Politik

Historiker warnt vor Unterwerfung Russlands durch China

Russland und China haben eine enge Verbindung. Der Historiker Mark Galeotti sagt, dass Russland die Gefahren eines Bündnisses mit China unterschätzt.
18.09.2022 10:00
Lesezeit: 3 min
Historiker warnt vor Unterwerfung Russlands durch China
Die Abhängigkeit Russlands von China ist gestiegen. (Foto: dpa) Foto: Dmitri Lovetsky

Das russisch-chinesische Bündnis wird sich zum Nachteil Russlands auswirken, das sich China unterordnen wird, sagt der renommierte Historiker Mark Galeotti in einem Interview für die rumänische Tageszeitung adevarul, in dem er unter anderem über die Gefahren dieses Bündnisses spricht.

Mark Galeotti ist Professor an der renommierten amerikanischen Universität UCL und Forscher am Royal United Services Institute for Defence and Security Studies im Vereinigten Königreich und am Institut für Internationale Beziehungen in Prag. Galeotti ist Experte für grenzüberschreitende Kriminalität und russische Sicherheitsangelegenheiten und Direktor des Beratungsunternehmens Mayak Intelligence sowie Historiker des sowjetischen Raums.

Russlands Gesellschaft zerrissen

Nach Ansicht von Mark Galeotti ist die Gesellschaft in Russland zerrissen. Ältere Generationen, darunter auch Präsident Wladimir Putin, haben eine Annäherung an China bevorzugt, vor allem aus Feindseligkeit gegenüber dem Westen. Die jüngeren Generationen hingegen würden eine Annäherung an Europa vorziehen: „Putin schien die Gefahren eines Bündnisses mit China nicht zu sehen, aber viele Russen schon. Das ist es, was mich schockiert hat. Seit Juni darf ich nicht mehr nach Russland einreisen, aber als ich noch die Möglichkeit hatte, dorthin zu reisen, hatte ich die Gelegenheit, mit Menschen im Regierungssystem zu sprechen, und ich entdeckte einen großen Unterschied zwischen den Generationen“.

Galeotti erklärt, dass Russen, die bis zu 60 Jahre alt sind, eine andere Sichtweise vertreten als die Generation Putins. Putin wird im Oktober 70 Jahre alt. Die Leute um ihn herum sind zwischen 68 und 74 Jahre alt, sie gehören laut Galeotti alle zur selben Generation. Für sie ist die aktuelle Konfrontation mit dem Westen das Wichtigste. Leider bedeutet das für uns, dass sie noch abhängiger von China werden, denn sie brauchen dessen politische Unterstützung und seinen Markt. Die jüngere Generation ist sich der langfristigen Gefahren, die von China ausgehen, einfach stärker bewusst, wie der Historiker sagt.

Russland-China Bündnis wird zu Ende gehen

Galeotti prognostiziert, dass sich die Situation im Laufe der Zeit ändern wird und das russisch-chinesische Bündnis zu Ende geht. Nach dem Ende der „Ära Putin“ wird die Rückkehr zu einer Politik der Annäherung an Europa, das nun neben den Vereinigten Staaten als Hauptfeind angesehen wird, unvermeidlich sein. Galeotti erklärt: „Was heute wie ein russisch-chinesisches Bündnis aussieht, wird morgen unweigerlich Abhängigkeit bedeuten. China ist zu groß, zu mächtig, seine Wirtschaft ist zu dynamisch und es rüstet sehr schnell auf. Ich denke, die gute Nachricht für uns ist, dass sehr viele Menschen in Russland dieses Risiko sehen. Menschen, die ihr Land als einen europäischen Staat sehen, wollen offensichtlich nicht Teil der chinesischen Welt werden. Aber wenn es in Russland zu einem politischen Wandel kommt, was früher oder später der Fall sein wird, wird die neue politische Generation China gegenüber viel skeptischer sein.“

Obwohl er das russisch-chinesische Bündnis nicht positiv sieht, glaubt Mark Galeotti nicht, dass die beiden Länder die Absicht haben, neue Kriege oder gar einen neuen Weltenbrand zu provozieren. Vor allem China hat enorme wirtschaftliche Verluste zu erwarten. „Weder Russland noch China wollen einen neuen Weltkrieg provozieren. Dafür gibt es mehrere Gründe, unter anderem die Tatsache, dass wir heute in einer ganz anderen Welt leben, in der die Volkswirtschaften aller Länder miteinander verbunden sind. Wenn sich China und der Westen im Krieg befänden, würde Chinas Wirtschaft wahrscheinlich nicht überleben. Auch unsere Volkswirtschaften würden das nicht überleben, es wäre katastrophal“

Angriff Chinas auf Taiwan aktuell unwahrscheinlich

China hätte die Tatsache, dass die ganze Welt auf den Krieg in der Ukraine schaut, ausnutzen und Taiwan angreifen können, was es aber nicht getan hat. Die Gründe dafür werden von Galeotti dargelegt: „Ich glaube, China ist sich im Moment bewusst, dass sein Stern noch im Aufwind ist. Lange Zeit haben sich die Chinesen auf die wirtschaftliche Entwicklung konzentriert. Jetzt beginnen sie, sich auf militärische Waffen zu konzentrieren.“ Laut dem Historiker seien enorme Fortschritte beim Aufbau der Flotte, bei der Entwicklung der Landstreitkräfte und bei der raschen Beschaffung neuer Waffen und der Entwicklung fortschrittlicher Technologien sichtbar. Voll ausgeschöpft hätte China sein Potential allerdings nicht, dies bedeute aber nicht, dass China nicht irgendwann Taiwan angreift, allerdings erst in einigen Jahren.

Galeotti glaubt, dass die Chinesen noch fünf bis sieben Jahre brauchen, um militärisch stärker zu werden als der Westen. Nur dann wäre es in ihrem Interesse, irgendwo einen Konflikt zu provozieren, sei es zwischen Russland und einem seiner Nachbarn, sei es in Nordafrika oder Lateinamerika. Aufgrund der Erfahrungen Russlands in der Ukraine, könnte China ein Ablenkungsmanöver versuchen und Taiwan in die Hände bekommen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mulfin Trade hat seine Schutzsysteme für mehr Sicherheit aktualisiert

Der Schutz persönlicher Daten ist einer der Schlüsselfaktoren, die das Vertrauen der Kunden in einen Service beeinflussen. Mulfin Trade...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Regulieren statt dominieren: Europas letzter Ausweg in der KI-Welt
07.06.2025

Europa droht im globalen KI-Wettlauf abgehängt zu werden. Doch Experten zeigen: Die wahre Macht liegt nicht in der Modellentwicklung,...

DWN
Politik
Politik Kollaps der Insekten-Revolution: EU zerstört ihre eigene Bio-Strategie
07.06.2025

Erst gefeiert als nachhaltige Wunderlösung – nun droht das Aus: Europas Insektenzüchter stecken in der Krise. Die Hoffnung, Fischmehl...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unternehmen verkaufen: Die 10 häufigsten Fehler beim Unternehmensverkauf
07.06.2025

Was Unternehmer beim Verkauf ihres Unternehmens falsch machen – und wie selbst starke Zahlen durch fehlende Strategie, überzogene...

DWN
Politik
Politik Ehegattennachzug stagniert: Rechtliche Hürden beim Sprachnachweis
07.06.2025

Die Zahl der Visa für den Ehegattennachzug nach Deutschland ist rückläufig. Gleichzeitig bestehen weiterhin sprachliche und rechtliche...

DWN
Panorama
Panorama Ausweis, Ticket & Co.: Was Sie vor einem Urlaubsflug beachten sollten
07.06.2025

Check-in, Sicherheitscheck und Sprint zum Gate: Der Start in den Urlaubsflug kann am Flughafen schnell im Stress enden. Das lässt sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wertvollster Fußballer der Welt: Lamine Yamal knackt 400-Millionen-Marke
07.06.2025

Ein 17-Jähriger dominiert den globalen Fußballmarkt: Lamine Yamal ist mehr wert als ganze Bundesligateams – und verkörpert die extreme...

DWN
Politik
Politik Der Weltraum als nächstes Schlachtfeld – Europas Sicherheit steht auf dem Spiel
07.06.2025

Der Orbit wird zur neuen Frontlinie geopolitischer Machtspiele. Wie private Satelliten, militärische Strategien und neue Allianzen die...

DWN
Technologie
Technologie Silicon Valley dominierte Big Tech – Europas Chance heißt Deep Tech
06.06.2025

Während Europa an bahnbrechenden Technologien tüftelt, fließt das große Geld aus den USA. Wenn Europa jetzt nicht handelt, gehört die...