Deutschland

Auch ohne EU: Deutschland bereitet Obergrenze für Strompreis vor

Die Bundesregierung bereitet eine eigene Obergrenze für den Strompreis vor, falls es auf EU-Ebene nicht zu einer Einigung kommt. Die Unternehmen machen Druck.
Autor
26.09.2022 15:30
Aktualisiert: 26.09.2022 15:30
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Deutschland bereitet sich darauf vor, im Herbst eine nationale Obergrenze für den Strompreis einzuführen, falls die EU sich nicht auf einen entsprechenden Schritt für die gesamte Union einigen kann. Die von der Bundesregierung vorbereitete Obergrenze würde Bürger und Unternehmen vor weiteren Erhöhungen der Energiepreise schützen, berichtet das Wall Street Journal mit Verweis auf Regierungsvertreter.

Im Gegensatz zu einer in Frankreich eingeführten Obergrenze, die den Preis begrenzt, den die Energieversorger den Endverbrauchern in Rechnung stellen können, würde die deutsche Obergrenze den Stromerzeugern, die mehr als einen bestimmten Betrag verlangen, eine Abgabe auferlegen. Diese Mittel würden dann an die Netzbetreiber ausgeschüttet, damit diese ihre Preise für die Endverbraucher senken können.

Die Entscheidung Russlands, die Erdgaslieferungen nach Europa über die Pipeline Nord Stream 1 einzustellen, hat die Gaspreise in die Höhe schnellen lassen. Dadurch ist eine wachsende Zahl von Herstellern und Dienstleistern in die Verlustzone geraten. Auch einige Unternehmen, die versucht haben, ihren Gasverbrauch durch die Umstellung ihrer Prozesse auf Strom zu senken, stehen unter Druck. Denn die Strompreise sind ebenfalls stark angestiegen, unter anderem weil Gas zur Stromerzeugung verwendet wird.

Die steigenden Energiekosten bedrohen energieintensive Sektoren wie die Papierherstellung, die Aluminiumverarbeitung, die chemische Industrie und die Halbleiterindustrie, aber auch kleine Dienstleistungsunternehmen. Nach Ansicht der Behörden könnte dies zu einer Welle von Insolvenzen führen. Eine regelmäßige Umfrage des Datenanbieters S&P Global vom Freitag zeigte einen zunehmenden Rückgang der deutschen Wirtschaftstätigkeit im September. Angeführt wurde der Rückgang im September vom Dienstleistungssektor. Mehr als die Hälfte der deutschen Einzelhändler sieht ihre wirtschaftliche Existenz durch die Energiekosten bedroht, so eine Umfrage des Deutschen Einzelhandelsverbandes.

Jedes zehnte Unternehmen des wichtigen deutschen Automobilsektors hat seine Produktion aufgrund der hohen Energiekosten gedrosselt, und ein weiteres Drittel erwägt dies, so eine Umfrage des Verbands der deutschen Automobilindustrie in diesem Monat. Fast ein Viertel der Unternehmen im Automobilsektor will Investitionen ins Ausland verlagern. Nach Einschätzung der Deutschen Bank könnte die deutsche Wirtschaft im nächsten Jahr um 3,5 Prozent schrumpfen.

Deutsche Unternehmen haben im Stillen Lobbyarbeit bei der Bundesregierung betrieben, um die hohen und zunehmend volatilen Strom- und Gaspreiserhöhungen zu begrenzen, wie mit den Gesprächen vertraute Personen berichten. Neben ihren eigenen Gewinnspannen machen sich größere Hersteller auch Sorgen um ihre Lieferketten, die oft aus kleinen Spezialherstellern bestehen, die nicht über die gleichen Ressourcen verfügen, um sich gegen steigende Kosten abzusichern.

„Die Politik muss die derzeit unkontrollierte Explosion der Gas- und Strompreise eindämmen, weil sonst vor allem kleine und mittlere energieintensive Unternehmen große Probleme in der Lieferkette bekommen und die Produktion reduzieren oder einstellen müssen“, sagte in der vergangenen Woche Thomas Steg, Öffentlichkeitsbeauftragter von Volkswagen.

HeidelbergCement, einer der größten Zementhersteller der Welt, begrüßte die in Europa und Deutschland geführte Diskussionen über mögliche Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie, einschließlich einer Preisobergrenze beim Strom. „In Kombination mit deutlich gestiegenen Preisen für Gas und andere Brennstoffe nimmt der Kostendruck in einem Maße zu, das energieintensive Branchen wie die Zementindustrie nicht mehr aus eigener Kraft auffangen können“, so das Unternehmen in einer Erklärung.

Die Europäische Kommission hat Anfang September einen ähnlich konzipierten Plan vorgeschlagen, der die Einnahmen der meisten Nicht-Gas-Stromerzeuger auf 180 Euro pro Megawattstunde begrenzt. Die EU-Energieminister werden am Freitag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen, um diesen und andere Vorschläge zu erörtern. Einem EU-Diplomaten zufolge scheint die Mehrheit der Mitgliedsländer bereit zu sein, die Vorschläge der Kommission zu unterstützen, auch wenn die Verhandlungen noch andauern und Bedenken hinsichtlich einiger Details geäußert wurden. Einige Staaten wollten mehr Zusicherungen, dass eine EU-weite Obergrenze nicht mit bestehenden Maßnahmen der Mitgliedsländer kollidiert oder einen hohen Verwaltungsaufwand verursacht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Government Pension Fund Global: Norwegens Ölfonds trotzt den USA
08.09.2025

Der Government Pension Fund Global (GPFG) sorgt für Streit: Nach dem Ausschluss von Caterpillar und israelischen Firmen drohen die USA mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Autozulieferer unter Druck: Stellenabbau bei Bosch, Conti, ZF – Autobranche kämpft ums Überleben
08.09.2025

Die deutsche Autobranche steckt in einer existenziellen Krise. Auftragseinbrüche, Milliardeninvestitionen in E-Mobilität und massiver...

DWN
Finanzen
Finanzen Wölfe der Wall Street: US-Börsen zwischen Rekorden und Unsicherheiten – steigt der Goldpreis auf 5.000 Dollar?
08.09.2025

Die US-Börsen schwanken zwischen Euphorie und Risiko: Rekorde bei S&P 500 und Nasdaq treffen auf Sorgen um Fed-Unabhängigkeit und...

DWN
Politik
Politik Höhere Beitragsbemessungsgrenzen: Sozialbeiträge werden für Beschäftigte 2026 spürbar steigen
08.09.2025

Die schwarzrote Koalition will die Beitragsbemessungsgrenzen für Rente, Pflege und Krankenversicherung anheben – mit der Begründung,...

DWN
Politik
Politik EU-Asylagentur: Deutschland bei Asylanträgen nicht mehr führend
08.09.2025

Seit mehr als zehn Jahren lag Deutschland bei Asylanträgen in Europa unangefochten an der Spitze. Nun übernehmen Frankreich und Spanien...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Warum Führungskräfte manchmal unlogische Entscheidungen treffen – und was zu tun ist
08.09.2025

Führungskräfte treffen oft irrationale Entscheidungen – aus Zeitdruck, Denkfehlern oder Selbstüberschätzung. Doch wer mutig ist und...

DWN
Politik
Politik Zwei Jahre nach dem Start: Wird die Regierung das Heizungsgesetz abschaffen?
08.09.2025

Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Heizungsgesetzes plant die schwarz-rote Koalition Änderungen. Zwischen Klimazielen, Förderkürzungen...

DWN
Politik
Politik USA kürzen Sicherheitshilfe für Europa – Baltikum besonders betroffen
08.09.2025

Die USA kürzen ihre Sicherheitshilfe für Osteuropa drastisch. Besonders das Baltikum gerät ins Wanken – und Deutschland muss stärker...