Unternehmen

Energiehilfen: Ernährungsindustrie kämpft mit hohen Barrieren

Lesezeit: 3 min
01.02.2023 09:00
Trotz Strom- und Gaspreisbremse tappt die Ernährungsindustrie bezüglich der Planungssicherheit im Dunkeln. Die Höhe der Entlastungen ist für viele unklar. Zusätzlich wird die Industrie vom Handel mit Forderungen unter Druck gesetzt.
Energiehilfen: Ernährungsindustrie kämpft mit hohen Barrieren
Obst und Gemüse liegt vor der Eröffnung der Grünen Woche in Holzsteigen. (Foto: dpa)
Foto: Fabian Sommer

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Mit Milliarden-Unterstützungen will die deutsche Bundesregierung der Masse der deutschen Industrie durch die Krise helfen und ihre Wettbewerbsfähigkeit garantieren. Nun ist offenbar vier Wochen nach Beginn der Preisbremsen für Strom und Gas, bei vielen Konsumgüterherstellern unklar, wie hoch die Entlastung am Ende tatsächlich aussieht. Auslöser sind die extremen bürokratischen Auflagen, an die die Zuschüsse gebunden sind.

Aufwendiges Prozedere bei Beantragung der Hilfen

Zur gleichen Zeit setzt der Handel mit seinem Aufruf nach Preissenkungen die Industrie unter Druck. Bei dieser Problematik treffen sich gleich zwei Schwerpunkte: Die Preisdeckel für die Energie und die zurückgehenden Tagespreise an der Börse. Ein Vertriebsmanager aus der Markenartikelindustrie macht es gegenüber der Lebensmittelzeitung deutlich: „Unser Job ist es nicht, möglichst günstig Gas einzukaufen, sondern die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Um die Produktion sicherzustellen, haben die Hersteller längerfristig laufende Verträge mit den Energielieferanten abgeschlossen und profitieren nun nicht unmittelbar von den seit dem Höhepunkt im August 2022 tendenziell rückläufigen Gaspreisen.“

Die Berechnungen für die Unternehmen scheinen sowieso sehr komplex zu sein. Branchenverbände monieren, dass das Prozedere, um die Hilfen in Anspruch zu nehmen, zu bürokratisch und aufwendig ist. Peter Feller, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung deutsche Ernährungsindustrie (BVE) verdeutlicht die Schwierigkeit: „Für Unternehmen mit einem Energieverbrauch von mehr als 1,5 Mio. kWh besteht ein erheblicher administrativer Aufwand und häufig das Erfordernis, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen.“

Analyse über kompletten Unternehmensverbund nötig

Nach Informationen von Brancheninsidern, befinden sich die internen Kontrollen bei den Herstellern in einer regen Dynamik. Die Unternehmen sind gezwungen die krisenbedingten Aufschläge für Energie im kompletten Unternehmensverbund auszumachen und zudem eine Analyse zu treffen, inwiefern sie wegen der Höhe des Gewinnrückgangs ein Recht auf Unterstützung besitzen. Dabei sind alle sonstigen Fördermittel anzurechnen, die der Staat wegen der extremen Erhöhung der Energiekosten bereitgestellt hat. Dazu kommen Richtlinien, beispielsweise zur Zahlung von Dividenden und Boni oder die Verpflichtung, ab einem gewissen Entlastungsbetrag Arbeitsplätze zu erhalten.

Energierechtsexpertin Yvonne Hanke von der Anwaltskanzlei Ritter Gent Collegen zufolge gilt: „Je komplexer die Unternehmensstruktur, desto höher sind die Anforderungen.“ Bei den Nachfragen an die Unternehmen verdeutlicht sich kein aufschlussreiches Bild. Nahrungsmittelkonzern Nestlé erklärt, dass man sich im Prozess der Prüfung des Gesetzes befinde. Die Oetker-Gruppe gibt ebenfalls keine klaren Angaben, da man diese noch nicht vollständig bewertet habe.

Eine Henkel-Sprecherin sagt, die Strom- und Gaspreisbremsen würden in der aktuellen Form wenig Entlastung für das Unternehmen bedeuten: „Bei internationalen Konzernen wie Henkel wird der größte Teil der Wertschöpfung außerhalb Deutschlands erbracht. Deshalb sind die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen für uns überschaubar.“ Gummibärchenhersteller Haribo erklärt, dass die Preisbremsen eine finanzielle Entlastung darstellen würden. Der Prozess, um von den Preisbremsen zu profitieren, sei jedoch aufwendig und fehlerbehaftet.

Gastronomieunternehmen sind besonders betroffen

Die Gaspreisbremse soll der Gesetzesvorgabe zufolge bis Dezember 2023 dauern und ist per Dekret verlängerbar bis April 2024. Firmen mit einem Gasverbrauch von mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden (kWh) jährlich bekommen einen Garantiepreis von 7 Ct/kWh für 70 Prozent ihrer ehemaligen Verbrauchsmenge. Im Fall Strom ist die Summe für Betriebe mit mehr als 30.000 kWh im Jahr gedeckelt auf 13 Ct/kWg – gleichfalls für 70 Prozent der vergangenen Menge. Bemessungsgrundlage für Strom und Gas ist der Verbrauch im Jahr 2021.

Genau dieser Punkt hat offensichtlich insbesondere auf die Ernährungsindustrie negative Auswirkungen, wie Hanke darlegt: „Für Unternehmen, die stark im Gastronomiegeschäft tätig sind, ist das Jahr 2021 besonders schlecht gelaufen.“ Entsprechend wenig Entlastung brächten den Gastrounternehmen nun die Preisbremsen.

Richtlinien zur Prognose des Ertrages eine große Hürde

Holger Eichele Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, erklärt, dass Firmen mit längerfristigen Gas- und Stromverträgen von der Problematik nicht so betroffen seien. Sie könnten durch Festpreisregelungen gut wirtschaften. Schwierigkeiten haben ihm zufolge Unternehmen, die ihren Bedarf an Spotmärkte gesichert hätten oder bei deren Verträgen im Herbst 2022 eine Verlängerung vor der Tür stand. Sie hätten die extremen Kostensteigerungen stark getroffen.

Experten zufolge sehen sich diese Unternehmen einem extremen Zeitdruck ausgesetzt, um den Melde- und Antragsfristen nachzukommen. Unternehmen, die einen Zuschuss von mehr als 150.000 Euro im Monat bekommen wollen, sollten bis zum 31. März 2023 den jeweiligen Energielieferanten kontaktieren.

Eine große Hürde sind dabei die Richtlinien zur Prognose des Ertrages, wie Sabine Eichner vom Deutschen Tiefkühlinstitut verdeutlicht: „ Da die Firmen den Gewinn für 2023 schätzen müssen, besteht das Risiko von Rückzahlungen. In der Praxis bedeutet es, dass Rückstellungen in der Bilanz gebildet werden müssen. Die Unternehmen haben also wieder keine Planungs- und Kalkulationssicherheit.“

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

 

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Industrien retten: Hubertus Heils Strategien gegen Konjunkturkrise und Arbeitsplatzverlust
23.12.2024

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht in der aktuellen Konjunkturkrise eine massive Gefahr für die industrielle Basis...

DWN
Panorama
Panorama Überraschender Kulturwandel: Liebe zum Bargeld schwindet immer mehr
23.12.2024

Es gleicht einem Erdbeben. Aber auch die Deutschen scheinen die Vorzüge von Plastikkarten beim Zahlen und einlaufen zu schätzen. das...

DWN
Finanzen
Finanzen Antizyklisches Investieren: Lässt sich damit der Markt schlagen?
23.12.2024

Wer antizyklisch investiert, macht das Gegenteil dessen, was die meisten Anleger tun. Ist dabei eine höhere Rendite zu erwarten als bei...

DWN
Politik
Politik Und noch ein europäischer Alleingang: Fico zu Gesprächen mit Putin im Kreml
23.12.2024

Der slowakische Regierungschef Fico zeigt mit einem Überraschungsbesuch im Kreml, dass die EU-Front gegen Russlands Präsidenten Putin...

DWN
Panorama
Panorama Amokfahrt von Magdeburg: Trauer, Entsetzen und offene Fragen halten Deutschland in Atem
22.12.2024

Fünf Menschen sind tot, 200 verletzt: Nach der folgenschweren Fahrt mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg stellt sich die...

DWN
Politik
Politik Donald Trump hofft: Elon Musk übernimmt (noch) nicht die US-Präsidentschaft
22.12.2024

Kritiker nennen den Tech-Milliardär süffisant «Präsident Musk». Donald Trump stellt klar, wer das Sagen hat - bestreitet aber auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Politik
Politik Steuern und Abgaben: Mehrheit der Steuerzahler zahlt 2025 noch mehr – mit oder ohne Ampel!
22.12.2024

Das „Entlastungspaket“ der Ampel ist eine Mogelpackung, denn Steuersenkungen sind nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Ab dem 1. Januar 2025...