man absehbar in eine Welt zurückkehre, die ein wenig mehr wie "die alte Welt aussehe". "Oder werden wir uns in einer Welt befinden, in der es immer wieder zu größeren Versorgungsschocks kommt, wie in den 70er Jahren, die dann wieder verschwinden und sich die Dinge wieder einpendeln?", fragte er. Angesichts der Ungewissheit sei es nun wichtig, "in der neuen Welt" für Preisstabilität zu sorgen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Flüchtlingswellen und Wirtschaftskrisen: Was ein Zerfall der Levante für Deutschland bedeuten würde
24.11.2024

Die Levante könnte sich zur Achillesferse Europas entwickeln, wenn sich der schwelende Konflikt zwischen Israel und Iran zu einem...

DWN
Panorama
Panorama Alarmierende Umfrage: Kriege und Klimakrise belasten Schüler in Deutschland
24.11.2024

Eine neue Umfrage zeigt: Viele Schülerinnen und Schüler in Deutschland sind von Sorgen geplagt. Kriege, Klimakrise und Leistungsdruck...

DWN
Politik
Politik Nato-Generalsekretär trifft sich in Florida mit Trump
24.11.2024

Die zweite Amtszeit von Donald Trump wird in der Nato von vielen Alliierten mit Sorge gesehen. Schon vor dem Machtwechsel reist der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Leerstand in Innenstädten: Decathlon setzt auf Expansion gegen die Krise
24.11.2024

Leerstand prägt deutsche Innenstädte. Doch Decathlon sieht Chancen: Bis 2027 sollen mehr als 60 neue Filialen entstehen – viele davon...

DWN
Finanzen
Finanzen DWN-Sonntagskolumne: The Rational Investor - warum Emotionen bei der Geldanlage schaden
24.11.2024

Als ich gehört habe, dass in einer Umfrage des ZDF vor der US-Präsidentschaftswahl am 5. November 2024 über 70 Prozent der Deutschen...

DWN
Politik
Politik Christian Lindners Vorwurf lautet: SPD strebt "Zerstörung" der Liberalen an
24.11.2024

Seit dem Bruch der Ampel-Koalition herrscht ein scharfer Ton zwischen SPD und FDP. Nun legt der entlassene Finanzminister nach. Die SPD...

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW hält an Werksschließungen fest - Sparansage auch bei Bosch
24.11.2024

Im Streit um Einsparungen bei VW bleibt das Unternehmen hart: Die Kapazitäten sollen schnell runter. Die IG Metall reagiert in der...

DWN
Panorama
Panorama Sammelkarten als Wertanlage: Das Geschäft mit begehrten Karten
24.11.2024

Sammelkarten sind weit mehr als nur ein Zeitvertreib. Besonders seltene Karten erzielen zum Teil Rekordpreise. Was steckt hinter diesem...