China hat Sanktionen gegen die US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi wegen deren Taiwan-Reise beschlossen. Pelosi habe mit ihrem Besuch der Insel boshaft und provokativ gehandelt, begründete das Außenministerium in Peking am Freitag das Vorgehen gegen die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die in der Nachfolge des US-Präsidenten an zweiter Stelle nach der Vizepräsidentin kommt.
Zugleich setzte die Volksrepublik ihre bislang größten Manöver in den Gewässern um Taiwan als Reaktion auf den Pelosi-Besuch fort. Nach übereinstimmenden Angaben aus Japan und Taiwan wurden auch Raketen über die Hauptstadt Taipeh abgefeuert. Außerdem überquerten nach Angaben aus Taiwan erneut etwa zehn Marineschiffe und 20 Militärflugzeuge kurzzeitig die inoffizielle Grenzlinie in der Mitte der viel befahrenen Taiwanstraße.
Pelosi hatte in dieser Woche im Rahmen ihrer Asien-Reise trotz massiver Drohungen aus China auch Taiwan besucht. Sie hatte ihre Stippvisite als Zeichen der Solidarität mit der auf Unabhängigkeit beharrenden, von China aber als eigenes Staatsgebiet beanspruchten Insel bezeichnet. Es war der hochrangigste US-Besuch im Taiwan seit 25 Jahren.
Von der US-Regierung war der Besuch der Parteifreundin von Präsident Joe Biden nicht offiziell abgesegnet worden, auch in Pelosis offiziellem Reiseplan tauchte Taiwan im Vorfeld nicht auf. In Erwartung des Besuchs hatten sich die Spannungen zwischen China und den USA bereits in den Tagen zuvor verschärft - und das inmitten des Ukraine-Kriegs.
"Trotz Chinas ernsthafter Bedenken und entschiedenen Widerstands bestand Pelosi darauf, Taiwan zu besuchen, sich ernsthaft in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen, Chinas Souveränität und territoriale Integrität zu untergraben, die Ein-China-Politik mit Füßen zu treten und den Frieden und die Stabilität der Taiwanstraße zu bedrohen", begründete ein Sprecher des Außenministeriums in Peking die Sanktionen gegen Pelosi. Die Maßnahmen würden auch für ihre unmittelbaren Angehörigen gelten.
Pelosi wies Kritik an ihrem Besuch bereits vor Ankündigung der Sanktionen zurück. "Bei diesem Besuch geht es nicht um mich, es geht um Taiwan." Bei ihrem Stopp in Japan erklärte sie am Freitag, China könne Taiwan nicht isolieren, indem es westliche Staatsvertreter davon abhalte, dorthin zu reisen.
DER "BÖSE NACHBAR" CHINA
Bereits am Donnerstag, also einen Tag nach Pelosis Taiwan-Besuch, hatte China wie angedroht mit den Manövern begonnen - und dabei auch erstmals seit 1996 wieder Raketen in Gewässer vor der Insel abgefeuert. Über die taiwanische Hauptstadt Taipeh flogen bis zu vier Raketen hinweg, wie Japans Verteidigungsministerium mitteilte. Sie hätten sich aber in großer Höhe befunden und keine Bedrohung dargestellt, ergänzte Taiwans Verteidigungsministerium. Die selbstregierte Insel mobilisierte gleichwohl nach eigenen Angaben Flugzeuge und Schiffe sowie Raketenabwehrsysteme, um die Lage zu beobachten.
Taiwans Ministerpräsident Su Tseng-chang äußerte sich nicht direkt zu dem Einsatz von Raketen, bezeichnete China aber als "bösen Nachbarn, der seine Macht vor unserer Tür demonstriert". Präsidentin Tsai Ing-wen wiederum hat erklärt, Taiwan werde keine Konflikte provozieren, aber seine Souveränität und nationale Sicherheit entschieden verteidigen.