Weltwirtschaft

Chinas Automarken erobern die Welt

Lesezeit: 5 min
04.02.2023 09:05  Aktualisiert: 04.02.2023 09:05
In den letzten Jahren sind die chinesischen Autoexporte massiv angestiegen. In wenigen Jahren wird China mehr Autos exportieren als der Rest der Welt zusammen.
Chinas Automarken erobern die Welt
Der Autohersteller NIO gehört zu den aufstrebenden Marken, die aus China in alle Welt exportieren. (Foto: dpa)

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Von Januar bis November letzten Jahres exportierte China nach Angaben der China Passenger Car Association mehr als 2,5 Millionen Autos - dreimal so viele wie noch im Jahr 2020 und fast so viele wie Deutschland, dessen Exporte in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sind.

Noch im Jahr 2017 war Deutschland der mit Abstand weltgrößte Exporteur von Pkw. In der Folge fielen die deutschen Exporte hinter die japanischen Exporte zurück, obwohl diese in den letzten Jahren ebenfalls stetig zurückgingen.

Chinas Exporte hingegen sind in den letzten zwei Jahren stark angestiegen. Im Jahr 2021 überholte China mit seinen Auto-Exporten die USA und im Jahr 2022 auch Südkorea, das nun auf dem vierten Rang liegt.

Nun ist China auf dem besten Weg, auch Deutschland zu überholen und zum zweitgrößten Exporteur von Personenkraftwagen der Welt aufzusteigen. Diese Neuordnung der globalen Automobilindustrie könnte neue Spannungen auslösen.

Bis zum Ende des Jahrzehnts will China 8 Millionen Pkw exportieren, zitiert Bloomberg Xu Haidong, den stellvertretenden Chefingenieur der staatlich unterstützten China Association of Automobile Manufacturers. Das wären mehr als dreimal so viel wie 2022.

Chinas Automarken erobern die Welt

Im Nahen Osten und in Lateinamerika sind chinesische Marken heute schon Marktführer. In Europa beliebt sind vor allem Elektromodelle von Tesla und von einst europäischen Marken wie Volvo, MG und Dacia, die sich heute in chinesischem Besitz befinden.

Das weltweit meistverkaufte Elektrofahrzeug von BMW iX3 wird ausschließlich in China produziert und nach Europa exportiert. Ein weiteres Beispiel ist der batteriebetriebene Volvo Polestar 2, den Volvo mit seiner Muttergesellschaft Zhejiang Geely produziert.

Eine ganze Reihe chinesischer Marken wie BYD und Nio sind ebenfalls auf dem Vormarsch und könnten bald die globale Auto-Welt dominieren. BYD wird von Warren Buffetts Berkshire Hathaway unterstützt und exportiert bereits Elektrofahrzeuge nach Australien.

Der Trend unterstreicht, dass China nicht mehr nur preiswerte elektronische Geräte, Haushaltsgeräte und Spielzeug herstellt, sondern längst auch komplexere und anspruchsvollere Produkte für wettbewerbsfähige, stark regulierte Märkte.

Der vom Growth Lab der Harvard University zusammengestellte Economic Complexity Index, der die Bandbreite der von einem Land exportierten Produkte analysiert, führt China auf Platz 17 der Weltrangliste. Noch vor zehn Jahren lag das Land auf Platz 24.

„Die Wettbewerbsintensität nimmt zu“, sagte der CEO von Mercedes-Benz, Ola Kallenius, im Oktober auf dem Pariser Autosalon. „Es ist die schönste Zeit, um in der Automobilbranche zu arbeiten, seit 1886“, als Carl Benz das erste Automobil auf den Markt brachte.

Der enorme Anstieg der chinesischen Autoexporte geschah weitgehend unbemerkt vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Die chinesischen Autohersteller haben sich dabei hauptsächlich auf Europa, Asien und Lateinamerika konzentriert.

Die USA waren zuletzt weniger attraktiv für Chinas Autobauer. Gründe dafür sind die politischen Spannungen zwischen den Staaten, die Fortsetzung der Zölle aus der Ära von Präsident Donald Trump und Subventionen für heimische Elektroautos in den USA.

Wie China zu einem führenden Autobauer wurde

Der Markteintritt in Europa ist schon seit Anfang des Jahrhunderts ein Ziel der chinesischen Autobauer. Doch eine Reihe von fehlgeschlagenen Sicherheitstests um das Jahr 2007 machte diese vorerst Hoffnungen zunichte.

„Ehrlich gesagt, dachte ich, das war's für immer“, sagt Jochen Siebert vom Beratungsunternehmen JSC Automotive in Singapur. Doch dank der zunehmenden Automatisierung und der daraus resultierenden Standardisierung sind diese Bedenken nun Geschichte.

Laut Goldman Sachs haben neue Autofabriken in China den höchsten Robotereinsatz der Welt. Im Zuge der Qualitätsverbesserung im letzten Jahrzehnt haben chinesische Autos die europäischen Sicherheitstests mit Bravour bestanden.

Chinas strenge Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung in dem Land haben ebenfalls dazu beigetragen, dass die meisten chinesischen Autos nun auch die strengen europäischen Abgasnormen erfüllen.

„Um mit den Chinesen zu konkurrieren, müssen wir vergleichbare Kostenstrukturen haben“, sagte Carlos Tavares, CEO von Stellantis, am 19. Dezember vor Reportern in einem Werk in Tremery in Nordfrankreich.

„Andernfalls wird Europa beschließen müssen, seine Grenzen zumindest teilweise für chinesische Konkurrenten zu schließen. Wenn Europa sich nicht in diese Lage bringen will, müssen wir härter an der Wettbewerbsfähigkeit dessen arbeiten, was wir tun.“

Doch der rasante Anstieg der Lieferungen von Elektrofahrzeugen aus China könnte laut Agatha Kratz, Direktorin bei der Rhodium Group, eine politische Gegenreaktion in der Europäischen Union hervorrufen.

„Zum Teil liegt es daran, dass die chinesischen Unternehmen besser werden, zum Teil aber auch an den Überkapazitäten in China“, sagt sie. „Das könnte in Europa eine wirklich starke Reaktion in Form von Protektionismus im Handel auslösen.“

Wer wird von China aus dem Markt gedrängt?

Nach Angaben von UN Comtrade lag der Durchschnittspreis eines aus China exportierten Pkw im Jahr 2021 mit rund 13.700 Dollar etwa bei einem Drittel des Preises eines deutschen Fahrzeugs und etwa 30 Prozent unter dem Preis eines japanischen Fahrzeugs.

China exportiert also vor allem relativ billige Autos. Das bedeutet, dass chinesische Autos am ehesten eine Bedrohung für billigere japanische und südkoreanische Modelle darstellen und noch nicht für die hochwertigeren deutschen Marken.

Nachdem sich China als verlässlicher Produktionsstandort für die großen Unternehmen der Branche bewährt hat, ist das Land nun ein Vorreiter bei Elektroautos, deren Motoren für Automobilhersteller aber weniger komplex und relativ leicht zu beherrschen sind.

„Der Motor ist kein Unterscheidungsmerkmal mehr“, sagt Alexander Klose, Executive Vice President für das Auslandsgeschäft beim chinesischen Autobauer Aiways Automobiles. „Technologisch gesehen wurden gleiche Voraussetzungen geschaffen“, sagt er.

Der politische Druck zur Senkung der CO2-Emissionen hat Peking dazu veranlasst, Hersteller und Käufer von E-Fahrzeugen zu subventionieren, während eine robuste heimische Lieferkette die Herstellung von E-Autos billiger gemacht hat als anderswo.

Das Tesla-Werk in Shanghai produzierte im vergangenen Jahr fast 711.000 Autos und trug damit 52 Prozent zur weltweiten Produktion des Unternehmens bei. Und chinesische Autobauer wie BYD, Nio und XPeng haben das Potenzial zum Global Player.

BYD, das seine eigenen Batterien und Chips herstellt, ist der größte chinesische Hersteller von Elektroautos. Das Unternehmen hat den Ehrgeiz, der Toyota unter den Elektroautos für die preisbewussten Käufer der Welt zu werden.

China schluckt die Konkurrenz

„Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir Chinesen sind, und die Europäer gewöhnen sich langsam an die Tatsache, dass Produkte aus China qualitativ hochwertig sind“, sagt Alan Visser, der globale Leiter von Lynk & Co, einer zu Geely gehörenden E-Auto-Marke.

Lynk & Co hat in Europa nach eigenen Angaben mehr als 180.000 registrierte Nutzer für seine Mietdienste. Geely hat laut eigenen Angaben im Jahr 2022 insgesamt 190.000 Fahrzeuge exportiert und strebt bis 2025 ein Ziel von 600.000 Fahrzeugen pro Jahr an.

Bis 2018, als Tesla die Erlaubnis erhielt, sein Werk in China vollständig zu besitzen, mussten ausländische Automobilhersteller Partnerschaften mit lokalen Unternehmen eingehen, um in China zu produzieren.

Während ausländische Unternehmen ihre fortschrittlichsten Technologien unter Verschluss hielten, wurden lokale Unternehmen wettbewerbsfähig, indem sie von ihren Partnern lernten und Marken wie Volvo und Lotus übernahmen.

Gao Yang, Direktorin für ausländische Investitionen im Handelsministerium, sagte, dass die chinesische Regierung die heimischen Autohersteller dazu ermutigen werde, weitere ausländische Unternehmen zu übernehmen.

Die schnell wachsende Inlandsnachfrage machte China 2009 zum größten Automarkt der Welt. Nur im Jahr 2018 ging der Inlandsabsatz zurück, gerade als die chinesischen Fahrzeuge auf den internationalen Märkten wettbewerbsfähig wurden.

Inzwischen stellen die chinesischen Autobauer fast alle Teile selbst her, darunter auch solche, die bis vor etwa zehn Jahren noch importiert werden mussten, wie hochfester Stahl und verstärktes Glasfasergewebe.

Infolgedessen erzielte China 2021 zum ersten Mal sogar einen Handelsüberschuss bei Fahrzeugen und Fahrzeugteilen. Die Fließbänder sind jedoch nach wie vor auf moderne Maschinen aus Japan und Deutschland angewiesen.


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