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Neue EU-Sanktionen gegen Russland, Preisobergrenze für Öl

Lesezeit: 4 min
28.09.2022 21:33  Aktualisiert: 28.09.2022 21:33
Die EU-Kommission schlägt neue Sanktionen gegen Russland vor, die Exporte im Wert von 7 Milliarden Euro betreffen. Zudem ebnet sie den Weg für eine Preisobergrenze für russisches Öl.
Neue EU-Sanktionen gegen Russland, Preisobergrenze für Öl
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch im EU-Hauptquartier in Brüssel. (Foto: dpa)
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Die Europäische Union wird eine Preisobergrenze für russisches Öl einführen und die Liste der Produkte ausweiten, die nicht nach Russland exportiert werden dürfen. Diese neuen Maßnahmen sind Teil der neuen Sanktionen, mit denen die EU den Kreml für die Eskalation des Krieges in der Ukraine noch härter bestrafen will.

Das achte Brüsseler Sanktionspaket gegen Moskau wird auch ein Verbot enthalten, wonach EU-Personen nicht mehr in deb Vorständen russischer Staatsunternehmen sitzen dürfen, sowie neue Maßnahmen gegen Personen, die auf russischer Seite in den Krieg verwickelt sind, sagte die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen am Mittwoch.

Brüssel wird auch die rechtlichen Voraussetzungen für das Einfrieren von Vermögenswerten und für Exportverbote erweitern, indem künftig auch die Umgehung der Sanktionen gegen Russland ein Grund für die Bestrafung von Personen darstellen soll. Von der Leyen sagte, die Kommission schätze, dass das Paket die russischen Einnahmen jährlich um 7 Milliarden Euro verringern werde.

Die Maßnahmen folgen auf die von Russland initiierte Teilmobilmachung und die Referenden in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie den von Russland kontrollierten Regionen Cherson und Saporoschje. Die Abstimmungen haben eine hohe Zustimmung für einen Beitritt zu Russland ergeben und werden weithin als Vorboten der formellen Annexion durch Moskau angesehen.

„Wir sind entschlossen, den Kreml für diese weitere Eskalation bezahlen zu lassen“, sagte von der Leyen. Die Kommissionspräsidentin prangerte Putins angebliche Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen und seine Entscheidung an, die Referenden in vier von Russland kontrolliereten ukrainischen Regionen zu unterstützen, und sagte, er habe die Invasion „auf eine neue Stufe“ gehoben.

EU schlägt Preisobergrenze für russisches Öl vor

Der wichtigste Teil der neuen Sanktionen, die von den 27 Mitgliedstaaten noch einstimmig beschlossen werden müssen, ist der erste offizielle Schritt der EU in Richtung einer Preisobergrenze für russisches Erdöl auf dem Seeweg, wie die Financial Times berichtet. Eine solche Preisobergrenze war auf der G7-Ebene bereits grundsätzlich vereinbart worden.

Von der Leyen sagte, die EU werde die „Rechtsgrundlage“ für die Ölpreisobergrenze darlegen, die eine Versicherung für Lieferungen von russischem Rohöl, das über einem bestimmten Preis verkauft wird, verbieten würde. Personen, die mit den Sanktionen vertraut sind, sagten jedoch, dass der Mechanismus, der die Höhe der Ölpreisobergrenze festlegt, noch von der G7 bestimmt werden muss und dass die EU-Gesetzgebung diese Frage ungelöst lässt.

Neben dem vorgeschlagenen Verbot des Exports von Halbleitern zielen die Sanktionen auf ein Verkaufsverbot von Geschirrspülern, Waschmaschinen und Kühlschränken ab, so mit den Vorschlägen vertraute Personen. Dies geschieht nach Warnungen, dass die Russen Mikrochips aus Haushaltsgeräten für den Einsatz in Raketen und anderen Waffen entfernt haben.

Die Beschränkungen für Flugzeuge sollen auf Teile wie Reifen und Bremsbeläge ausgedehnt werden, nachdem es Beweise dafür gab, dass Russland seine Jets durch die Verwendung importierter Ersatzteile am Laufen halten konnte. Den EU-Mitgliedern wird auch die Ausfuhr von Geräten zur Bekämpfung von Ausschreitungen wie Taser, Tränengas und Schutzausrüstung ausdrücklich untersagt.

Mit den neuen Sanktionen werden auch weitere Personen auf die Liste der eingefrorenen Vermögenswerte und Reiseverbote gesetzt. Zu den Betroffenen gehören Personen, die in die russische Besatzung und die erwarteten Annexionen verwickelt sind, einschließlich stellvertretender Behörden, sagte Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außenpolitik.

Zu den Betroffenen gehören auch hochrangige Beamte, die an der russischen Verteidigung beteiligt sind, und Personen, welche die russischen Truppen mit Waffen und Flugzeugen unterstützen, sowie auch Personen, die beschuldigt werden, Desinformationen über den Krieg zu verbreiten oder die Verbreitung vermeintlich falscher Informationen zu finanzieren.

Keine Sanktionen gegen russische Diamanten

In den am Mittwoch angekündigten EU-Maßnahmen fehlt der Plan, ein Einfuhrverbot für russische Rohdiamanten zu verhängen. Diese Maßnahme, von der erwartet wurde, dass sie Teil des Pakets sein würde, wurde in letzter Minute gestrichen, berichtet das Wall Street Journal. EU-Diplomaten zufolge haben Kommissionsbeamte die Maßnahme den Mitgliedstaaten in den letzten Tagen vorgeschlagen, und einige gingen noch am Dienstag davon aus, dass sie Teil des Pakets sein wird.

Belgien hatte sich nach Angaben von Diplomaten in den ersten sieben Runden der EU-Sanktionen gegen Russland erfolgreich Widerstand gegen die Maßnahme geleistet. Im letzten Jahr verkaufte Russland laut Transparency International Rohdiamanten im Wert von 4 Milliarden Dollar weltweit und 1,8 Milliarden Dollar nach Belgien. Die belgische Stadt Antwerpen ist ein internationales Zentrum für die Verarbeitung von Rohdiamanten zu geschliffenen Edelsteinen.

Ein hochrangiger EU-Beamter sagte, die Kommission habe entschieden, dass die Einbeziehung von Diamanten in das Sanktionspaket Belgiens Wirtschaft unverhältnismäßig geschadet hätte. Die Kehrtwende bei den Diamantensanktionen ist das jüngste Beispiel dafür, dass Mitgliedsstaaten erfolgreich Sanktionen blockieren, die ihre Wirtschaft betreffen

Im Juni verhinderten Griechenland, Zypern und Malta, die alle über eine große Schifffahrtsindustrie verfügen, dass Schifffahrtsunternehmen aus der EU russisches Öl transportieren dürfen. Und Ungarn, dessen Regierung weiterhin eine Aufhebung der Russland-Sanktionen fordert, wurde effektiv von einem EU-Ölembargo gegen Russland ausgenommen.

In den ersten drei Monaten des Krieges verabschiedete die EU sechs Pakete mit drastischen Sanktionen gegen Russland. Doch dann ließen ihre Bemühungen nach. Denn die Staaten der Union haben mit wachsenden wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Die russischen Gegenmaßnahmen, vor allem die Kürzung der Erdgaslieferungen nach Europa, haben in der EU eine Rezession ausgelöst und zugleich die Inflation auf dem gesamten Kontinent angeheizt.

Ukraine fordert erneut Sanktionen gegen russische Energie

Oleg Ustenko, Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten, erklärte gegenüber der Financial Times, dass die ersten Sanktionsrunden „ziemlich effektiv“ gewesen seien, aber „was das Gesamtbild verändern würde, ist alles, was mit [russischer] Energie zu tun hat“, da Moskau wirtschaftlich vom Export fossiler Brennstoffe abhängig sei.

Die Ukraine hat Sanktionen gegen alle russischen Brennstoffexporte, einschließlich der nuklearen, gefordert. Sie hat darauf gedrängt, den Preis für russisches Öl auf ein Niveau zu begrenzen, das nur knapp über den Kosten der russischen Produktion liegt, damit Russland keine Gewinne mit seinen Energieexporten mehr erwirtschaften kann.

Ustenko sagte, dass angesichts des erneuten russischen Vorstoßes in dem Konflikt „keine Zeit zum Abwarten sei, welcher Mechanismus für eine Ölpreisobergrenze verwendet werden sollte, und dass dieser Mechanismus Versicherung, Finanzierung und Verschiffung der Vorräte umfassen sollte. Er sollte auch die so genannte lettische Mischung - die Beimischung von russischem Öl zu Fässern mit nicht-russischen Lieferungen - umfassen.

Kiew hat sich nachdrücklich für weitere Sanktionen gegen Russland eingesetzt, war aber enttäuscht über die Ankündigung der EU, einige Beschränkungen für den Handel mit russischer Kohle zu lockern, und zwar am selben Tag, an dem Putin die weitere Mobilisierung der russischen Streitkräfte ankündigte, was Ustenko als „inakzeptabel“ bezeichnete.

Auf EU-Ebene wird außerdem eine Preisobergrenze für russisches Gas als Teil einer umfassenderen Anstrengung zur Senkung der Energiepreise. Allerdings leisten mehrere Mitgliedstaaten bisher Widerstand gegen solche Pläne, darunter das besonders stark von russischem Erdgas abhängige Deutschland, Dänemark und die Niederlande.


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