Wirtschaft

Brexit: Schwierige Zeiten für deutsch-britische Handelsbeziehungen

Der Austritt Großbritanniens aus der EU hat deutliche negative Folgen für die deutschen Handelsbeziehungen. Doch einige Nischenbranchen überraschen.
04.01.2023 16:51
Aktualisiert: 04.01.2023 16:51
Lesezeit: 2 min

Vor ungefähr sechs Jahren sprach sich eine Mehrheit der Briten für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union aus. Jetzt ist das Land zum ersten mal in der jüngeren Geschichte aus den Top Ten der deutschen Handelspartner gestürzt und die Bedeutung des Handels mit Deutschland schrumpft auch aus Sicht der Briten deutlich.

Einer aktuellen Analyse der bundeseigenen Gesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) zufolge ist die Schrumpfung im deutsch-britischen Außenhandel kein neuer Trend. Seit 2017, als Großbritannien noch auf Platz fünf der wichtigsten Außenhandelspartner Deutschlands lag, ist die Bedeutung des Landes ständig gesunken. „Auch knapp drei Jahre nach dem britischen EU-Austritt bleibt der wirtschaftspolitische post-Brexit-Kurs des Landes unklar und verunsichert britische Unternehmen,“ kommentierte die GTAI.

Handelsschwierigkeiten seit 2020

Großbritannien hat die Europäische Union (EU) Ende 2020 verlassen und ist auch seit Januar 2021 aus der EU-Zollunion ausgestiegen, sowie aus dem EU-Binnenmarkt. Der im letzten Moment noch vereinbarte Brexit-Handelsvertrag sicherte in den meisten Bereichen noch Zollfreiheit, doch es käme wegen höheren bürokratischen Anforderungen zu Handelsschwierigkeiten zwischen Großbritannien und Deutschland, so die GTAI. Zuletzt hatte Tschechien Großbritannien in der Rangliste der wichtigsten Handelspartner überholt. Der Vorsprung Tschechiens vor Großbritannien sei „signifikant und im November und Dezember kaum aufzuholen."

Dem Economist zufolge ist es noch zu früh, um die langfristigen Auswirkungen des Brexits zu beurteilen, aber bisherige Erkenntnisse zeigten, dass der Austritt aus der EU der britischen Wirtschaft geschadet habe. Insbesondere der Handelsverkehr, die Lebenshaltungskosten und die Fähigkeit der Menschen, sich frei zu bewegen, hätten sich verschlechtert. Die jüngsten Daten wiesen darauf hin, dass der britische Warenhandel im zweiten Quartal letzten Jahres um sieben Prozent gefallen sei.

Ein Team des Centre for Economic Performance, ein Forschungszentrum an der London School of Economics, hat vor kurzem Lebensmittel analysiert, die aus der EU stammen. Es ist zu dem Schluss gekommen, dass die durchschnittlichen Lebensmittelpreise in Großbritannien in den Jahren 2020 und 2021 um rund drei Prozent pro Jahr gestiegen sind - und zwar wegen Brexit.

Nach Ansicht von Experten ist Großbritannien seit dem Austritt „weniger offen für die Welt“ geworden. Dem Guardian zufolge schätzt das britische Office for Budget Responsibility, dass der Brexit mittelfristig die „Handelsintensität“ der britischen Wirtschaft - den Anteil des Handels am Bruttoinlandsprodukt - um 15 Prozent verringern wird.

Prekäre Aussichten - aber Interesse an Nischenbranchen

Der 2023er Ausblick sieht schlecht aus, zum Teil weil Großbritannien laut der Zentralbank auf eine lange Rezession zusteuert und Unternehmen daher künftig wahrscheinlich noch vorsichtiger investieren werden, so die GTAI. Das würde besonders die Lieferungen von Fahrzeugen, Industriemaschinen und chemischen Erzeugnissen treffen - dort, wo Deutschland zu den wichtigsten Lieferanten Großbritanniens zählt.

Dennoch interessant für deutsche Unternehmen seien vor allem kleinere Branchen, die sich trotz der wirtschaftlichen Probleme in Großbritannien stärker entwickelt haben, so zum Beispiel die Offshore-Windenergie Branche, der Infrastrukturbau und das Gesundheitswesen.

GTAI sagte, es gäbe gemischte Signale bei der wichtigen Automobilindustrie, einer der wichtigsten deutsch-britischen Handelsbranchen. Sollte der britische Pkw-Markt im Jahr 2023 in Schwung kommen, wäre dies eine Trendwende. Die große Frage bei E-Autos sei, ob Großbritannien rechtzeitig ausreichend „Gigafactories“ (Fabriken, in denen Batterien für Elektrofahrzeuge und andere EV-Produkte in großen Mengen produziert werden) für die Herstellung von Batterien bauen könnte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Vera von Lieres

Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Elterngeld: Warum oft eine Steuernachzahlung droht
12.07.2025

Das Elterngeld soll junge Familien entlasten – doch am Jahresende folgt oft das böse Erwachen. Trotz Steuerfreiheit lauert ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto ersetzt Börse: Robinhood bietet Token-Anteile an OpenAI und SpaceX
12.07.2025

Die Handelsplattform Robinhood bringt tokenisierte Beteiligungen an OpenAI und SpaceX auf den Markt. Doch was wie ein Investment klingt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Meta-KI: Facebook-Mutter wirbt KI-Top-Talente von OpenAI ab – Altman schlägt Alarm
12.07.2025

Der KI-Krieg spitzt sich zu: Meta kauft sich Top-Talente, OpenAI wehrt sich mit Krisenurlaub – und Europa droht im Wettrennen um die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...