Technologie

Wie Fracking Europas Energiekrise lindern könnte

Lesezeit: 3 min
04.10.2022 18:26
In den USA hat Fracking erheblich dazu beigetragen, die Energiekosten zu senken. Wegen der historischen Energiekrise rückt die Technologie nun auch in Europa in den Fokus.
Wie Fracking Europas Energiekrise lindern könnte
Wie kann Fracking Europa in der Energiekrise helfen? (Foto: iStock.com/Alexey Zakirov)
Foto: Alexey Zakirov

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Im vergangenen Jahr hat die Europäische Union 83 Prozent ihres Gasbedarfs importiert, etwa 40 Prozent davon lieferte Russland. Doch dann begann der Ukraine-Krieg, die EU verhängte massive Sanktionen gegen Russland und als Reaktion darauf drosselte Europas wichtigster Gaslieferant seine Lieferungen.

Wegen der sich daraus ergebenden Energiekrise haben die politischen Eliten in Europa zwei Dinge beschlossen. Erstens sollen die hiesigen Unternehmen und Bürger weniger Gas verbrauchen, und zweitens soll mehr Erdgas aus anderen Quellen nach Europa importiert werden, vor allem auch in Form von Flüssiggas (LNG).

Zwar produziert Großbritannien immerhin die Hälfte des von ihm verbrauchten Gases selbst, aber auch hier spürt man den Druck des knapper werdenden Rohstoffs. Daher vertritt die neue britische Premierministerin Liz Truss die Ansicht, dass Hydraulic Fracturing oder kurz „Fracking“ ein wichtiger Teil der Lösung sein könnte.

Fracking-Vorbild USA

Amerikanische Öl- und Gasunternehmen entwickelten Fracking in den 1940er Jahren, um den Durchfluss in den Bohrlöchern zu verbessern. Bei dem Verfahren werden Wasser, Sand und Verdickungsmittel eingesetzt, um Gas aus porösen Gesteinsschichten, dem so genannten Schiefergestein, tief unter der Erde herauszusprengen.

Diese Methode zur Gewinnung von Öl und Gas ist in den USA sehr erfolgreich gewesen, um das Angebot an Gas zu erhöhen und die Preise zu senken. In den letzten zehn Jahren kam Fracking in den USA im großen Stil zum Einsatz. Der größte Teil der jährlichen Fördermenge in Höhe von 950 Milliarden Kubikmeter Gas stammt aus Fracking.

Nur geringe Reserven für Fracking

Die europäischen Staaten könnten jedoch kaum so viel fördern wie die USA. Denn erstens gibt es in Europa viel geringere Schiefergasreserven. Die deutsche Gaslobby glaubt, dass man hierzulande jährlich 10 Milliarden Kubikmeter fördern könnte, berichtet der Economist. Und in Großbritannien beträgt die mögliche Produktion nur 90 bis 330 Milliarden Kubikmeter.

Die größten Reserven wurden in Polen und Frankreich mit jeweils rund 4.000 Milliarden Kubikmeter vermutet. Später haben Experten die Schätzungen der wirtschaftlich nutzbaren Reserven in Polen auf 190 bis 260 Milliarden Kubikmeter gesenkt. Beim derzeitigen Verbrauch könnte das ausreichen, um den polnischen Bedarf für ein Jahrzehnt zu decken.

Frankreich, wo Fracking im Jahr 2011 verboten wurde, hat seine Schiefergasreserven kaum erforscht. Obwohl die französische Regierung 2015 schätzte, dass zwischen 540 und 1.900 Milliarden Kubikmeter über drei Jahrzehnte hinweg gefördert werden könnten, ist unklar, ob dies rentabel möglich wäre.

Politischer Widerstand

In den USA wurde die Schiefergasrevolution durch die relativ geringe Bevölkerungsdichte, ein günstiges rechtliches und regulatorisches Umfeld sowie eine gut entwickelte Energieinfrastruktur und Lieferketten begünstigt. In Europa hingegen stößt die Technologie auf harten politischen Widerstand.

Die Bevölkerungsdichte ist hier viel höher, sodass der lokale Widerstand gegen Schiefergasbohrungen in der Regel enorm ist. Das liegt zum Teil an den Umweltbedenken, die in Europa stärker ausgeprägt sind. Denn Fracking kann zum Austritt von Methan und zur Verschmutzung des Grundwassers sowie zu Kohlenstoffemissionen führen.

Daher hat der Deutsche Bundestag Fracking fast unmöglich gemacht, und es besteht kein politisches Interesse, das Thema erneut aufzugreifen, auch weil die Bürger es nicht wollen. Auch die meisten Briten sind gegen das Fracking. In Frankreich will keine große politische Partei das Fracking-Verbot aufheben.

Fehlende Anreize

Zudem sind in den meisten europäischen Staaten die Rechte an unterirdischen Bodenschätzen im Besitz der Staaten und nicht, wie in Amerika, im Besitz des örtlichen Grundbesitzers. Die europäischen Grundbesitzer profitieren daher nicht direkt von einem Fracking-Boom, wie es in den USA der Fall war.

Und selbst wenn die politischen und ökonomischen Hindernisse überwunden werden könnten, wäre ein Fortschritt beim Fracking in Europa kaum möglich. Denn den europäischen Ländern fehlt die solide industrielle Basis, die den amerikanischen Boom ermöglicht hat, darunter Bohrunternehmen und Pipelines.

Es würde wahrscheinlich mindestens drei Jahre dauern, bis nennenswerte Mengen an europäischem Gas durch Fracking gefördert werden könnten. Vielleicht wäre es ein lohnendes Unterfangen. Aber Fracking allein kann keine ausreichende Antwort auf die historische Energiekrise in Europa sein.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handel warnt vor „Geisterstädten“ - tausende Geschäftsschließungen
23.04.2024

Seit Jahren sinkt die Zahl der Geschäfte in Deutschlands Innenstädten - auch weitere Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof müssen bald...