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Migrationsexperte: „Reform ist positiv für die Beschäftigung hochqualifizierter Zuwanderer“

Migrationsexperte Dr. Wido Geis-Thöne sieht gegenüber DWN die geplante Reform des Einbürgerungsverfahrens positiv für die Beschäftigung hochqualifizierter Zuwanderer. Die Reform könnte ihm zufolge eine wichtige Botschaft in die Welt senden.
01.01.2023 08:24
Lesezeit: 4 min
Migrationsexperte: „Reform ist positiv für die Beschäftigung hochqualifizierter Zuwanderer“
Eine Einbürgerungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland liegt auf einem Tisch. (Foto: dpa) Foto: Fernando Gutierrez-Juarez

Seit Ende November ist die Debatte um die Erleichterung beim Einwanderungsverfahren ein großes Thema in Deutschland. Nach den Plänen von Innenministerin Nancy Faeser sollen Ausländerinnen und Ausländer in Zukunft nach fünf anstatt wie bisher nach acht Jahren den deutschen Pass bekommen können. Während das Wall Street Journal in einer Analyse das Vorhaben der Bundesregierung mit Skepsis betrachtet, sehen Migrationsexperten in der Idee der Bundesregierung eine Chance.

Positiver Effekt für die Beschäftigung Hochqualifizierter

Prof. Dr. Herbert Brücker vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung sah gegenüber DWN in der Erleichterung für ein schnelleres Verfahren bei der Einbürgerung viele positive Aspekte. Dr. Wido Geis-Thöne, Senior Economist beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., sieht es ähnlich und findet in der Erleichterung viele positive Punkte. Der Ökonom betont gegenüber DWN die wichtigen Effekte für die Beschäftigung von Hochqualifizierten.

„Insbesondere für die Beschäftigung von Hochqualifizierten hat die Verkürzung der Fristen einen wichtigen positiven Effekt. So können diese mit einem deutschen Pass im Rahmen ihrer Tätigkeit viel leichter auch vorübergehend an einem Unternehmensstandort oder bei einem Kunden im Ausland eingesetzt werden.“

Ob die geplante Einwanderungsreform sich am Ende positiv auswirkt, hängt laut Geis-Thöne davon ab, wie sie in den Herkunftsländern der Zuwanderer kommuniziert wird. Findet hier eine gute Kommunikation statt, dann könne die Reform ein Signal in die Welt senden, dass Zuwanderer in Deutschland willkommen sind und gute Bleibeperspektiven haben.

Geis-Thöne hält eine Beschleunigung der Verfahren nicht unbedingt für notwendig. So besteht bei der Einbürgerung seiner Meinung nach kein starker Zeitdruck. Hingegen sieht er die langen Verfahrensdauern bei der Visavergabe als zentrales Hindernis für die Zuwanderung nach Deutschland und einen Punkt bei dem dringend politisches Handeln geboten ist.

Vorteile und Nachteile der früheren Einbürgerung

Den Vorteil einer früheren Einbürgerung sieht Geis-Thöne vor allem darin, dass Zuwanderer früher an den politischen Entscheidungsprozessen partizipieren und als Deutsche einreisen können. Als Nachteil betrachtet der Ökonom, dass so gegebenenfalls auch Personen die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, bei einer Rückkehr in die Herkunftsländer behalten und an ihre Kinder weitergeben könnten, die keine enge Bindung zu Deutschland haben.

Im Bezug zur geplanten Einbürgerungsreform wurde öffentlich auch eine Debatte auf die Gefahr einer Zuwanderung in das Sozialsystem geführt. Diese Gefahr sieht Geis-Thöne nicht. Das Staatsangehörigkeitsrecht bestimme nicht die Zuwanderungsmöglichkeiten und ein dauerhafter Aufenthalt mit Sozialleistungsbezug auch bereits mit einer Niederlassungserlaubnis möglich sei.

Dennoch merkt Geis-Thöne an, dass es im Staatsangehörigkeitsgesetz tatsächlich das Problem gäbe, dass die Anforderungen für die Einbürgerung etwas schwammig geregelt seien. So ist es unklar, ob Personen, die Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe beziehen nur im Ausnahmefall eingebürgert werden können, oder ob in diesem Fall lediglich erforderlich ist, dass sie sich um eine Stelle bemühen (also nicht von den Jobcentern Sanktionen erhalten haben).

Geis-Thöne sieht aktuelle Migrationspolitik positiv

Die Migrationspolitik muss sich Geis-Thöne zufolge immer den aktuellen Rahmenbedingungen anpassen. In den 2000er-Jahren gab es eine hohe Arbeitslosigkeit und eine vergleichsweise günstigere demografische Grundstruktur der Bevölkerung, wie der Ökonom erklärt. Zu diesem Zeitpunkt machte die vergleichsweise restriktive Migrationspolitik in seinen Augen Sinn. Die Situation am Arbeitsmarkt habe sich dann in den 2010er-Jahren immer mehr verbessert und der demografische Wandel war am Arbeitsmarkt spürbar. Daher war zu diesem Zeitpunkt die schrittweise Liberalisierung der Erwerbszuwanderung in diesem Jahrzehnt auch nach Einschätzung Geis-Thönes der richtige Weg.

Die aktuelle Migrationspolitik bewertet Geis-Thöne durch die Problematik des branchenübergreifenden Fachkräftemangels positiv: „Aktuell verschiebt sich die Lage mit dem Ausscheiden der besonders geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer weiter in Richtung zunehmender Fachkräfteengpässe, sodass es gut ist, dass die aktuelle Regierung jetzt die Öffnung Deutschlands weiter vorantreiben will. Vor diesem Hintergrund würde ich auch keine direkten Fehler im Handel der Vorgängerregierungen und der aktuellen Regierung sehen.“

Unstimmigkeit in der CDU beim Thema Zuwanderung

Auch von der Opposition gibt es Stimmen, die eine Zuwanderung wegen des Fachkräftemangels positiv sehen. So sprach sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in einem Interview mit der Welt am 26. Dezember dafür aus, dass die Union liberalere Positionen in Fragen der Zuwanderung einnimmt: „Insgesamt steht es der Union gut zu Gesicht, wenn sie bei Zuwanderungsthemen eine liberalere Haltung einnimmt. Mit gezielter Anwerbung und mit einem modernen Staatsbürgerschaftsrecht. Das aktuelle Regelwerk ist dafür nicht ausreichend.“

Innerhalb von der CDU wird über das Thema stark debattiert und es verdeutlichen sich die unterschiedlichen Sichtweisen innerhalb der Partei. Generalsekretär Mario Czaja hatte die Pläne von Bundesinnenministerin Nancy Faeser Anfang Dezember kritisiert und bezeichnete sie als „gefährlich“. Auch von CDU-Chef Friedrich Merz bekräftigte Ende November seine Kritik an den Plänen des Innenministeriums die Einbürgerung zu erleichtern.

Das Fachkräftemangelargument ließ er in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin nicht gelten: „Die Einwanderung in den Arbeitsmarkt ist bereits in den vergangenen Jahren ermöglicht worden. Was es zu verhindern gilt, ist die „Einwanderung in die Sozialsysteme“. Bezüglich der kürzeren Fristen stellen andere Länder viel höhere Ansprüche an die Einbürgerung und Einwanderung als unser Land. Für eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts sehe ich keinen Bedarf. Das bestehende Staatsbürgerschaftsrecht ist sehr modern.“

Behördliche Umsetzung der Erwerbsmigration als Problem

Als ein sehr großes Problem sieht Geis-Thöne die behördliche Umsetzung der Erwerbsmigration. Der Ökonom ist skeptisch, ob die Regierung die Problematik beheben kann: „Der administrative Rahmen in Deutschland, ist anders als etwa in Kanada, an sich nicht auf eine starke Erwerbsmigration ausgelegt. Das ist ein Problem, welches immer gravierender wird und das voraussichtlich auch die aktuelle Regierung nicht lösen können wird. So sind mehrere, teilweise dezentral organisierte Behörden an den Verfahren beteiligt, was diese sehr langwierig und intransparent macht.“

Geis Thöne erklärt, dass es für die Bundesregierungen im föderalen System Deutschlands kaum möglich sei, grundlegende Anpassungen der administrativen Strukturen durchzusetzen. Zu den Situationen zu finden, in denen das gelungen sei, müsse man weit zurückgehen und selbst bei der Hartz-IV-Reform, die als Beispiel hierfür dienen könnte, wurde mit den ARGEn ein System geschaffen, dass zu einer möglichst geringen Verschiebung der Zuständigkeiten zwischen den föderalen Ebenen geführt habe.

Die geplante Reform des Einwanderungsrechts wird auch im nächsten Jahr für Diskussionen sorgen und Gesprächsstoff liefern. Anfang 2023 wird der Gesetzesentwurf veröffentlicht. Wie Brücker gegenüber DWN schilderte, kann man dann genauer sagen, ob die Reform allein ausreichend ist, um die Erwerbsmigration so stark zu erhöhen, wie es für die Bewältigung des demographischen Wandels notwendig ist.

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