Finanzen

Rückzug vom Rückzug: Ausländische Banken suchen Personal in Russland

Ausländische Banken schalten Stellenanzeigen in Russland. Offenbar gestaltet sich der Rückzug aus dem Land schwieriger als gedacht.
21.07.2022 13:52
Aktualisiert: 21.07.2022 13:52
Lesezeit: 2 min

Ausländische Banken sind in Russland wieder auf der Suche nach Personal. Weil die Behörden den Rückzug der Kreditinstitute blockieren, schalteten etwa die amerikanische Citibank und die österreichische Raiffeisen Bank International im Juli zusammen hunderte Stellenanzeigen in dem Land, wie die Webseite von Headhunter zeigt, berichtet Reuters. Im April bis Juni seien es noch sehr wenige Stellen gewesen, erklärte der Personalvermittler, in Russland einer der führenden Dienstleister.

Nach dem Einmarsch von Russland in der Ukraine hatten viele westliche Banken russische Beschäftigte aus Führungspositionen entfernt und Möglichkeiten eines Rückzugs aus dem Markt eruiert. Doch die Sanktionen hätten den Spielraum für die Finanzinstitute eingeschränkt, heißt es in Branchenkreisen. Russland will die Banken im Gegensatz zu anderen Industrie- oder Handelsunternehmen nicht so einfach gehen lassen. So sagte der stellvertretende Finanzminister Alexej Moisejew, dass Russland den Verkauf der russischen Tochtergesellschaften ausländischer Banken so lange blockieren werde, bis russische Geldhäuser im Ausland wieder komplett funktionsfähig seien. Zudem weigerte sich die russische Zentralbank, die lokalen Geschäfte der Banken zu übernehmen. Insidern zufolge befürchtete sie, Einleger könnten ihre Gelder bei einem solchen Schritt abziehen.

Druck auf Zentralbank

Russlands Zentralbank steht unter zunehmendem Druck seitens russischer Politiker und Unternehmen, nachdem Zweigstellen westlicher Institute ihre Kreditvergabe eingestellt haben. Hintergrund sind Sanktionen ihrer jeweiligen Heimatländer gegen Russland. Dies hat den Zorn russischer Kunden ausgelöst, die mit einem herben Wirtschaftseinbruch und einer hochschießenden Inflation zu kämpfen haben.

Zwei Insidern zufolge haben sich russische Behörden Pläne angeschaut, nach denen das Tagesgeschäft einiger lokaler Institute im ausländischem Besitz in russische Hände überführt würde. Dabei blieben diese Geldhäuser aber weiter Eigentum ihrer entsprechenden Muttergesellschaften. Im Moment widersetze sich die Zentralbank aber einem solchen Schritt, sagten die Insider.

Die Notenbank selbst teilte in einer E-Mail mit, sie beaufsichtige alle in Russland registrierten Kreditinstitute und stelle die Stabilität des Bankensektors sicher. „Tochtergesellschaften ausländischer Banken sind russische juristische Gesellschaften, die von der russischen Zentralbank lizenziert wurden, und sie unterliegen denselben Anforderungen in Bezug auf vorgeschriebene Quoten, Vorsorge und so weiter wie Banken mit russischen Anteilseignern“, erklärte sie. Andrei Kostin, Chef der staatlich kontrollierten russischen VTB Bank, hatte im vergangenen Monat solche Rufe zur Bestellung eines externen Managements bei gleichzeitiger Wahrung der ausländischen Eigentumsverhältnisse unterstützt.

Der Anteil ausländischer Banken am gesamten Bankenkapital in Russland lag Ende 2021 bei elf Prozent. Raiffeisen, Citi und die italienische Unicredit sind die drei größten ausländischen Bankakteure auf dem Markt. Nachdem sie realisiert hätten, dass sie Russland nicht verlassen könnten, hätten die Banken angefangen, sich nach Personal umzuschauen, erläuterte ein Branchenvertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte.

Citi wollte sich eigentlich komplett von ihren Aktivitäten mit russischen Privat- und Geschäftskunden trennen. Auch die Raiffeisen Bank prüfte die Optionen für die Zukunft des Geschäfts. Nun schrieben die Österreicher Headhunter zufolge im Juli 276 Stellen in Russland aus. Citi will demnach 86 neue Mitarbeiter rekrutieren. Die US-Bank lehnte einen Kommentar ab, Raiffeisen war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar. Auch die italienische Banken Intesa und die russische Tochter von Unicredit schrieben Stellenanzeigen aus.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Wenn Märkte überhitzen: Droht der Small-Cap-Rally das Aus?
13.07.2025

US-Anleger stürzen sich auf kleine Firmen – ein alarmierendes Zeichen. Warum Euphorie an der Börse oft das Ende markiert und was das...

DWN
Panorama
Panorama 100 Jahre Rolltreppe: Aufstieg in 30 Sekunden
13.07.2025

Die Rolltreppe ist allgegenwärtig – und doch übersehen wir oft ihre faszinierende Geschichte. Seit 100 Jahren bewegt sie Menschen durch...

DWN
Technologie
Technologie The bright, bright future ahead (AI): Bringt künstliche Intelligenz uns eine bessere Zukunft?
13.07.2025

Es geht Schlag auf Schlag. Bald, so hört man, haben wir die AGI (artificial general intelligence) und danach kommt die Superintelligence....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Geschäftsideen schützen: Mehr Umsatz für Unternehmen mit Patenten und Marken
13.07.2025

Mehr als 50-Prozent mehr Umsatz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ihre Innovationen schützen – warum cleverer Schutz der...

DWN
Politik
Politik Patient Pflegeversicherung: Es fehlen Milliarden in den Kassen
13.07.2025

Immer mehr Pflegebedürftige in Deutschland – und die Finanzierungslücke wächst. Der Bundesrechnungshof warnt und spricht von über 12...

DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Keine reine Männersache – Geschlechterunterschiede beim Investieren
13.07.2025

Obwohl Frauen in sozialen Medien Finanzwissen teilen und Banken gezielt werben, bleibt das Investieren weiterhin stark männlich geprägt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Renault: Globales KI-System soll helfen, jährlich eine Viertelmilliarde Euro einzusparen
13.07.2025

Produktionsstopps, Transportrisiken, geopolitische Schocks: Renault setzt nun auf ein KI-System, das weltweite Logistik in Echtzeit...