Weltwirtschaft

Kriegsgewinnler in der Schweiz: Gier ohne Grenzen

Lesezeit: 2 min
22.09.2022 12:51  Aktualisiert: 22.09.2022 12:51
Während die gestiegenen Energiekosten in privaten Haushalten und in vielen Unternehmen große finanzielle Löcher reißen, erleben Unternehmen, die im Rohstoffhandel tätig sind, gerade eine Blütezeit.
Kriegsgewinnler in der Schweiz: Gier ohne Grenzen
Allein im Öl- und Gasbereich wurden in diesem Jahr weltweit knapp zwei Billionen Dollar an solchen Zufallsgewinnen erwirtschaftet. (Foto: dpa)
Foto: Julian Stratenschulte

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Des einen Leid des anderen Freud: Während die meisten Menschen schwer unter den Folgen des Ukraine-Konflikts zu leiden haben, profitieren in der Schweiz rund 550 Rohstoffhändler von den teuren Energiepreisen.

Die Alpenrepublik ist weltweit der wichtigste Rohstoffhandelsplatz, allein beim Öl beträgt der Weltmarktanteil rund 35 Prozent, bei Metallen sogar 60 Prozent. Zudem: Die fünf umsatzstärksten Unternehmen der Schweiz sind im Rohstoffhandel tätig. Und erleben gerade eine beispiellose Blütezeit.

Allein Glencore, das weltweit größte im Rohstoffhandel und Bergwerksbetrieb tätige Unternehmen hat im ersten Halbjahr 2022 einen Gewinn von über 12 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. Im ersten Halbjahr 2021 waren es noch knapp 1,3 Milliarden. Konkret ist das eine Gewinnsteigerung von 846 Prozent.

Ähnlich sieht es beim Genfer Ölhandelsunternehmen Gunvor aus. Das Unternehmen verzeichnete in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gut zwei Milliarden Gewinn. Im letzten Jahr waren es nur 642 Millionen. Und auch der Rohstoffhändler Vitol, ebenfalls mit Sitz in Genf, hat im ersten Halbjahr mit 4,5 Milliarden Dollar das Vorjahresergebnis bereits übertroffen. Und auch bei den restlichen Rohstoffhändlern in der Schweiz dürfte es nicht viel anders aussehen.

Der Rohstoffhandel selbst, wird in der Schweiz nach Aussagen von Elisabeth Bürgi Bonanomi von der Universität Bern nicht richtig erfasst und ist unterreguliert. Das heißt: Es bleibt im Dunkeln wer von wem welche Rohstoffe zu welchen Preisen kauft. Auch die Eigentümer der nicht börsennotierten Rohstoffhändler in der Schweiz sind meist nicht bekannt. Sie befinden sich, abgesehen von der börsennotierten Glencore alle in privater Hand. „Da gibt es eine ganze Reihe von Firmen, die unter dem Radar der Behörden fliegen und deren eigentliche Nutznießer nicht bekannt sind, weil sie beispielsweise in undurchsichtigen Offshore-Holdings verwaltet werden“, sagt etwa Oliver Classen von der Nichtregierungsorganisation Public Eye.

Windfall Profits

Bei den außergewöhnlichen Gewinnen handelt es sich um „Windfall Profits“, das sind sogenannte Zufallsgewinne. Allein im Öl- und Gasbereich wurden in diesem Jahr laut der Internationalen Energieagentur (IEA) weltweit knapp zwei Billionen Dollar an solchen Zufallsgewinnen erwirtschaftet.

Dabei hat die IEA errechnet, dass diese Gewinne allein ausreichen würden, um fast ein Jahrzehnt an Investitionen in emissionsarme Brennstoffe und Carbon-Capture-Technologien zu finanzieren. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus.: Öl- und Gasfirmen investieren zwar mittlerweile erheblich mehr in erneuerbare Energien als noch vor Jahren, allerdings sollen die Investitionen in diesem Jahr immer laut der IEA nicht mehr als 16 Milliarden betragen.

Nicht zuletzt warf der UNO-Generalsekretär Antonio Guterres den Öl- und Gasmultis eine groteske Gier vor. Und rief die einzelnen Regierungen dazu auf, die erzielten Übergewinne zu besteuern. Spanien und Großbritannien haben eine solche Besteuerung bereits umgesetzt, in Deutschland wird über die Abschöpfung von Zufallsgewinnen noch diskutiert, während die EU darüber nachdenkt, in allen Mitgliedsländern eine entsprechende Steuer einzuführen. Und damit rechnet, so 140 Millionen Euro einzunehmen, die zur Reduktion der Energiekosten eingesetzt werden sollen.

In der Schweiz allerdings – dem weltweit wichtigsten Rohstoffhandelsplatz – ist eine solche Sondersteuer vorerst kein Thema. Zumindest zeigt der Schweizer Bundesrat kein Interesse daran. Sie sei standortschädlich, heißt es aus den Reihen des Bundesrates. Zudem würden Unternehmen eine solche Sondersteuer in ihre Standortüberlegungen einfließen lassen und allenfalls auf entsprechende Investitionen in der Schweiz verzichten.

Auch ein Grund: Die höheren Energiekosten träfen die Bevölkerung in den EU-Ländern viel härter als die Bevölkerung in der Schweiz. Man müsse sich daher auch erstmal überlegen, was mit dem Geld angestellt werden solle.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Politik
Politik Heimatschutz: Immer mehr Bürger dienen dem Land und leisten „Wehrdienst light"
01.05.2024

Ob Boris Pistorius (SPD) das große Ziel erreicht, die Truppe auf über 200.000 Soldaten aufzustocken bis 2031 ist noch nicht ausgemacht....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor für Unternehmenserfolg
01.05.2024

Die Studie „Corporate Sustainability im Mittelstand“ zeigt, dass der Großteil der mittelständischen Unternehmen bereits Maßnahmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Private Pflegezusatzversicherungen: Wichtige Absicherung mit vielen Varianten
01.05.2024

Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht oft nicht aus, um die Kosten im Pflegefall zu decken. Welche privaten Zusatzversicherungen bieten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 22-Prozent unbezahlte Überstunden: Wenn Spitzenkräfte gratis arbeiten
01.05.2024

Arbeitszeit am Limit: Wer leistet in Deutschland die meisten Überstunden – oft ohne finanziellen Ausgleich? Eine Analyse zeigt,...