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Girocard-Streit: Gebühren waren unzulässige Kartellabsprache

Die von Girocard-Anbietern erhobenen Gebühren waren einem Gericht zufolge nicht zulässig. Für die Drogeriekette Rossmann ist dies dennoch nur ein Teilerfolg.
14.11.2022 10:00
Lesezeit: 3 min
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Die Drogeriekette Rossmann konnte mit ihrer Klage vor dem Landgericht Berlin einen Pyrrhussieg erzielen. In den drei ersten Schadensersatzprozessen vergangene Woche kam das Landgericht Berlin zur Einschätzung, dass die Girocard-Gebühren der Anbieter unrechtmäßig und eine Kartellabsprache waren.

Urteilsverkündung Ende Januar

Fünf Jahre lang befanden sich die zwölf Klagen unterschiedlicher Unternehmen beim Landgericht Berlin. Nun kommt Schritt für Schritt Bewegung ins Spiel. In der letzten Woche wurden die ersten mündlichen Verhandlungen aufgenommen. Die für das Kartellrecht verantwortliche 16. Zivilkammer will nun durchgreifen.

Bereits am 31. Januar soll das Urteil zur Klage des Drogeriekonzerns Rossmann gegen die vier Verbände der Deutschen Kreditwirtschaft wegen kartellbedingter Erhöhungen der Girocard-Gebühren gefällt werden. Die Urteile zu den anderen Klagen von Deichmann, Globus, Hornbach, Hellweg, Drogerie Müller, dm-Drogeriemarkt, Bartels-Langness, der Deutschen Bahn und der Deutschen Post sowie einigen Tankstellenbetreibern sind zeitnah erwartbar.

Im Rechtsstreit am letzten Montag zur Klage von Rossmann und am Dienstag zur Klägergemeinschaft der Markant Mitglieder verdeutlichte der Vorsitzende Richter Martin Vogel, warum die Kammer die Entgeltvereinbarung in der Girocard-Vorgehensweise als wettbewerbswidrige Preisabsprache betrachtet. Dabei stellte Vogel klar, dass eine Freistellung für das einheitliche Händlerentgelt, wie es die Bankverbände beteuern, nicht zutrifft. So ein Vorgang ließe sich laut Vogel nicht mit dem europäischen Recht vereinbaren.

Landgericht schätzt Schadensersatzsumme ab

Für die Kläger ist die Einschätzung des Landgerichts ein wichtiger Schritt. So konnte man das wichtigste große Hindernis aus dem Weg räumen. Mit dieser unerwartet klaren Begründung sind Schadensersatzansprüche der Kartenakzeptanten gegeben. Janos Morlin von der Kanzlei SGP Schneider Geiwitz, die mehrere Kläger vertritt, sieht die Angelegenheit gegenüber der Lebensmittelzeitung klar: „ Die Sache ist jetzt klarer. Die kartellrechtlichen Verstöße sind ohne Wenn und Aber deutlich geworden.“

Die große Frage ist nun, wie hoch die Schadensersatzansprüche jeweils ausfallen. Jetzt muss ein sogenannter „kontrafaktischer Preis“ ermittelt werden, welcher ohne die Kartellabsprache fällig geworden wäre. Dazu werden nach üblichem Prozedere Gutachten eingeholt.

Die 16. Zivilkammer hat das Ziel den Schaden abschätzen zu lassen, wie Vogel erklärt: „Die Wahrheit werden wir ohnehin nicht herausfinden. Wir planen bei der Schadensberechnung die Differenz zwischen dem bis 2014 geltenden Händlerentgelt von 0,3 Prozent des Kartenumsatzes und den zwischen November 2014 und November 2015 zum ersten Mal erhobenen Händlergebühren als Begründung zu nehmen.

Nur ein Teilsieg für die Kläger

Hintergrund der Zeitspanne ist die Milderung der Kartengebühren zum Dezember 2015 durch die EU-Kommission. Im Jahr 2014 beendete das Bundeskartellamt ein Verfahren gegen die Bankenverbände, da sie sich zu bilateralen Verhandlungen der Girocard-Gebühren bereiterklärten. Nach Ansicht der Kläger und ihrer Anwälte ist dieses Vorgehen nicht verständlich.

Weiterhin kommt das Landgericht zu dem Entschluss, dass sämtliche Ansprüche vor 2010 verjährt sind, da es sich um ein sogenanntes transparentes Kartell handelte. Die Kläger hätten nach Begründung des Gerichts schon eher klagen können, nur das behördliche Kartellverfahren hemme die Verjährung von 2011 bis 2014

Die betroffenen Unternehmen machen in der Regel Schadensersatzansprüche in der Zeitspanne von 2004-2014 geltend. Im Jahr 2014 hatten das Bundeskartellamt ein Kartellverfahren eingestellt, da die Banken sich im Gegenzug zu bilateralen Verhandlungen der Girocard-Gebühren entschieden.

Landgericht Berlin dürfte nicht die letzte Instanz sein

Durch die Problematik mit der Höhe der Schadensersatzhöhe sieht ein Anwalt der Kläger die Entscheidung nur als einen Teilsieg an: „Durch die Verjährung halbieren sich die Schäden. Die Berechnungsmethode kostet noch einmal Zweidrittel der Forderungen. Bei Hornbach kommt man so zu einem Schaden von 44.000 Euro statt der ursprünglich geltend gemachten 1.9 Millionen Euro.“

Am Donnerstag verhandelte das Landgericht Berlin die Klage des Praktiker-Insolvenzverwalters mit einer Forderung von fünf Millionen Euro. Die Baumarktkette ging 2013 insolvent, daher eignete sich die Berechnungsmethodik der Kammer in diesem Fall nicht. Aus diesem Grund will das Gericht nun die Verhandlungsentscheidungen von Hornbach als Orientierung nutzen, da es sich in beiden Fällen um Baumärkte handelt.

Durch die geringe Schätzung der Schadensersatzsumme ist es sehr wahrscheinlich, dass das Landgericht Berlin nicht die letzte Instanz in diesem Rechtsstreit sein wird. Die niedrige Schadenersatzerhebung, die das Gericht unerwarteterweise schon kalkuliert hat, sind für die Unternehmen eine komplizierte Basis für Vergleichsverhandlungen. Die beklagten Banken würden hingegen mit so einem Urteil als Kartellanten dastehen. Eine Einschätzung, die auch im Blick auf andere gemeinsame Payment-Projekte der deutschen Kreditwirtschaft ein Hindernis darstellen könnte. Auch für die Banken kann es sich daher lohnen, Rechtsmittel einzulegen.

Ein Klägervertreter sieht aus diesem Grund keinen richtigen Gewinner in diesem Rechtsstreit: „Eigentlich gehen alle beschädigt aus den Verhandlungen heraus.“ Am heutigen Montag soll vor dem Landgericht Berlin die Verhandlung über die Forderungen der Jet-Tankstellen auf dem Tagesplan stehen. Die Tankstellen stellen Schadensersatzforderungen von 33 Millionen Euro an die Banken. Allein bei den Gutachterkosten soll es sich um eine Summe von 600.000 Euro handeln. Die Klage ist 2017 beim Landgericht erhoben worden.

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