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Inder weigern sich, ihr Gold bei der Bank abzugeben

Auch wegen der wachsenden Probleme im Außenhandel verstärkt Indien seine Bemühungen, das private Gold nutzbar zu machen. Doch die Inder weigern sich mitzumachen.
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29.10.2022 12:37
Aktualisiert: 29.10.2022 12:37
Lesezeit: 3 min
Inder weigern sich, ihr Gold bei der Bank abzugeben
Die Inder bringen ihr Gold der Regierung zum Trotz nicht zur Bank. (Foto: iStock.com/santhosh_varghese) Foto: santhosh_varghese

Um das enorme indische Handelsdefizit zu verringern, will die Regierung von Premierminister Narendra Modi die Bürger des Landes dazu bringen, ihren Goldschmuck bei den Banken abzugeben, wo sie Zinsen dafür erhalten. Denn Indiens Bürger besitzen den größten privaten Goldbestand der Welt.

Der Plan besteht bereits seit dem Jahr 2015. Doch bisher weigern sich die Inder beharrlich, ihr Gold den Banken anzuvertrauen. Von den 25.000 Tonnen, die nach Schätzungen des World Gold Council in den indischen Haushalten und Tempeln lagern, wurden im Rahmen des Programms nur etwa 25 Tonnen bei den Banken angelegt.

Aktuell ist dieser Plan dringender als je zuvor. Denn die Rupie ist eingebrochen, das Handelsdefizit erreichte im Juli ein neues Rekordhoch und ist seitdem kaum wieder zurückgegangen. Daher will die indische Regierung dringend die massiven Goldimporte eindämmen und das Gold der Bürger einschmelzen.

„Wenn man das vorhandene Gold im Land wiederverwerten kann, sinkt die Abhängigkeit von Goldimporten und der Druck auf das Leistungsbilanzdefizit“, zitiert Bloomberg Madhavi Arora, eine leitende Ökonomin bei Emkay Global Financial Services. „Und man kann das Gold auch als Instrument zur Geldbeschaffung einsetzen.“

Inder hängen am Gold

Im Juli hatte die Regierung versucht, den Goldkauf zu erschweren, indem sie die Einfuhrsteuer auf Gold auf ein Allzeithoch anhob. Doch da zugleich die Preise am Weltmarkt zurückgingen, veränderte sich der Goldpreis in Indien kaum. In der aktuellen indischen Festsaison erreichte die Nachfrage nach Gold erneut einen Höhepunkt.

Modis Programm ermöglicht es den Indern, ihr Gold für einen Zeitraum von 1 bis 15 Jahren bei einer Bank zu deponieren. Dafür erhalten sie Zinsen von bis zu 2,5 Prozent. Das Gold wird eingeschmolzen und weiterverkauft, wodurch das Goldangebot im Land erhöht und die Goldimporte verringert werden sollen.

Am Ende der Laufzeit erhalten die Teilnehmer an dem Programm die gleiche Menge Gold, die sie bei der Bank hinterlegt haben, oder den entsprechenden Geldbetrag zurück. Der Zinssatz für das Goldprogramm in Höhe von bis zu 2,5 Prozent ist jedoch deutlich niedriger als der Zinssatz von bis zu 6 Prozent für Festgeldanlagen bei der State Bank of India.

Goldschmuck spielt in Indien bei Festen eine wichtige Rolle. Armbänder, Ringe, Halsketten und Ohrringe werden oft in der Familie weitergegeben. Ein großer Nachteil des Programms besteht darin, dass der Schmuck eingeschmolzen wird, um seine Reinheit zu prüfen. Das bedeutet, dass die Teilnehmer ihre geliebten Schmuckstücke nie zurückerhalten.

Die wichtige Rolle der Tempel

Die Inder spenden den Gottheiten Gold, um ihre Dankbarkeit auszudrücken, etwa für die Geburt eines Kindes. In der Folge verwahren Indiens Tempel, die von Trusts verwaltet werden, einen riesigen Vorrat an Gold. Man schätzt, dass sie etwa 4.000 Tonnen besitzen. Dies ist deutlich mehr als die Goldreserven der Deutschen Bundesbank.

Nach Ansicht von Ashish Pethe, dem Vorsitzenden des All India Gem & Jewellery Domestic Council, sollte die Regierung mit den Tempelstiftungen zusammenarbeiten. „Es gibt mindestens 10 bis 15 Trusts, die große Mengen an Gold halten. Wenn ein Teil des Goldes aus ihnen herauskommt, wird das eine große Erleichterung sein“, sagte er.

Bislang haben die Tempel etwa 200 bis 500 Kilogramm (440 bis 1100 Pfund) Gold in kleinen Mengen deponiert. Das ist jedoch nichts im Vergleich zu dem, was für das Funktionieren des Programms erforderlich ist, so James Jose, Geschäftsführer der wichtigen indischen Goldraffinerie CGR Metalloys.

Surendra Mehta, nationaler Sekretär der India Bullion and Jewellers Association sagt, die Schwierigkeit bestehe auch darin, die Treuhänder der Tempel davon zu überzeugen, das eingelagerte Gold im Rahmen des Programms einschmelzen zu lassen und damit das Risiko einzugehen, die Spender des Goldes zu verärgern.

Der emotionale Wert des Goldes

Die meisten Inder bezahlen lieber dafür, ihren Schmuck im Bankschließfach aufzubewahren, als bei derselben Bank Zinsen zu verdienen, indem sie an dem Regierungsprogramm teilnehmen. Die frisch verheiratete 32-jährige Wissenschaftlerin Aditi Das sagt, dass dies wegen des „Generationenwerts“ ihres Schmucks nicht in Frage kommt.

„Das meiste von meinem Gold ist geerbter Schmuck und hat einen emotionalen Wert, und die Vorstellung, dass es eingeschmolzen wird, ist nicht beruhigend. Selbst wenn es sich um eine Goldmünze oder einen Goldbarren handelt, wird er zu besonderen Anlässen gekauft, und deshalb würde ich mich nicht wohl dabei fühlen, ihn für ein solches Programm aufzugeben.“

Damit der Plan der Regierung funktionieren kann, müsste die Dauer der Goldleihe flexibel gehandhabt werden. Zudem dürfte der Ursprungsnachweis bis zu einer bestimmten Grenze nicht in Frage gestellt werden, da es für Menschen, die Gold geerbt haben, oft schwierig ist, den Besitz nachzuweisen, sagt Ashish Pethe.

Die Regierung sollte Änderungen in Erwägung ziehen, indem sie Einlagen in Banken bis zu einer Grenze von etwa 100 Gramm Gold von der Prüfung durch die Steuerbehörde ausnimmt, sagt Arora von Emkay. Der ungenutzte Goldbestand müsse „Teil des normalen Kapitalbeschaffungsmechanismus sein“.

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