In einem Gastbeitrag für die Welt hat der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) die EZB aufgefordert, unverzüglich mit der monetären Staatsfinanzierung zu beginnen. Fratzscher will, dass die EZB Staatsanleihen aufkauft (OMT-Programm).
Der IWF hatte kürzlich vor einer Deflation gewarnt: Fratzscher schreibt, dass diese Warnung Anlass zur Sorge gäbe.
Marcel Fratzscher, der früher einmal für die Weltbank gearbeitet hat, schreibt, dass die „EZB nun eine Geldpolitik der quantitativen Lockerung in Betracht ziehen“ solle:
„Solch ein Programm könnte einen Ankauf von Staatsanleihen und privaten Anleihen aller Länder der Euro-Zone beinhalten. Denkbar wären monatlich 60 Milliarden Euro, für die die EZB, gemäß dem Kapitalschlüssel der Euro-Mitgliedsländer, Papiere auf dem Sekundärmarkt aufkauft. ..Das Programm könnte zudem das Versprechen beinhalten, diese Ankäufe so lange fortzuführen, bis sich die Finanzierungsbedingungen in der Euro-Zone normalisiert haben und die Inflationsrate wieder konsistent mit dem Mandat der EZB ist.“
Fratzscher verweist auf Japan und will als Beleg für seine Forderung die Tatsache anführen, „wie schmerzhaft ein solches Szenario sein kann“.
Gerade Japan hat allerdings bewiesen, dass das massive Geld-Drucken eine Deflation nicht stoppen kann. Es macht sie nur schlimmer, weil die Ursachen nicht bekämpft werden und Betriebe, die die Wettbewerbsfähigkeit verloren haben, unnötig länger künstlich am Leben gehalten werden und damit den Weg für echte Innovationen und Wettbewerb blockieren. Das unbegrenzte Gelddrucken führt zu einer Deflation - die deswegen ein Problem ist, weil die Zentralbanken nicht mehr wissen, wie sie sie stoppen sollen.
Das Vernünftigste ist, wenn sich die Zentralbanken aus dem unbegrenzten Schulden-Finanzieren der Staaten heraushalten. Dies zeigt eindrucksvoll die Erfolgsgeschichte der Deutschen Bundesbank, die sich im damaligen Europäischen Währungssystem (EWS) erfolgreich gegen die Schuldenpolitiker in Bonn und gegen die Abwertungs-Fetischisten in Rom und Paris durchgesetzt hatte.
Tatsächlich ruft der Wirtschaftsberater die Bundesregierung zum offenen Rechtsbruch auf: Der Verfassungsrechtler Christoph Degenhart hat in seiner Bewertung der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zu den von Fratzscher nun gefordertem OMT-Programm „klar gesagt, dass das OMT-Programm für Deutschland nicht in Frage kommt“. Die „Bundesregierung ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass dieses Programm nicht zum Einsatz kommt“.
Karlsruhe hatte in seiner Entscheidung festgehalten, dass das OMT-Programm, wie es von Draghi verkündet wurde, den Europäischen Verträgen widerspreche (mehr zu den klaren Worten aus Karlsruhe hier).
Fratzscher ist sich des Problems bewusst, räumt jedoch dem Recht offenbar eine untergeordnete Rolle ein. Er schreibt:
„Ein solches Ankaufprogramm würde bei Unternehmen und auf den Finanzmärkten Europas auf große Zustimmung stoßen. Es würde aber sicherlich Ablehnung bei denen hervorrufen, die im angekündigten OMT-Programm der EZB einen Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung sehen.“
Fratzscher ist Mitglied des Beirats des Bundesministeriums der Wirtschaft. Als solcher müsste er wissen: Es gab einmal eine Zeit, in der die Demokratie noch funktionierte - weil nämlich das Recht auch dann Geltung hatte, wenn der Rechtsbruch „auf große Zustimmung“ von Interessensgruppen gestoßen war.