Die Sprengung der beiden Nord-Stream-Gaspipelines im September in der Ostsee war eine verdeckte Operation, die vom Weißen Haus angeordnet und von der CIA durchgeführt wurde. Dies sagt ein Bericht des berühmten US-Journalisten Seymour Hersh, der im Jahr 1970 für seine journalistische Arbeit im Vietnamkrieg mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde.
Seymour Hersh behauptet, dass US-Tiefseetaucher unter dem Deckmantel einer Nato-Militärübung Minen entlang der Pipelines platziert haben, die später ferngesteuert zur Explosion gebracht wurden. Einigkeit herrschte zunächst nur darüber, dass es sich nicht um einen Unfall, sondern um einen vorsätzlichen Anschlag handelte, aber nicht darüber, wer die Schuldigen sind.
Der 85-jährige Hersh hat unter anderem über den Massenmord an 500 Zivilisten in My Lai in Vietnam und die Folterung von Gefangenen im Abu-Ghraib-Gefängnis im Irak berichtete. Nun nennt er die USA erneut als Schuldigen. Er behauptet, dass die Operation gegen Nord Stream von US-Präsident Joe Biden angeordnet und der Angriff von der CIA in Zusammenarbeit mit Norwegen durchgeführt wurde.
In einem 5.000 Wörter umfassenden Bericht, der am Mittwoch auf der Online-Publikationsplattform Substack veröffentlicht wurde, schreibt Hersh, dass die Operation "unter dem Deckmantel einer weithin bekannten NATO-Übung im Hochsommer, bekannt als Baltic Operations 22 oder BALTOPS 22" getarnt war, die im Juni vor der deutschen Küste durchgeführt wurde.
Bidens Entscheidung, die Pipelines zu sabotieren, sei nach mehr als neun Monaten streng geheimer Planung innerhalb der US-Geheimdienste getroffen wurde. "Während eines Großteils dieser Zeit ging es nicht um die Frage, ob die Mission durchgeführt werden sollte, sondern wie sie durchgeführt werden konnte, ohne dass klar war, wer dafür verantwortlich war", schreibt Hersh.
Hersh zitiert eine anonyme Quelle "mit direkter Kenntnis der Einsatzplanung" und berichtet, dass Tiefseetaucher der US-Marine C4-Sprengstoff entlang der Pipeline platziert haben. Am 26. September soll dann ein P8-Überwachungsflugzeug der norwegischen Marine bei "einem scheinbar routinemäßigen Flug" eine Sonarboje abgeworfen haben, welche die Sprengung ausgelöst haben soll.
"Das Signal breitete sich unter Wasser aus, zunächst zu Nord Stream 2 und dann zu Nord Stream 1", schreibt Hersh. "Wenige Stunden später wurden die C4-Hochleistungssprengstoffe ausgelöst und drei der vier Pipelines außer Betrieb gesetzt. Innerhalb weniger Minuten konnte man sehen, wie sich Methangas, das in den stillgelegten Pipelines verblieben war, an der Wasseroberfläche ausbreitete, und die Welt erfuhr, dass etwas Unumkehrbares geschehen war."
Hersh merkt an, dass Biden und sein außenpolitisches Team, zu dem auch sein nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan, sein Staatssekretär Antony Blinken und die Staatssekretärin für politische Angelegenheiten Victoria Nuland gehören, sich gegen Nord Stream 2 ausgesprochen hatten, das Europa für Jahrzehnte an russisches Gas gebunden hätte.
Die anonyme Quelle von Hersh sagt, dass aufgrund der Drohung des US-Präsidenten, Nord Stream 2 "ein Ende zu setzen", die Zerstörung der Pipeline "nicht mehr als verdeckte Option angesehen werden kann, weil der Präsident gerade verkündet hat, dass wir wissen, wie wir es machen können".
"Der Plan, Nord Stream 1 und 2 zu sprengen, wurde plötzlich von einer verdeckten Operation, über die der Kongress informiert werden musste, zu einer hoch geheimen Geheimdienstoperation mit militärischer Unterstützung der USA herabgestuft", schreibt Hersh. In der Folge gab es seiner Quelle zufolge "keine rechtliche Verpflichtung mehr, den Kongress über die Operation zu informieren".
Hershs Bericht folgt auf die Behauptung des russischen Außenministers Sergej Lawrow von letzter Woche, der Angriff sei von Washington durchgeführt worden, um seine globale Vorherrschaft zu sichern. Moskau hatte zuvor Großbritannien beschuldigt, die Pipelines gesprengt zu haben, ohne jedoch Beweise zu liefern.
Letzte Woche enthüllte die britische Times, dass die deutschen Ermittler nach wie vor für Theorien offen sind, wonach ein westlicher Staat den Bombenanschlag verübt hat, um ihn Russland in die Schuhe zu schieben. Die Explosionen werden auch von Dänemark und Schweden untersucht. Einige westliche Beamte verdächtigten zunächst den Kreml, hielten sich jedoch mit einer formellen Anschuldigung zurück.
Nach dem Anschlag wies die US-Regierung Behauptungen über eine Beteiligung der USA an dem Anschlag zurück. "Die Vorstellung, dass die Vereinigten Staaten in irgendeiner Weise an der offensichtlichen Sabotage dieser Pipelines beteiligt waren, ist absurd. Sie ist nichts weiter als eine Funktion der russischen Desinformation und sollte als solche behandelt werden", erklärte das US-Außenministerium.