Deutschland

Medienforscher: GEZ-Sender schaden der Medienvielfalt

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verzerrt den freien Wettbewerb und erfüllt im Zeitalter des Internet in seiner bestehenden Form nicht mehr die Aufgaben, die ihm zu Gründungszeiten zugedacht wurden. Der Medienforscher Stephan Russ-Mohl diagnostiziert, dass die Sender, statt ein Marktversagen zu korrigieren, die Entwicklung eines Marktplatzes der Ideen blockieren und die Meinungsvielfalt gefährden.
05.01.2014 01:45
Lesezeit: 2 min

In der digitalen Medienlandschaft untergraben öffentlich rechtliche Sender den Wettbewerb und gefährden die Medienvielfalt. Durch die Finanzierung mit Gebühren haben sie vor privaten Medienunternehmen einen entscheidenden Vorteil, denn diese müssen Innovationen refinanzieren. Die Zukunftsfähigkeit des dualen Rundfunks ist nicht gesichert, wenn die öffentlich-rechtlichen Anbieter nicht neu bewertet werden, schreibt der Medienforscher Stephan Russ-Mohl in einem Beitrag für die NZZ.

Russ Mohl analysiert:

„Die ursprüngliche Rechtfertigung ihres Daseins ist für öffentliche Rundfunkanstalten bereits lange vor dem Siegeszug des Internets entfallen. Statt knapper Frequenzen gibt es inzwischen Plattformen im Überfluss, um ein vielstimmiges Angebot zu sichern. Die Produktionskosten für Medienangebote, auch für Video und Audio, sind drastisch gesunken. Es bedarf keiner Apparate mit hohen Fixkosten mehr, die eine Vielzahl von Menschen von vornherein von der Produktion ausschliessen.“

Denn das Internet werde traditionelle Medienstrukturen verändern und auflösen. Mit dem friedlichen Nebeneinander von Presse und Rundfunk ist es dann vorbei. „Daraus droht jetzt ein Kampf aller gegen alle zu werden: Derjenige, der über mehr Ressourcen verfügt, frisst die anderen“, so Russ-Mohl, Medienprofessor an der Universität der Italienischen Schweiz. Beispiele dafür seien Facebook und Google, die dominante Marktpositionen eingenommen haben.

Journalistische Inhalte im Internet ließen sich nur bedingt durch Werbung refinanzieren. „Der Löwenanteil wandert stattdessen zu Suchmaschinen und sozialen Netzwerken“, so Russ-Mohl. Jeder Konsument habe ein Medienbudget, das er nur einmal ausgeben könne. Der Kostenanteil, der dabei für den öffentlichen Rundfunk zwangsweise „reserviert“ wird, ist besonders hoch und steht damit für selbstbestimmten Medienkonsum nicht mehr zur Verfügung.

Medienwissenschaftler Russ-Mohl fordert daher eine Neubewertung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, um sicherzustellen, dass die Zwangs-Gebühren sachgerecht verwendet werden und private Anwender nicht benachteiligen. „Die drei wichtigsten Stichworte für eine Bewertung öffentlichen Rundfunks sind Qualität, Unabhängigkeit und Transparenz.“

Die Qualität werde nicht ausreichend sichergestellt, weil ein öffentlich-rechtliches Programm zugunsten einer hohen Quote geopfert werde. Massenformate für Fußball und Formel 1, Spielfilme, Seifenopern, Gottschalk, Musikantenstadl und Talkshows –  dominieren.

Die Gesamtbilanz der Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Sender fällt negativ aus: „Sowohl in Südeuropa, insbesondere in Italien, als aber auch in Frankreich und Osteuropa ist der Durchgriff der Regierenden auf das öffentliche Fernsehen stark.“

Auch in Deutschland gebe es eine starke Verquickung von Politik und Sendern:

„Der Löwenanteil der Gebühren kommt jedenfalls nicht der Grundversorgung einer Demokratie mit Information zugute, sondern eher einer Überversorgung mit Unterhaltung und Zirkusspielen, die von der Politik und vom «herrschaftsfreien Diskurs» öffentlicher Angelegenheiten ablenken dürften. […] In Deutschland haben der Fall des abservierten ZDF-Chefredaktors Nikolaus Brender und die Berufung des Regierungssprechers zum Intendanten des Bayerischen Rundfunks neuerlich gezeigt, wie die Öffentlich-rechtlichen ihre Unschuld verloren haben.“

Mit der Transparenz sei es bei den Öffentlich-Rechtlichen ebenfalls nicht weit her.

Das Fazit des Medienwissenschaftlers:

„Es lässt sich leichter negativ eingrenzen, was im Interesse des Gemeinwohls verteilungspolitisch kaum zu rechtfertigen ist: Ist es fair, vom Akkordarbeiter, der mit RTL und seinem «Blick» oder mit «20 Minuten» eigentlich ganz glücklich ist, zu erwarten, dass er Angebote auf 3sat mitfinanziert, die vermutlich eher Universitätsprofessoren, Bankiersgattinnen und grüne Parlamentsabgeordnete konsumieren?

Positiv wird sich vermutlich ein Konsens erzielen lassen, dass der Japan- oder Afrika-Korrespondent, den sich private Verlage kaum noch leisten können, weiterhin öffentlich finanziert werden sollte. Worin aber besteht der Nutzen für das Gemeinwohl, wenn öffentliche Anbieter in der Konkurrenz mit den Privaten die Preise für Sportrechte ins Astronomische treiben?

Russ-Mohl stellt den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk mit seiner gegenwärtigen, massiven Zwangsfinanzierung denn auch nicht als demokratiepolitisch notwendig, sondern als eine Behinderung der Medienvielfalt dar:

„Im Rückblick mag der Mehrwert halbwegs offensichtlich sein, den öffentliche Sender für die Gesellschaft produziert haben und auf den sie zum Nachweis ihrer Existenzberechtigung pochen. Doch damit ist angesichts der derzeitigen Umwälzungen im Mediensystem keineswegs gesagt, dass ein starker gebührenfinanzierter Rundfunk auch in Zukunft weiterhin notwendig ist – im Gegenteil, er könnte, statt Marktversagen zu korrigieren, die Entwicklung eines funktionsfähigen «Marktplatzes der Ideen» blockieren und die Meinungsvielfalt gefährden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Militärparade in Peking: China empfängt Staatschefs von Nordkorea und Russland zu Militärparade
03.09.2025

Xi Jinping hat in Peking vor Wladimir Putin und Kim Jong Un neue Waffensysteme inspiziert. Der Auftritt gilt als Zeichen der Solidarität...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zwischen Kontrolle und Risiko: Wie sich Unternehmen frühzeitig auf das Weihnachtsgeschäft vorbereiten
03.09.2025

Weihnachten kommt schneller, als viele Unternehmer denken – und gerade für kleine Firmen kann das Fest zum entscheidenden Umsatzbringer...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis erreicht historisches Rekordhoch: Was treibt den Kurs und wie sollten Anleger reagieren?
03.09.2025

Der Goldpreis klettert unaufhaltsam auf neue Rekordhöhen und fesselt die Anleger. Doch was treibt den Kurs des gelben Edelmetalls wirklich...

DWN
Politik
Politik Friedland: Abgelehnte Asylbewerber stößt 16-Jährige vor einen Zug – Gericht wirft Ausländerbehörde Fehler vor
03.09.2025

Ein 31-jähriger Iraker soll ein 16-jähriges Mädchen in Niedersachsen getötet haben. Die Behörden wollten den abgelehnten Asylbewerber...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersvorsorge: Selbstständige zweifeln an finanzieller Absicherung fürs Alter
03.09.2025

Gut abgesichert im Alter? Mehr als die Hälfte der Solo-Selbstständigen und Kleinstunternehmer in Deutschland haben Zweifel, ob ihre...

DWN
Technologie
Technologie ChatGPT-Störung: Das KI-Chatmodell von OpenAI ist down – das können Sie tun
03.09.2025

Eine ChatGPT-Störung macht die Nutzung des KI-Sprachmodells von OpenAI aktuell nicht möglich. ChatGPT reagiert weder auf Eingaben noch...

DWN
Politik
Politik Nawrocki trifft Trump: Polens Präsident reist zu Trump - Sorge um Kurs in Europa
03.09.2025

Seine erste Auslandsreise im neuen Amt führt Polens Staatschef Karol Nawrocki zu US-Präsident Donald Trump ins Weiße Haus. Wichtigstes...

DWN
Politik
Politik Netzentgelte: Strompaket im Kabinett - Spüren Verbraucher bald Entlastungen?
03.09.2025

Das Bundeskabinett will wichtige Vorhaben in der Energiepolitik beschließen. Eine Senkung der Stromsteuer für alle soll es aber vorerst...