Politik

Schweizer Behörden bereiten sich auf drohenden Strom-Mangel vor

Lesezeit: 3 min
03.09.2022 09:08  Aktualisiert: 03.09.2022 09:08
In der Schweiz werden aktiv Vorbereitungen für den Fall eines Blackouts getroffen. Die Bundesregierung könnte einiges von Deutschlands Nachbarn lernen.
Schweizer Behörden bereiten sich auf drohenden Strom-Mangel vor
Die Schweiz trifft Vorkehrungen für den Fall einer Strommangellage. (Foto: dpa)

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In der Schweiz bereiten sich Behörden und Unternehmen auf die Möglichkeit eines großen Stromausfalls vor. Wie die Handelszeitung berichtet, sind inzwischen auch die Kantone und ihre (Sicherheits-)Organe in die Planungen der Bundesregierung miteinbezogen.

Sowohl der Generalsekretär als auch der Präsident der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) sitzen demnach im Bundesstab Bevölkerungsschutz. Auch im Steuerungsausschuss der Direktorenkonferenzen der Kantone sei der KKJPD-Generalsekretär neu vertreten. „Damit könnten die kantonalen Justiz- und Polizei-Direktoren die Sicherheitsbelange und die Befürchtungen der Kantone direkt einbringen“, so die Handelszeitung.

Regierung gründet Krisenorganisation

Bereits im vergangenen Jahr wurde auf Initiative der Bundesregierung in Bern die Krisenorganisation OSTRAL (Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen) von den Elektrizitätsunternehmen des Landes gegründet.

Diese soll konkrete Schritte und Maßnahmen für den Fall einer Strom-Mangellage erarbeiten und nimmt zu diesem Zweck Kontakt zu großen Verbrauchern wie Großunternehmen und Stadtwerken auf. Ziel der Maßnahmen ist es, im Ernstfall die Stromversorgung auf reduziertem Niveau aufrechterhalten zu können, um den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung zu verhindern. Im Gegensatz zu einem lokal und zeitlich beschränkten Stromausfall handelt es sich bei einer Strom-Mangellage um eine länger andauernde Unterversorgung großer Regionen oder der gesamten Schweiz.

Susanne Weidmann, die OSTRAL-Repräsentantin beim Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen erklärte dem Portal Powernewz, wie solche Maßnahmen aussehen könnten:

„In einer solchen Situation muss vor allem der Stromverbrauch reduziert werden, zum Beispiel könnten Anlagen, die nicht zwingend notwendig sind, stillgelegt werden, etwa Rolltreppen oder Schaufensterbeleuchtungen. In Fabriken würden Produktionsstraßen gestoppt, die weniger wichtige Waren herstellen. Die Fahrpläne des öffentlichen Verkehrs würden ausgedünnt und die Schalteröffnungszeiten von Dienstleistern reduziert. (…) Wenn sich eine Krise abzeichnet, aber noch nicht eingetreten ist, geht zuerst ein Appell an die Bevölkerung, in bestimmten Bereichen weniger Strom zu verbrauchen. Tritt die Krise ein, erlässt der Bundesrat in einem zweiten Schritt Verordnungen. Diese können Verbrauchseinschränkungen und die Kontingentierung von Großverbrauchern betreffen. Die Ultima Ratio, der letzte Ausweg, sind Netzabschaltungen. Diese sollen möglichst vermieden werden.“

Energiesparkampagne gestartet

Die Schweizer Regierung startete darüber hinaus gemeinsam mit mehr als 40 Partnern aus Wirtschaft, Politik und öffentlichem Leben eine Energiesparkampagne. Unter dem Slogan „Energie ist knapp. Verschwenden wir sie nicht“ sollen auf Plakaten, mittels Inseraten und im Internet einfach umzusetzende Tipps zum Energiesparen aufgezeigt werden.

Die Empfehlungen richten sich sowohl an die Bevölkerung als auch an die Wirtschaft. „Ziel ist, dass sich möglichst viele freiwillig daran beteiligen – und dazu beitragen, dass die Schweiz gar nicht erst in eine Mangellage kommt“, erklärte die Regierung. Die landesweite Kampagne soll bis 23. April kommenden Jahres laufen.

Die Regierung visiert für das Winterhalbjahr bei Gas ein freiwilliges Sparziel an. Behörden, Industrie und Privathaushalte sollen von Anfang Oktober bis Ende März nächsten Jahres 15 Prozent weniger Gas verbrauchen als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre, teilte die Regierung am Mittwoch mit. In der EU gilt dieses Ziel bereits seit 1. August. Sollten Sparaufrufe nicht ausreichen, sei nicht ausgeschlossen, dass etwa Sport- und Wellnessbereiche geschlossen werden. Diese Vorschläge werden nun mit den Kantonen diskutiert und sollen danach beschlossen werden.

Die Schweiz ist bei Gas vollständig auf Importe aus dem Ausland angewiesen. Wenn das Gas in den Nachbarländern knapp werde, könne das die Gaslieferungen in die Schweiz beeinträchtigen. Die Versorgungssicherheit sei zwar derzeit gewährt, aber die Lage könne im Winter angespannt werden. Die Regierung ermunterte die Industrie, von Gas auf Öl umzustellen, wo möglich. Bei Behörden sollen sämtliche Apparate, die nicht zwingend im Betrieb sind, abgeschaltet werden. Im Notfall könnten auch Standorte der Bundesverwaltung zusammengelegt werden, um weniger Räume heizen zu müssen. Ein Grad weniger Raumwärme spare bis zu sechs Prozent Energie, so die Regierung.

Öffentlicher Nahverkehr bereitet sich vor

Auch Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs bereiten sich auf eine mögliche Mangellage vor. Die Schweizerischen Bundesbahnen erarbeiten derzeit zusammen mit anderen Firmen der Branche und des Bundes Maßnahmen mit Blick auf eine möglicherweise nötige Begrenzung der Stromversorgung.

Voraussichtlich im Herbst soll es belastbare Resultate der Planungen geben, zitiert die Zeitschrift 20 Minuten den Verband öffentlicher Verkehr (VöV).

Der Schweizer Rundfunk SRF berichtet darüber hinaus, dass Hobby-Funker der Regierung angeboten haben, im Krisenfall ihre Dienste lokalen Behörden zur Verfügung zu stellen. Funker „können mit Antennen ein Notfunknetz aufbauen, das über weite Strecken und unabhängig vom Stromnetz betrieben werden kann.“, so der SRF.

Funker im Kanton Solothurn hatten Ende August den Notfall geprobt und eine Funkverbindung über 80 Kilometer herstellen können, wobei sie die Jura-Bergkette überwanden. „Die Behörden und Blaulichtorganisationen sind bei Internet- oder Stromausfällen zwar mit dem Schweizer Funknetz Polycom zusammengeschlossen. Trotzdem kommt die Initiative der Amateurfunker bei den Zuständigen gut an. Diego Ochsner vom Solothurner Amt für Militär und Bevölkerungsschutz sagt: ‚Diese Technik wird bis jetzt noch nicht genutzt. Aber wir möchten sie nutzen. Wir haben bei einer Erdbebenübung bemerkt, dass wir mit unseren bisherigen Funknetzen den Jura nicht überwinden konnten‘, erklärt er während der Übung, an der er auch mitmacht“, so der SRF.


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