Politik

US-Zwischenwahlen: Endgültige Resultate wahrscheinlich erst im Dezember

Die Zwischenwahlen in den Vereinigten Staaten haben bislang kein eindeutiges Ergebnis gebracht - dieses könnte sich noch bis in den Dezember hinziehen.
09.11.2022 09:00
Aktualisiert: 09.11.2022 09:26
Lesezeit: 3 min

Die Kontrolle über den US-Senat und damit auch die Mehrheitsverhältnisse im Kongress entscheiden sich womöglich erst am 6. Dezember. Dann könnte eine Stichwahl um einen umkämpften Senatsposten im US-Bundesstaat Georgia die Entscheidung bringen. Denn nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen erreichte dort weder der demokratische Amtsinhaber Raphael Warnock noch sein republikanischer Herausforderer Herschel Walker mehr als die erforderlichen 50 Prozent. Die vor den Wahlen zum Senat und US-Repräsentantenhaus erwartete "rote Welle", also ein Durchmarsch der oppositionellen Republikaner, blieb jedoch aus. Vom Ausgang der Kongresswahl hängt ab, wie effektiv US-Präsident Joe Biden mit seinen Demokraten in den kommenden zwei Jahren bis zur nächsten Präsidentschaftswahl regieren kann.

Erste Ergebnisse signalisierten am Mittwoch, dass die Republikaner bei den Zwischenwahlen in den USA leichte Zugewinne verbuchten, während die Demokraten besser abschnitten als erwartet. Viele der am stärksten umkämpften Entscheidungen waren aber noch offen. Die Republikaner räumten ein, dass die Wahl nicht den angepeilten klaren Sieg brachte. Die bisher vorliegenden Ergebnisse legten nahe, dass die Wähler Biden für die hohe Inflation abstraften, während die Republikaner wegen Vorstöße für ein Abtreibungsverbot Einbußen hinnehmen mussten.

Derzeit verfügen Bidens Demokraten über ein knappes Übergewicht sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus. Erobern die Republikaner jedoch nur eine der beiden Parlamentskammern, können sie insbesondere wichtige innenpolitische Vorhaben des Präsidenten blockieren oder zumindest ausbremsen. Gleichzeitig könnte ein erfolgreiches Abschneiden der Republikaner die Entscheidung von Bidens Vorgänger Donald Trump befeuern, 2024 erneut zu kandidieren. Am Montag versprach er bei einer Wahlkampfabschlussveranstaltung für Dienstag kommender Woche eine "große Ankündigung".

Vor allem im Abgeordnetenhaus hatten Meinungsforscher einen Kantersieg der Republikaner nicht ausgeschlossen. Danach sah es jedoch vorerst nicht aus. "Definitiv keine republikanische Welle, das ist verdammt klar", gestand der republikanische Senator Lindsey Graham beim Sender NBC ein. Seiner Partei gelang es Wahlforschern zufolge nach ersten Berechnungen, unter dem Strich etwa eine Handvoll Abgeordnetenmandate zu erobern. Theoretisch würde das für eine Mehrheit im Repräsentantenhaus reichen, denn dafür wären fünf zusätzliche Sitze nötig. Da der Ausgang Dutzender Rennen aber nach wie vor offen war, könnte sich das Blatt noch zugunsten der Demokraten wenden.

Noch enger verlief das Rennen um den Senat. Hier lagen beide Parteien Kopf an Kopf. Die Republikaner müssen in der Kammer zwar sogar nur einen Sitz hinzugewinnen, um die Kontrolle zu übernehmen. Doch gerade in besonders hart umkämpften Bundesstaaten wie Nevada, Georgia und Arizona war noch kein klarer Trend erkennbar. Sollte es am Ende auf Georgia ankommen, könnte es bis Dezember dauern, bis die Mehrheitsverhältnisse im Senat geklärt sind. Denn in dem Bundesstaat sieht das Wahlrecht eine Stichwahl vor, wenn kein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält.

Eine empfindliche Niederlage mussten die Republikaner in Pennsylvania einstecken. Das Rennen dort um einen bislang von den Republikanern gehaltenen Senatssitz galt als potenziell wahlentscheidend. John Fetterman vom linken Flügel der Demokraten besiegte den von Trump unterstützten TV-Arzt Mehmet Oz.

TRUMP-RIVALE IN FLORIDA WIEDERGEWÄHLT

Neben allen 435 Sitzen im Repräsentantenhaus und 35 der 100 Senat-Sitze ging es bei den Wahlen auch um 36 Gouverneursposten und Tausende weitere politische Ämter auf Bundesstaats- und Kommunalebene. Der Fokus lag auch auf Florida. Dort wurde der Republikaner Ron DeSantis als Gouverneur wiedergewählt. Er gilt als potenzieller Rivale Trumps, wenn es um die Kandidatur der Republikaner für die Präsidentschaftswahl 2024 geht.

Trump stand wie Biden am Dienstag nicht zur Wahl. Dennoch war er im Wahlkampf allgegenwärtig. Er protegierte viele Kandidaten und Kandidatinnen, die wie er den Ausgang der Wahl 2020 leugnen. Sie behaupten bis heute ohne Belege, dass Trump nur wegen Manipulationen um seinen Sieg gebracht worden sei. Dieses Jahr bewarben sich Dutzende Trump treu ergebene Politiker auf zahlreiche Ämter. Je erfolgreicher sie abschneiden, umso mehr Rückenwind dürfte das Trump für seine Ambitionen geben, in zwei Jahren einen erneuten Anlauf auf das Weiße Haus zu wagen.

Die deutsche Wirtschaft muss sich Ökonomen und Verbänden zufolge nach den US-Wahlen auf schwierigere Geschäfte mit ihrem wichtigsten Exportkunden einstellen. "Der Gegenwind wird stärker - und kälter", sagte der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Holger Görg, der Nachrichtenagentur Reuters. "Handelserleichterungen zwischen den USA und der EU werden mit einem republikanisch dominierten Kongress nicht zu machen sein", sagte Görg. Die deutsche Industrie warnt vor einer Verschlechterung der Wirtschaftsbeziehungen. "Die Fortschritte und Annäherungen der vergangenen zwei Jahre müssen bewahrt und ausgebaut werden", forderte der BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Keinesfalls dürfe sich der Trend zu Protektionismus und unfairer Priorisierung der heimischen Industrie verstärken.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Zinsen: Warum Europas Geldpolitik zur Falle werden könnte
17.12.2025

Die EZB signalisiert das Ende der Zinssenkungen – und plötzlich zieht die Eurozone die Risiken einer neuen Straffung an. Europas...

DWN
Politik
Politik Drohnenabwehrzentrum startet: Bund und Länder bündeln Kräfte zur Gefahrenabwehr
17.12.2025

In Berlin startet ein neues Drohnenabwehrzentrum, das Behörden, Bundeswehr und Nachrichtendienste enger verzahnen soll. Drohnensichtungen...

DWN
Politik
Politik EU-Parlament macht Weg für Verzicht auf russisches Gas frei
17.12.2025

Die EU steuert auf einen harten Schnitt zu: Spätestens 2027 soll Schluss sein mit russischem Gas. Doch Ausnahmen, LNG und der Streit mit...

DWN
Politik
Politik Aus Bürgergeld wird Grundsicherung: Kabinett schickt mehrere Reformen auf die Strecke
17.12.2025

Letzte Kabinettsrunde vor Weihnachten: Von Grundsicherung über Rente bis Kurzarbeitergeld treibt die Regierung mehrere Reformen an. Auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deutsche Bank bringt den Wero-Bezahldienst zu Millionen Kunden
17.12.2025

Der Wero-Bezahldienst erreicht jetzt Millionen Bankkunden: Deutsche Bank und Postbank schalten den vollen Funktionsumfang frei. Europa...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone: Inflation im November bei 2,1 Prozent
17.12.2025

Die Eurozone-Inflation wirkt auf den ersten Blick stabil – doch eine neue Eurostat-Schätzung verändert den Blick auf den November. Auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Steve Jobs und die Zukunft der Führung: Warum Chefs jetzt umdenken müssen
17.12.2025

Der Mittelstand arbeitet noch nach Regeln von gestern – doch die Herausforderungen von heute lassen sich damit kaum lösen. Der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland: Ifo-Index schwach – Jahr endet ohne Aufbruchsstimmung
17.12.2025

Der Ifo-Index sendet zum Jahresende ein klares Warnsignal für Deutschlands Wirtschaft. Sinkende Erwartungen, enttäuschte Hoffnungen und...