Politik

Signale für Abrücken Chinas von Null-Covid-Politik mehren sich

Möglicherweise deutet sich in China eine Abkehr von der restriktiven Corona-Strategie an. An den Finanzmärkten führt die Nachricht zu starken Ausschlägen.
04.11.2022 16:16
Aktualisiert: 04.11.2022 16:16
Lesezeit: 2 min

In China mehren sich die Signale, die auf ein Abrücken der Regierung von ihrer strengen „Null-Covid-Politik“ hindeuten. In Kürze werde es an diesem Kurs erhebliche Änderungen geben, sagte Chinas früherer Chef-Epidemiologe am Zentrum für Seuchenprävention, Guang Zeng, am Freitag.

Zur Begründung verwies er darauf, dass immer mehr Voraussetzungen für solche Schritte vorlägen, etwa neue Impfstoffe und Fortschritte, die die Volksrepublik bei der Medikamentenforschung gemacht habe.

Der Experte machte die Äußerungen auf einer von der Investmentbank Citi ausgerichteten Konferenz. Die Nachrichtenagentur Reuters konnte davon eine Aufzeichnung anhören. Auf die Frage von Citis Chefvolkswirt für China, Yu Xiangrong, ob sich das Land öffnen werde nach der Jahressitzung des Parlaments, die in der Regel Anfang März stattfindet, sagte Zeng, viele neue politische Maßnahmen würden in den kommenden fünf bis sechs Monaten eingeführt. Worauf diese Information basierte, führte er nicht aus.

Die Äußerungen schürten die seit einiger Zeit keimenden Hoffnungen insbesondere an den Finanzmärkten, dass die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft zumindest einige der strengen Beschränkungen aufheben könnte, die zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie eingeführt wurden, aber die Wirtschaft erheblich belasten.

Zeng und Yu waren für weitere Stellungnahmen zunächst nicht erreichbar. Für Samstag ist allerdings eine Pressekonferenz chinesischer Gesundheitsbehörden angesetzt, bei der es um die Corona-Prävention gehen soll. Bloomberg News meldete zudem unter Berufung auf Insider, dass China an Plänen zimmere, wonach das System abgeschafft werden soll, dass Fluggesellschaften Strafen aufbrummt, wenn sie corona-positive Passagiere ins Land bringen.

Der Optimismus steht jedoch im Kontrast zur Entwicklung der jüngsten Corona-Daten. Für Donnerstag meldete die Nationale Gesundheitskommission 3871 Neuinfektionen, die durch lokale und nicht über das Ausland eingeschleppte Ansteckungen zustande kamen. Im internationalen Vergleich ist das sehr wenig. Für China aber ist es die höchste Zahl seit Anfang Mai.

Sollte die restriktive Null-Covid-Strategie teilweise oder komplett gelockert werden, könnten sich einige Engpässe im Welthandel auflösen. Zudem würde eine Normalisierung des Lebens die Nachfrage der chinesischen Wirtschaft nach Vorprodukten und Rohstoffen ankurbeln.

Positiver Impuls für die Börsen

Europas Anleger haben in der Hoffnung auf Lockerungen bei den strikten Corona-Regeln in China zum Wochenschluss kräftig bei Aktien zugegriffen. Dax und EuroStoxx50 kletterten am Freitagnachmittag um je 2,6 Prozent auf 13.444 und 3684 Zähler. Auch an der Wall Street ging es deutlich aufwärts. Beiträge in den sozialen Medien, die auf eine Lockerung der Null-Covid-Politik in der Volksrepublik im März hindeuteten, linderten die Ängste der Investoren vor einem Konjunktureinbruch im Reich der Mitte.

Am Freitag gaben Äußerungen von Guang Zeng, dem ehemaligen chinesischen Chefexperten für Epidemiologie, den Hoffnungen zusätzliche Nahrung. Analysten zeigten sich allerdings skeptisch. „Das Gerücht über mögliche Experimente mit der Abkehr von der chinesischen Null-Covid-Politik ist ein ziemlich fadenscheiniger Vorwand für die Rally“, sagt Robert Carnell, ING-Chefvolkswirt für den Asien-Pazifik-Raum. Zumindest bis zum Frühling seien keine großen Lockerungen zu erwarten.

Die Konjunkturhoffnungen schürten auch Spekulationen auf eine steigende Rohstoffnachfrage Chinas, was die Ölpreise nach oben trieb. Der Preis für die Nordsee-Sorte Brent stieg um 4,2 Prozent auf 98,53 Dollar je Barrel (159 Liter). Händler begründeten den Anstieg auch mit einer zu erwartenden Angebotsverknappung durch das geplante EU-Embargo auf russisches Öl.

Am Aktienmarkt waren vor allem der Luxusgüter- und der Bergbausektor mit ihren starken Geschäften in China gefragt. Der Index der Bergbauwerte lag mehr als sechs Prozent im Plus. Luxusgüterriesen wie LVMH, Pernod Ricard, Hermes und Richemont kletterten bis zu 6,7 Prozent. Beim Gucci-Eigner Kering sorgte zudem ein Medienbericht über fortgeschrittene Gespräche über den Kauf der Modemarke Tom Ford für Impulse. Unter den Dax-Werten stachen Adidas mit einem Plus von zehn Prozent hervor, obwohl die Ratingagentur Moody's den Ausblick für die Bonitätsnote herabsenkte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bonpflicht: Top oder Flop? Geplantes Ende der Bonpflicht sorgt für Freude und Ärger
07.05.2025

Steuerbetrug und Papiermüll: Seit ihrer Einführung vor knapp fünf Jahren blieb die Pflicht, auch für kleine Einkäufe Kassenbons...

DWN
Politik
Politik EU-Gasverbot: EU will russisches Gas verbieten – doch das Völkerrecht steht im Weg
07.05.2025

Die EU-Kommission plant ein Verbot für russisches Gas – bis spätestens Ende 2027 sollen sämtliche Lieferungen gestoppt werden. Doch...

DWN
Politik
Politik Nach Rumpel-Wahlstart: Kanzler Merz in Paris und Warschau - Macron: Deutsch-französischer Sicherheitsrat geplant
07.05.2025

Auf den ersten Besuch von Friedrich Merz als Bundeskanzler in Paris wird dennoch hoffnungsvoll geblickt. Frankreichs Präsident Macron will...

DWN
Panorama
Panorama Im Vatikan läuft die Papstwahl: Konklave könnte mehrere Tage dauern - die Hintergründe
07.05.2025

Streng geheim und streng ritualisiert: Seit diesem Mittwoch versammeln sich 133 Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle zum...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz: So stärken Führungskräfte das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter
07.05.2025

Psychische Erkrankungen gelten laut dem DAK-Gesundheitsreport 2023 als der dritthäufigste Grund für Krankschreibungen. Umso wichtiger...

DWN
Politik
Politik AfD Brandenburg ebenfalls als gesichert rechtsextrem eingestuft - nach Rausschmiss vom Verfassungsschutzchef
07.05.2025

Einen Tag nachdem der Verfassungsschutzchef von Brandenburg von Landesinnenministerin Katrin Lange (SPD) überraschend abgesetzt worden,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Krisengeschüttelter Zulieferer ZF kürzt ab Mai Arbeitszeiten und Gehälter
07.05.2025

Der in tiefroten Zahlen steckende Autozulieferer ZF wird in der Konzernzentrale am Standort Friedrichshafen vorübergehend kürzere...

DWN
Politik
Politik Kriegszustand: Indien greift Pakistan an – Eskalation zwischen Atommächten droht
07.05.2025

Nach einem Terroranschlag in Kaschmir startet Indien gezielte Luftschläge – Pakistan spricht von zivilen Opfern und droht mit Vergeltung.