Deutschland

Bundesregierung will höhere Gas-Kosten auf alle Verbraucher verteilen

Angesichts stark gestiegener Gas-Preise schafft die Bundesregierung ein neues Verfahren. Eine Umlage soll die Mehrkosten gleichmäßig auf alle Kunden verteilen.
01.07.2022 16:02
Lesezeit: 3 min

Die Bundesregierung will ein neues Verfahren zur Bewältigung der rasant gestiegenen Preise für Versorger und Kunden schaffen. Ein entsprechender Gesetzentwurf fasst dafür eine gleichmäßige Umlage auf alle Kunden ins Auge, wie aus dem Reuters am Freitag vorliegenden Papier hervorgeht. Damit könnten die Mehrkosten für den Ersatz-Kauf des von Russland nicht gelieferten Gases gerechter und transparenter verteilt werden.

Das System könnte ein bisher vorgesehenes für den Fall einer weiteren Verknappung des Gases ersetzen, das als ungerecht und rechtlich anfechtbar gilt. Regierungs- und Branchenkreisen zufolge soll diese Option im Eilverfahren am nächsten Freitag im Energie-Sicherungsgesetz verankert werden. Die Bundesregierung würde damit ermächtigt, diesen Mechanismus selbst kurzfristig in Kraft zu setzen.

Die Zeit drängt auch deshalb, da die wichtigste Pipeline Nordstream 1 am 11. Juli überholt wird. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte bereits, dass die Sperrung länger als die geplanten zehn Tage dauern könnte, was die Gas-Knappheit verschärfen und die Preise noch einmal treiben könnte.

Die Bundesnetzagentur erklärt im täglichen Bericht: "Die Lage ist angespannt und eine Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden." Die Gasversorgung sei im Moment aber stabil.

Das Wirtschaftsministerium wollte die Pläne weder bestreiten noch bestätigen. Man prüfe regelmäßig die vorhandenen Instrumente und schau, ob der Instrumentenkasten ergänzt werden könne, sagte eine Sprecherin.

Hintergrund des Vorgehens ist auch, dass Gas-Importeure wie Uniper in Schwierigkeiten geraten sind, da sie fehlendes Gas kurzfristig teuer am Markt einkaufen müssen, den höheren Preis aber wegen bestehender Verträge nicht direkt an Kunden wie Stadtwerke weitergeben können. Die Regierung ist zwar in Gesprächen über eine Stützung des Versorgers, bei weiter steigenden Gas-Preisen könnten jedoch auch andere Unternehmen in Schwierigkeiten geraten.

In Branchenkreisen hieß es, die Mehrkosten aller Importeure für die Gas-Ersatz-Beschaffung würden sich derzeit auf um die eine Milliarde Euro in der Woche belaufen.

Der Verband "Zukunft Gas" lobte den Regierungsvorstoß: "Wir sehen einer Finanzkrise im Gashandel ins Auge, gegen die dringend etwas unternommen werden muss", sagte Geschäftsführer Timm Kehler der Nachrichtenagentur Reuters. "Ein Umlagesystem kann hier eine sinnvolle Alternative sein." Ohne Regeln zur Preisanpassung drohten Pleiten. "Daher ist es richtig, wenn der Staat hier unterstützend eingreift. Die Mehrkosten werden von allen Verbrauchern gemeinsam getragen werden müssen."

UMLAGE KÖNNTE PREISANPASSUNGSKLAUSEL ERSETZEN

Eigentlich hält das bestehende Energie-Sicherungsgesetz die Möglichkeit offen, über eine Preisanpassungsklausel bei einer amtlich festgestellten Gas-Mangellage bestehende Verträge aufzuheben. Dies hätte jedoch für Kunden extrem unterschiedliche Folgen, abhängig von welchem Versorger sie Gas beziehen. Zudem gilt es als rechtlich schwammig.

Die Preisanpassungsklausel werfe viele Fragen auf, sagte der Energierechtler Peter Rosin. "So heißt es dort, dass nur angemessene Kosten weitergegeben werden können. Das lässt viele Interpretationen zu. Fraglich ist auch, ob Verträge von Kunden, die Festpreise vereinbart haben, nicht mehr gelten sollen."

Das Umlageverfahren wird daher in der Branche als gerechter und einfacher bevorzugt. Die Bundesregierung hätte aber auch mit dem neuen Paragrafen die Möglichkeit, sich dennoch für die alte Preisanpassungsklausel zu entscheiden. Diese wird im Entwurf noch leicht abgeändert. Voraussetzung ist nun beispielsweise, dass eine "erhebliche Störung" der Gas-Importe festgestellt wird, bisher war von "Gasmangellage" die Rede.

Konkret könnten dem neuen Paragraf 26 zufolge die ermittelten Mehrkosten für die Ersatz-Beschaffung des Gases über den sogenannten Trading Hub Europe (THE), eine Organisation der Gasnetzbetreiber, auf alle Gas-Kunden verteilt werden. Damit würde es für alle teurer, bestimmte Härten etwa für einzelne Kunden könnten aber über die Umlage zugunsten der Importeure vermieden werden. Voraussetzung ist aber auch hier, dass die Regierung zunächst eine Störung der Versorgung feststellt.

"Die Anspruchsberechtigten des finanziellen Ausgleichs sind die von der erheblichen Störung der Gasimporte nach Deutschland unmittelbar betroffenen Energieversorgungsunternehmen (Gasimporteure)", heißt es im Entwurf der Bundesregierung. Die Mehrkosten sollten in einem "transparenten und diskriminierungsfreien" Verfahren ermittelt werden. Eine Sprecherin von THE nannte das Umlagesystem eine Option, über die die Regierung entscheiden müsse.

Das Umlageverfahren setzt auf dem Prinzip des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) auf. Hier wurden die Mehrkosten für die Förderung von Wind- oder Solarstrom ebenfalls über eine Umlage der Netzbetreiber auf praktisch alle Kunden umgelegt.

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