Die europäische Anti-Betrugs-Behörde OLAF erhielt eine offizielle Beschwerde von drei Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs). Sie verlangen eine ausführliche Untersuchung eines Straßenbau-Projekts in Nord-Italien, dass mit EU-Geldern finanziert wurde. Die daran beteiligten Subunternehmer stehen im Verdacht Gelder veruntreut und an die Mafia weitergeleitet zu haben, wie der EUobserver berichtet.
Bei dem Projekt handelt es sich um die Autobahn Passante di Mestre, eine Umgehungsstraße um die norditalienische Stadt Mestre und über die Bucht von Venedig. Die Fertigstellung des Bauvorhabens verzögerte sich mehrfach. Die anfänglichen Kosten des Projekts verdoppelten sich von 750 Millionen auf 1,3 Milliarden Euro. Bereits im März 2011 stellte der italienische Rechnungshof fest, dass es an öffentlicher Kontrolle fehle. Zudem sei das Projekt mit Hilfe von Subunternehmern durch die organisierte Kriminalität unterwandert worden.
Im Februar 2013 wurden vier Personen in Folge eines Ermittlungsverfahrens wegen Betrug festgenommen. Es folgten 20 weitere Verhaftungen im Laufe des Jahres, darunter auch der Chef eines der größten Subunternehmen, sowie Polizisten und ehemalige Agenten. Im Oktober 2013 verhafteten die Behörden den CEO von FIP Industriale, eines großen Straßenbau-Konzerns. Ihm werden Verbindungen zur Mafia und Bilanzfälschung vorgeworfen.
Trotzdem wurde dem Bauvorhaben ein Kredit von der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Höhe von 350 Millionen Euro bewilligt, um die angesammelten Schulden seit dem Jahr 2003 zu refinanzieren.
„Dieser Fall wirft Zweifel an der Sorgfältigkeit der EIB auf und ihrer Unfähigkeit aus Projekten auszusteigen, bei denen Korruption vermutet wird“, sagte Xavier Sol, Chef der NGO Counter Balance.
Die EU-Kommission erwägt derzeit, das Projekt mit ungenutzten EU-Geldern und zusätzlichen EIB-Krediten weiter zu finanzieren. Die Finanzierung ist Teil eines Konjunkturprogramms, das die Wirtschaft Südeuropas mit großen Bauvorhaben ankurbeln soll. Die drei NGOs bestehen dagegen auf eine sofortige Aussetzung der Finanzierung, bis die Korruptionsvorwürfe endgültig geklärt sind.
„Wir hören nun schon seit Jahre, dass ‚Europa dieses Projekt verlangt‘. Heute verlangen die italienischen Bürger von Europa, dass es die direkten Verantwortlichkeiten seiner Institutionen untersucht“, sagte Rebecca Rovoletto von der NGO Opzione Zero, einer Bürgerinitiative gegen den Bau der Autobahn.
„Wir rufen die EU auf, unsere Forderungen nach mehr demokratischer Kontrolle der öffentlichen Gelder zu unterstützen, anstatt sich hinter die Interessen der lokalen Barone zu stellen“, so Rovoletto.
Es handelt sich hierbei nicht um den ersten Fall von Subventionsbetrug durch die italienische Mafia. Zwischen 2007 und 2013 versickerten über 360 Millionen Euro im Rahmen eines Straßenbau-Projekts bei der kalabrischen `Ndrangheta Mafia (mehr hier). Auch beim Wiederaufbau der von einem Erdbeben verwüsteten Stadt L’Aquila, profitierte die Mafia über Bauvorhaben von EU-Geldern (hier).