Deutschland

Gedanken zum 9. November: Deutschlands prekäre Verfassung am Beginn der Zeitenwende

Lesezeit: 16 min
13.11.2022 06:00
Bernd Liske kommt mit Blick auf den Zustand Deutschlands am Beginn der Zeitenwende zu einem vorurteilsfreien, umfassenden Lagebild.

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Wenn ich 2018 schrieb, der Anteil der Westdeutschen in Verwaltung, Justiz und Gewerkschaften würde zwischen 80 und 95 Prozent betragen, 80 Prozent aller Hochschulen würden von Westdeutschen geleitet und 94 Prozent aller Vorsitzenden Richter stammen aus dem Westenähnlich sähe es bei Bankern, Staatssekretären, in den Finanzämtern und beim Verfassungsschutz aus –, Ostdeutsche seien in gesellschaft-lichen Führungspositionen nicht adäquat repräsentiert und der Anteil von Frauen in Führungspositionen wäre größer als der von Ostdeutschen: Hat sich seitdem daran irgendetwas grundlegend geändert? Sicher nicht – und das soll so bleiben.

Während es sich die Kollaborateure der deutschen Einheit mit einem Teil der zweieinhalb Millionen Westdeutschen gemütlich machen, die seit 1990 in den Osten gezogen sind, wird die Bevölkerung auch heute wieder mit warmen Worten in der Hoffnung gehalten werden, dass sich die blühenden Landschaften noch einstellen. Doch der Anteil Ostdeutschlands am Bruttosozialprodukt stagniert seit Jahrzehnten bei 11% – bei einem Bevölkerungsanteil von 16% –, und die Löhne liegen je nach Auswahl eines Bundeslandes aus dem Osten und dem Westen bei 67% bis 90%. Manches was blühte, fängt an zu verdorren und bei dem, was blüht, muss über die Besitzverhältnisse nicht nachgedacht werden.

Während Bundespräsident Joachim Gauck meint, für die Freiheit könne man auch frieren und ein paar Jahre weniger Lebensglück und Lebensfreude in Kauf nehmen, und Robert Habeck, man solle kürzer duschen und wenn man arbeitet, müsse man nicht heizen, bewältigen die Tafeln im Osten wie im Westen nicht mehr den Ansturm auf sie, gehen Millionen Schüler ohne Frühstück zur Schuleeine Lehrerin aus Hessen erzählte mir, eine Schülerin würde sich an Geburtstagen mit den Mitschülern einen Teller Spaghetti teilen – und der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes stellt fest, Wohlstandsverlust und Vermögensverzehr kämen in der Mittelschicht an. All das trifft Ostdeutschland sehr viel härter und man kann feststellen: Das gab es vor dem 09. November nicht.

Entfernt man den gepflegten Schein, kommt im Kern zum Vorschein, was ich schon einige Male so zusammengefasst habe:

Der Osten Deutschlands wurde vom Westen annektiert, vorhandene Wettbewerbskraft plattgemacht, mit westdeutschem Gedankengut gefüttert, als Markt und dann als Billiglohnland aufgebaut. Das Bild so zu malen, vernachlässigt bewusst viele feine Pinselstriche – die einem verklärten Blick auf die Lage durchaus zuträglich wären –, weil das Grobe es ermöglicht, vieles zu ignorieren, dass bei dem Bemühen, analytisch zum Kern vorzudringen, nur stört.

Diese Ausgangslage gibt den Blick darauf frei, dass der gelernte Ostbürger zwar nach dem Fall der Mauer in den Westen und sonst wohin reisen konnte, währenddessen aber seine Heimat verlor. Nicht nur ideell, sondern auch materiell. Während die Ossis sich die Welt eroberten, kamen die Wessis in den Osten und eroberten ihn – inklusive aller relevanten Führungsstrukturen. Für die Ossis gab es statt Glasperlen die Freiheit – für die Wessis zwar keinen Kontinent, aber doch zumindest eine nicht geringe Ausdehnung in Richtung Osten.

Wenn Identitäten ausgelöscht und durch Phrasen ersetzt werden, die sich nicht an die Wirklichkeit binden lassen, wenn sich Freiheit primär in Abhängigkeit des ökonomischen, intellektuellen und sozialen Kapitals entfaltet, so setzt die Freiheit nur das Recht des Stärkeren durch, dem zunehmend immer mehr Menschen zum Opfer fallen. Folge dessen sind insbesondere auch immer schwerer tragbare transformatorische Folgekosten.

In diese Wirklichkeit passt das geplante Zukunftszentrum Deutsche Einheit. Es ist nicht nur für die gezielte Verbrennung von Fördermitteln und die Vergabe von Posten geeignet, sondern soll sich als Zentrum zur Geschichtsklitterung profilieren, das die DDR aus westdeutschen Blickwinkeln des Antikommunismus aufarbeitet – wie ein Interview mit dem Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk in der WELT vom 31. Oktober aufzeigt. Er gehörte der Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ an, aus deren Arbeit der Gedanke eines solchen Zentrums erwuchs. Statt die kognitive Diversität in Deutschland zu stärken, stärkt der herrschende Kleingeist den monokulturellen Anbau – wobei er glyphosatgleich jegliches gedankliche Unkraut tilgt, dass dem erstarrten Demokratieverständnis Kopfschmerzen bereitet. Bei den zu erwartenden Preisverleihungen und Jubiläumsveranstaltungen wird man sich an dem Verblödungsertrag ergötzen: Bis die Geschichte darüber zusammenschlägt.

Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz von einer „Zeitenwende“ spricht, so kann man ihm ohne Zweifel recht geben: Deutschland erlebt seit dem 24. Februar eine Zeitenwende. Von einem Tag auf den anderen entfaltete sich ein medialer und von Sanktionen bestimmter Krieg Deutschlands gegen Russland, der ungleich besser vorbereitet war als die Bewältigung der Pandemie und meine These, Bundeskanzler Olaf Scholz hätte den Krieg am 15. Februar verhindern können, ist wohl nur aus äußerst idealistischen Blickwinkeln haltbar. Über Monate trieb der Westen Russland vorher in eine Ecke, aus der es sich um der eigenen Selbsterhaltung willen meinte, nur so befreien zu können (Tweets vom 25. Januar und davor), wie es das dann tat: Durch ein Verbrechen.

Doch wir kommen zu falschen Schlüssen, wenn wir Kriege nicht generell als Verbrechen ächten und uns der Natur dieses Krieges nicht bewusst werden. Dann erkennen wir nicht, dass all die Hilfe für die Ukraine keinem anderen Zweck dient, als diesen Krieg anzuheizen und übersehen, dass es an jeglichen Bemühungen mangelt, ihn über Verhandlungen zu entschärfen. Dann erkennen wir nicht, dass ein primäres Ziel dieses Krieges darin besteht, Europa und nicht zuletzt Deutschland zu schwächen.

Die Politik ignoriert das ebenso geflissentlich wie die vielfältigen Konsequenzen für Deutschland. Das gilt auch dafür, dass die Ukraine nach den Maßstäben, die wir an unsere Vergangenheit anlegen und mit der wir unsere rechte Gegenwart beurteilen, ein faschistisches Land ist, dessen Natur sich nicht zuletzt dadurch entfaltet, dass es nicht nur die Symbolik pflegt, sondern auch die Feindbilder: Was Deutschland seine Juden waren, sind der Ukraine ihre Russen (1, 2). Spätestens seit dem 24. Februar sehen wir, dass es für letzteres auch in Deutschland einen fruchtbaren Boden gibt, der durch ein massiertes politisches und mediales Wirken gedüngt wird.

Die „Zeitenwende“ gleich systemisch der, die sich ab 1933 entfaltete und ich war überrascht, festzustellen, dass sie im Jahr 33 nach der Zeitenwende des Mauerfalls ihren Anfang nimmt. Alles, was nicht dem Duktus folgt, es müsse alles dafür getan werden, Russland zu brechen, und dafür, die Ukraine maximal – nicht zuletzt mit immer leistungsfähigeren Waffen – zu unterstützen, wird niedergebrüllt, gezwungen den Treueeid auf diese politische Entwicklung zu leisten oder kaltgestellt. Prägnantes Beispiel dafür ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – was umso mehr von Bedeutung ist, als er seinen eigenen Beitrag für diese Entwicklung geleistet hat, nun aber die deutsche Spielform demokratischer Expansion durch die atlantische kassiert wird – statt „Wandel durch Annäherung“ wird das Konzept „Russland überdehnen“ verfolgt.

Erst muss er sich von Botschafter Andrij Melnyk vorwerfen lassen, „Steinmeier scheint den Gedanken zu teilen, dass die Ukrainer eigentlich kein Subjekt sind. … Steinmeier hat seit Jahrzehnten ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft. … Feingefühl ist für Steinmeier ein Fremdwort, zumindest in Bezug auf die Ukraine.“, dann wird er von Kiew ausgeladennoch dazu, als er auf dem Weg nach Kiew schon in Warschau ist –, um schließlich doch reumütig nach Kiew zu reisen und einen Freibrief für jegliche Unterstützung abzugeben. Ohne Probleme kann der Botschafter auch die Bemühungen des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, zu einer ausgewogenen Russland-Politik zu kommen, derart kommentieren: „Endlich kriegt Putin-Fan & Russland-Anbeter @MPKretschmer in die Fresse auch aus den eigenen Reihen der @cdusachsen.“

Wir Deutschen – gewohnt, nach unten zu treten und nach oben zu buckeln, wofür symbolisch unser Betteln um Flüssiggas im Nahen Osten und der proklamierte Führungsanspruch Deutschlands als Beispiele herhalten können – lassen das mit uns machen. Gleichzeitig wird Stimmen wie denen von Eugen Drevermann mit seiner "Rede gegen den Krieg" und Gabriele Krone-Schmalz keine Verbreitung ermöglicht. Als Verschwörungstheoretiker oder Putin-Versteher diskreditiert, wird ihre Analytik wie auch ihr Rat ignoriert.

Ich meine, mich in den Kreis derer inhaltlich wie auch hinsichtlich des Umgangs mit mir einordnen zu können bzw. zu müssen. QuerdenkerQuerdenken als Denkmethode nach Edward de Bono – sind im Land der Dichter und Denker für den immer dumpfer denkenden Kleingeist derart stressend, dass selbst der Begriff schon bewusst verbrannt und in die Obhut des Verfassungsschutzes getrieben wird – wie ich schon in meinem Leserbrief zum Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler ausführte. Nebenbei: Wie gefährlich der Begriff offensichtlich eingeschätzt wird – oder ich eingeschätzt werde –, erkenne ich auch daran, dass mein wichtigster Aphorismus zum Querdenken nicht erscheint, wenn auf TWITTER nach @LiskeAphorismen #Tagesspruch #Querdenken gesucht wird.

Eine solche „Zeitenwende“ mag wie ein Naturereignis plötzlich über uns hereingefallen sein: Doch schaut man genauer hin, erkennt man, dass es eine der möglichen Folgen einer natürlichen Entwicklung ist, die sich über Jahre vollzog. Wie der Klimawandel in unserer natürlichen Umgebung dazu führt, dass die Eisberge schmelzen, über dem Ahrtal plötzlich eine Sturzflut niedergeht und das Wetter generell zunehmend Kapriolen schlägt, ist es der sich über Jahr vollziehende gesellschaftliche Klimawandel, der die Durchsetzung von Innovationen behindert und generell die Innovationskraft schwinden lässt, der durch Feigheit Souveränität verhindert und die Erfahrungen dieses Jahres erst möglich macht, der Unsummen durch Betrug vernichtet, der Menschen durch gleichgeschaltete Medien verblödet und die Militarisierung vorantreibt, der wieder Unruhe auf die Straßen bringt. Als Beispiele mögen hier meine Lesemaschine MIRAKEL, die NSA-Affäre, die Diesel-Affäre, die russophobe Hetze, die ungehemmten Waffenlieferungen an die Ukraine und die wieder aufflackernden Montagsdemonstrationen herhalten.

Eine auf Eigennutz programmierte Gesellschaft, in der Freiheit und Demokratie nicht die gelebten Werte, sondern nur die Mäntelchen sind, unter denen sich das Recht des Stärkeren wie zu Urzeiten durchsetzen soll – ich nennen es das Paradigma-Paradoxon der Demokratie –, kommt an ihre Grenzen, wenn der Kampf um das goldene Kalb die Moral frisst, wenn die Stärkung der Schlauheit die Schwächung der Klugheit erzwingt, wenn die Ressourcen knapper werden und erreichtes schwindet. Ein Land, das Werten nur an Gedenktagen seine Aufmerksamkeit schenkt und sie ansonsten zunehmend nicht mehr lebt, erodiert das Fundament seiner Existenz und wird urplötzlich damit konfrontiert, dass der Schein seines Seins auf ein Sein trifft, dem es durch seinen Schein nicht mehr gewachsen ist.

Doch während wir gegen den einen Klimawandel das 2°- Ziel als möglichen Beitrag identifiziert haben, um ihm zu begegnen, mangelt es für den anderen allein schon an der Wahrnehmung der durch ihn möglichen Bedrohung für unsere Gesellschaft, geschweige denn an der Vorstellungskraft, wie die Resilienz gegen ihn wie auch der die gesellschaftliche Wirksamkeit bestimmende Substanzwert gestärkt werden können – abgesehen von Bemühungen, die der Zeitgeist ignoriert, weil er sich allenfalls vor dem Wetter schützt und dafür bereit ist, mal locker eine Milliarde Euro zu verbrennen – in einen Bereich hinein, der sich primär aus den Folgen des Klimawandels nährt.

Was ich am Umgang mit Russland sehe, mache ich als persönliche Erfahrung, seit ich halbwegs denken kann und systemisch ist es für mich analog: Auch mich versucht man zu brechen, auch ich werde niedergebrüllt. Es sind geradezu unendlich viele Facetten, in denen ich das in meinem privaten und beruflichen Umfeld sowie bei meinem gesellschaftlichen Engagement, das wohl in der NSA-Affäre am deutlichsten wurde, abbildet – in der Jugend, in der DDR an sich und nicht zuletzt in dem Land, dass heute an einen Tag erinnert, dessen Chancen es nicht aufgegriffen hat, weil zwar eine Grenze eingerissen wurde, aber dieser Impuls nicht dazu genutzt wurde, die Grenzen im gedachten Raum niederzureißen und die sich dadurch ergießende Flut kognitiver Diversität zu nutzen, auf fruchtbarem Boden neues #modernDenken wachsen zu lassen, um viele Früchte davon ernten zu können und Deutschlands Zukunft nachhaltig zu gestalten.

Ich treffe auf Menschen, die sich aus schlechten Erfahrungen heraus zurückziehen und jeglicher Öffnung, die zwar Verletzung nicht ausschließt, aber auch Entfaltung und Gemeinsamkeit ermöglicht, mit Ablehnung – ja Aggression und nicht zuletzt Schweigen –, begegnen. Ich treffen auf Menschen mit einem Mangel an Fähigkeiten, zunehmend komplexere Sachverhalte zu verstehen und die Herausforderungen unserer Zeit zu erkennen sowie zu analysieren und ihnen kreativ-schöpferisch selbstbestimmt zu begegnen. Ich treffe auf Menschen, die vom Eigennutz zerfressen sind und zudem schon genanntes in sich tragen: Ihr Wort ist nichts wert – selbst, wenn man sie immer mal wieder daran erinnert –, sie zerstören, was ihnen an Unbeflecktem begegnet, sie verraten dich feige und wieder sind es Aggressionen und Schweigen, aus denen vieles geschlossen werden muss, weil das offene Wort die Natur wie die Absicht verraten würden oder einbetonierte und bei näherer Betrachtung sinnlose Beweggründe es verhindern, zu klärendes aufzuklären und sich dann gemeinsam auf das Gestalten zu konzentrieren. Ich treffen auf Menschen, die keine „Achtung“ vor denen haben, die ihnen begegnen und vor dem, was ihnen begegnet – ein Thema, dem ich mich in meinen diesjährigen Neujahrswünschen gewidmet habe. Ich treffe auf Egoisten, Ignoranten, Claqueure und Scharfmacher – wo es doch der Idealisten, Analysten, Visionäre und Konzeptionäre bedarf.

„Zeitenwenden“, wie wir Sie erlebt haben und wie sie uns jetzt wieder begegnet, bedürfen, sollen sie gelingen, einer differenzierten Ausgestaltung. Wo es Kollaborateure gibt, gibt es auch Opfer und es sind nicht nur die vielfältigen Formen der Diskreditierung, Ausgrenzung und Unterdrückung, derer sich die Demokratie bedient, um aus ihren Netzwerken heraus subtil das Wirken derer einzuschränken, von denen sie meint, sie würden sie bei der Durchsetzung ihrer auf Eigennutz ausgerichteten Absichten behindern. Aus meiner Erfahrung sind es insbesondere die Banken und Finanzämter, die als fünfte Kolonnen dafür ihre Beiträge leisten und sich bei ihrem Wirken in einer sich selbst entwertenden Gesellschaft einer Rechtsprechung sicher sein können, die sich zunehmend ihrer Bindung an das Grundgesetz, das Recht und die Rechtsprechung entledigt und Richter qualifiziert, derer es in der „Zeitenwende“ bedarf, um in ihr für die Ordnung zu sorgen, derer es bedarf, um den Erfordernissen der Zeit gerecht zu werden. Eine solche Zeit erfordert, dass die Normen, die in der „alten Ordnung“ dem Anschein nach noch gelten, weiter aufgeweicht werden, bis sich schließlich eine neue Ordnung herausgebildet hat, mit der die Stabilität der „Zeitenwende“ gesichert wird.

Wie die Normen unseres Rechts aufgeweicht werden, beschreibt der erste Band meiner Reihe „Willkür“: Einblicke in die deutsche (Un-) Rechtsprechung. Er widmet sich nicht den Erfahrungen auf meiner Wirkungsseite, sondern auf der Seite, mit der die Randbedingungen beeinflusst werden, die mein Wirken nach außen begrenzt. Ausgangspunkt ist eine Klage von mir von 2010 gegen das Finanzamt Magdeburg wegen Betrugs, Nötigung und Verstoß gegen die guten Sitten. Diese Klage machte mich nicht nur zu einem großen Fan unseres Rechts, der sich im Rahmen seiner Kraft bemüht, ihm Geltung zu verschaffen, sondern ermöglichte mir auch tiefe Einblicke in das Handeln von Richtern am Finanzgericht Sachsen-Anhalt, dem Bundesfinanzhof, dem Bundesverfassungsgericht und dem Verwaltungsgericht Magdeburg. Eine Besonderheit des Buches ist, dass es primär aus meinen selbst verfassten Schriftsätzen, aber auch den Urteilen und Beschlüssen der Gerichte besteht.

Wie können Finanzämter, Gerichte und Staatsanwaltschaften in der Weise wirken, dass man ihnen ohne Ende mit dem Grundgesetz, dem Recht und der Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland kommen kann, sie dieses übergreifend aber nicht interessiert? Außerhalb der schon länger bestehenden Annahme, dass es am gesetzlichen Richter mangelt und ich Sondergerichten gegenüberstehe, weil ich aus zu klärenden Gründen auffällig geworden bin, finde ich nur eine systemische Erklärung, gegen die es mir an Argumenten mangelt, sie nicht für möglich zu halten: Diese Strukturen unter westdeutscher Führung verstehen sich als Besatzer in Ostdeutschland, die nur ihresgleichen gegenüber gerecht sind und jedes Subjekt in der annektierten Provinz mit unterschwelligen subtilen Möglichkeiten bekämpfen, das sein Wirken in diesem Land aus originären Denken ableitet. Dass der herrschende Kleingeist ihr dabei ein willfähriger Diener ist, sei hier nur am Rand erwähnt.

Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass die Judikative unfähig zu einer Selbstreinigung ist, die es ihr ermöglicht, ihrer Verantwortung tugendhaft gerecht zu werden. Daher glaube ich, dass es einer externen Einrichtung ähnlich der des TÜV bedarf, um die Qualität richterlichen Wirkens zu sichern. Man überlässt es heutzutage nicht Unternehmen, sich selbst zu prüfen und es gibt keinerlei Begründung, aus der sich ableiten lässt, dass es mit der Judikative eine Gruppe von Menschen gibt, die dem übrigen Teil der Gesellschaft moralisch-ethisch überlegen sind. Wenn sie dann aber wie die Gesellschaft genauso moralisch-ethisch verwerflich sein kann, so verbietet es sich, ihr einen besonderen Status zu geben und sie hat sich der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in genau der gleichen Weise zu unterwerfen wie der Rest der Gesellschaft.

Ein weiteren Fall habe ich begonnen, mit meinem ersten Blog-Beitrag aufzuarbeiten, aber dass sich die Protagonisten der „Zeitenwende“ schon jetzt bemühen, auch das erodierende Fundament unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung weiter „zu modernisieren“, um der neuen Ordnung gerecht zu werden, zeigt sich an der Neufassung des § 130 StGB, der ohne großes Aufsehen neu gegossen und in unser Recht eingesetzt wurde. Willkür wird zum Bestandteil unserer Rechtsordnung, denn – so weit verstehe ich die Absicht – die Frage, ob die Leugnung eines Völkermords gegeben ist, wird nicht daran festgemacht, dass ein Gericht ein Völkerrechtsverbrechen schon endgültig festgestellt hat, sondern daran, dass eine – politisch geführte – Staatsanwaltschaft einen Fall von Leugnung vor Gericht bringt, wo dann „nach gerichtlicher Überzeugung“ entschieden wird.

Warum formuliere ich all das in dieser Deutlichkeit? Deutschland hat sich im Jahr 33 wieder aufgemacht, eine „Zeitenwende“ zu gestalten und an ihrem Beginn stehen die Ideologien des Hasses und der Militarisierung. Das Feindbild des Judentums wird durch das des bösen Russen ersetzt – wobei man es kaum glauben kann, dass derartiges bei dem angenommenen Stand der zivilisatorischen Entwicklung noch verfängt, aber die politische und mediale Simplifizierung komplexer Sachverhalte auf ein Feindbild, die einseitige und vielfach verlogene Berichterstattung sowie der demagogische Missbrauch von Begriffen wie Frieden, Menschenrechte und Demokratie treffen auf eine durch Tittytainment und unzureichende Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragestellungen herausgebildete Einfältigkeit, der es an der Fähigkeit zur selbstbestimmten Beurteilung dessen mangelt, womit sie konfrontiert ist.

Die Aufheizung der gesellschaftlichen Stimmung und die sich entfaltende Verblödung 4.0 auf der Höhe der zivilisatorischen Entwicklung können wieder in einem Krieg münden. Es so zu formulieren, gesteht die klassische Lesart zu, dass dem bisher noch nicht so ist. Nach meiner Analyse der Natur dieses Krieges ist das jedoch schon längst der Fall und es ist kein Krieg Russlands in und gegen die Ukraine, sondern ein Krieg des Westens gegen Russland, hinsichtlich dessen die politische Elite Deutschlands in eine Führungsrolle gedrängt wird, mit dem der strategische Vorteil Deutschlands, vor seiner Haustür ein schier unerschöpfliches, preiswertes Rohstoffreservoir und einen riesigen entwicklungsfähigen Markt zu haben, gekappt wird und wem die Vorstellung für einen solchen Markt fehlt, möge ein Land wie die USA vor sich sehen, das von der Ostküste aus seine Industrialisierung vorantreibt.

Eine solche Entwicklung erschien am Horizont, als der russische Präsident Wladimir Putin 2001 seine Rede im Deutschen Bundestag hielt: Eine Entwicklung, die Europa tatsächlich zur dritten bestimmenden Kraft in der Welt gemacht hätte. Diese Entwicklung wurde erfolgreich torpediert und so stellt sich das Lagebild wie folgt dar:

  1. Der Krieg Russlands in der Ukraine ist ein Verbrechen, aber wir kommen zu falschen Schlüssen, wenn wir die Entwicklung zum Krieg nicht umfassend analysieren. Neben vielen Tweets habe ich dazu inzwischen fünf Artikel veröffentlicht.
  2. Wir sehen ein geopolitisches Schachspiel der USA, in dem der Gewinn des schwarzen Königs die Herrschaft über die Welt bedeutet. Während alle Beobachter davon ausgehen, dass die schwarze Dame (China) angegriffen wird, konzentriert sich Weiß asymmetrisch darauf, einen schwarzen Läufer (Russland) zu schwächen, indem es dessen – schon schwache – Verteidigung durch einen Bauern (Ukraine) durchbricht. Durch die Schwächung dieses Läufers möchte Weiß im Vorbeigehen auch noch die beiden Springer schwächen: Deutschland und Europa.
  3. Wir sehen einen modernen asymmetrischen Krieg zwischen den USA und Russland – unter Einbeziehung ukrainischen Blutes. Während Russland primär mit Heer, Luftwaffe und Marine angreift, kämpfen die USA mit den drei Teilstreitkräften der Moderne: Cyber, Sanktionen und Medien. Insofern bedarf es der Verhandlungen zwischen den USA und Russland – alles andere macht keinen nachhaltigen Sinn.
  4. Deutschland ist Kriegspartei: Wer Waffen liefert, trägt eine Mitschuld (Mir ist an der Stelle nicht wichtig, was aus dem Völkerrecht abgeleitet wird – aus dem dann aber der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags die Ausbildung ukrainischer Soldaten als Kriegseintritt ableitet –, sondern die Durchgängigkeit der Betrachtung.)
  5. Dieser Krieg hat erheblichen Auswirkungen auf die europäische Ordnung. Der Traum Europas von einer multipolaren Weltordnung ist ausgeträumt. In einer bipolaren Welt haben die USA Europa eingehegt und legen sich Russland zurecht, um sich dann China zuwenden zu können. Europas Denken hat sich in die Geschichte verabschiedet – oder ist zu schwach, um wahrgenommen zu werden.
  6. Dieser Krieg hat erheblichen Auswirkungen auf Deutschland: Ich sehe Armut, dauerhaft höheren Energiekosten, verminderte Wettbewerbsfähigkeit, Rezession, Inflation, Staatsverschuldung, eine aggressivere Außenpolitik, Belastungen für den Klimaschutz, eine Kriegsgefahr auf deutschem Boden.
  7. Der Kotau gegenüber den USA und der Ukraine, erwächst aus einer gesellschaftlichen Verfasstheit, der es nicht zuletzt an Achtung vor vielem fehlt.
  8. Es gibt keine substanziellen Bemühungen, Ideen für den Frieden zu entwickeln und anzugehen. Verschiedene Bemühungen in diese Richtung bleiben isoliert.

In diesen Kontext passt die Grundsatzrede von Frank-Walter Steinmeier vom 28. Oktober, mit der er auf den Spuren von Johannes Gauck wandelt, der Militarisierung Deutschlands das Wort redet und die Bevölkerung auf entbehrungsreiche Jahre einschwört. Im Gegensatz zu der oben eingebrachten Rede von Eugen Drevermann ist die des Bundespräsidenten eine Rede für den Krieg und während er der deutschen Bevölkerung härtere Jahre zusichert, proklamiert der chinesische Präsident Xi Jinping am 16. Oktober auf dem 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas als Ziel der Politik, der Bevölkerung ein besseres und glücklicheres Leben zu ermöglichen. Sieht so der Sieg der Demokratie über die Diktaturen aus?

Die Rede des Bundespräsidenten verdeutlicht das Ziel des politischen Handelns wie auch das Bewusstsein der politischen Führung in Deutschland über die Tragweite der daraus erwachsenen Folgen. Es besteht Klarheit darüber, dass es mit den Herausforderungen dieses Winters nicht getan ist und man von einer Dekade ausgeht, in der die Demokratie in unserem Land gestresst wird. Doch wofür das alles: In fünf Jahren will man Russland besiegt haben, so dass man „keine Angst vor neuen Kriegen in Europa haben“ muss: „Das Wesentliche wird wieder wichtig, und es verdient unsere ganze Kraft.“

Selbst wenn man all das unberücksichtigt lässt, mit dem der Westen Russland in dessen Handeln gezwungen hat, stellt sich die Frage: Weshalb muss sich Deutschland mit Sanktionen – die primär das eigene Land treffen –, stetig steigenden Waffenlieferungen, finanzieller Unterstützung der Ukraine und der Bewältigung der Flüchtlingswelle derart engagieren, dass es die wirtschaftliche Stabilität durch dauerhafte höhere Energiekosten und neue Abhängigkeiten aufs Spiel setzt, die innere und äußere Sicherheit gefährdet, relevante Teile der Bevölkerung zwangsläufig in die Verarmung treibt, die Verschuldung explodieren lässt und der Wirtschaft relevante Märkte entzieht? Hinzu kommt die Absicht, über eine „wertebasierte Außenpolitik“ mit China gleich weiterzumachen – geradezu aus Sorge, das Engagement gegenüber Russland könnte evtl. nicht ausreichen, Deutschland zu brechen.

Es findet sich nur eine Antwort und ich erkenne in ihr keinen Nutzen für die Bundesrepublik Deutschland und seine Bevölkerung – noch nicht einmal für die westliche Allianz: Das vasallenhafte Mitläufertum der deutschen Elite hinter den geopolitischen Interessen der USA erfordern das. Dieses Mitläufertum kennt vor allem kein alternatives Handeln. Vergeblich sucht man in der Rede des Bundespräsidenten das Wort „verhandeln“. Es ist eine Rede für den Krieg und das erfordert nur eine alternativlose Bemühung: Militarisierung.

Man hätte annehmen können, dass eine Rede von einer derartigen Bedeutung um 20.15 Uhr auf allen Kanälen gesendet und der Link breit gestreut wird, unter dem sie vollständig in Ruhe gelesen werden kann, damit sich die Bevölkerung bewusstwird, was auf sie zukommt: Doch sie wurde zur besten Sendezeit gegen Freitagmittag gehalten und die darauf Bezug nehmenden Artikel beließen es überwiegend bei pauschalen Bewertungen. Ich fand keinen Artikel, der zur Rede verlinkte, so dass der übergroße Teil der Bevölkerung sie wohl nicht wahrgenommen, aber zumindest nicht vollständige gelesen haben dürfte.

Hinsichtlich des Versagens wie auch der Absichten der politischen Führung sehe ich keine substanziell bedeutsame Resilienz. Nicht zuletzt mangelt es Deutschland an politischen Strukturen für alternatives politisches Denken auf der Höhe der gesellschaftlichen Herausforderungen. Die aus meiner Sicht infiltrierten Linken – man erkennt das nicht zuletzt daran, dass sie sich der Natur dieses Krieges in keiner Weise stellen – verabschieden sich mit Parolen aus der politischen Bedeutung, die in einer von Überreizen geprägten Gesellschaft nicht mehr wahrgenommen werden und ihr selbstverliebtes Personal ist weder in der Lage, die systemischen Herausforderungen unserer Zeit zu erkennen – geschweige denn, dafür nachhaltige Lösungsansätze anzubieten –, noch zu nutzen, dass es in den auf Eigen-, Individual- und Fremdnutzen ausgerichteten relevanten politischen Parteien an der wirklichen Vertretung von zweien mangelt und das insofern ihr Markt sein könnte: Von Deutschland als Nation und seiner Bevölkerung.

Die AfD ist durch das in ihr verankerte rechte Gedankengut kompromittiert, eher mit Belastungen, statt mit Beiträgen für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu wirken, so dass es ein leichtes ist, darin aufflackerndes Richtiges und Sinnvolles zu diskreditieren. Ihre Bedeutung wird durch die Äußerung von Sarah Wagenknecht ausreichend charakterisiert, die Grünen wären die gefährlichste Partei im Bundestag – hinsichtlich derer die politische und mediale Empörungswelle geflissentlich einen wesentlichen Zusatz unberücksichtigt lässt: Gemessen an dem verursachten Schaden.

Es ist meine Hoffnung, dass es dem Leser möglich ist, in diesen Zeilen meine „Achtung“ vor dem 09. November, unserem Land und ihm, dem Leser, zu erkennen – als einer Voraussetzung für Besinnung und Veränderung. Das Fundament der verwendeten Blickwinkel sehe ich mit meiner Vorstellung vom Menschsein sowie den Ausführungen von Albert Schweitzer und Papst Franziskus gut beschrieben. Es ist meine Hoffnung, dass meine Zeilen dem Leser Impuls sind, den Mut aufzubringen, tiefer in den gedachten Raum einzudringen, um so im realen Raum selbstbestimmt und erfolgreich nachhaltiger zu wirken sowie sich als Mensch weiterzuentwickeln: Zu seinem Nutzen und dem Deutschlands. Dem technologischen Fortschritt muss endlich auch gesellschaftlicher Fortschritt folgen, der sowohl Bottom-up als auch Top-down vorangetrieben werden muss und für den man Situationen wie die NSA-Affäre, die Pandemie und die „Zeitenwende“ als Chancen sehen kann, das Bewusstsein für die Notwendigkeit dessen zu schärfen und die Kraft dafür zu entwickeln. Deutschland braucht einen Klimawandel nicht nur, um dem Klimawandel begegnen zu können: Ansonsten fällt es der „Zeitenwende“ anheim.

*****

Bernd Liske (Jg. 1956 / studierter Mathematiker) ist Inhaber von Liske Informationsmanagementsysteme. In seinen Büchern und Artikeln setzt er sich mit sozialen, politischen und wirtschaftlichen Problemen unserer Gesellschaft auseinander, um so Beiträge für die Erhaltung des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu leisten. Die in seinem Buch Aphorismen für die Menschwerdung des Affen – Wie der Mensch zum Menschen und wie die Demokratie ihrem Anspruch gerecht werden kann veröffentlichten Aphorismen betrachtet er als Open-Source-Betriebssystem zur Analyse und Gestaltung individueller, unternehmerischer und gesellschaftlicher Prozesse. Das den Aphorismen vorangestellte Essay über die „Auseinandersetzung als Beitrag für die Menschwerdung des Affen“ beschäftigt sich insbesondere mit der Natur der Demokratie und stellt Wege zur Diskussion, wie die westlichen Demokratien eine nachhaltige Zukunft gestalten können – ohne sich in eine kriegerische Auseinandersetzung mit China begeben zu müssen.

Bernd Liske (Jg. 1956 / studierter Mathematiker) ist Inhaber von Liske Informationsmanagementsysteme. In seinen Büchern und Artikeln setzt er sich mit sozialen, politischen und wirtschaftlichen Problemen unserer Gesellschaft auseinander, um so Beiträge für die Erhaltung des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu leisten. Die in seinem Buch Aphorismen für die Menschwerdung des Affen – Wie der Mensch zum Menschen und wie die Demokratie ihrem Anspruch gerecht werden kann veröffentlichten Aphorismen betrachtet er als Open-Source-Betriebssystem zur Analyse und Gestaltung individueller, unternehmerischer und gesellschaftlicher Prozesse. Das den Aphorismen vorangestellte Essay über die „Auseinandersetzung als Beitrag für die Menschwerdung des Affen“ beschäftigt sich insbesondere mit der Natur der Demokratie und stellt Wege zur Diskussion, wie die westlichen Demokratien eine nachhaltige Zukunft gestalten können.


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