Angesichts des schwindenden Einflusses des Dollars und der Aufteilung der Welt in konkurrierende Währungs- und Wirtschaftsblöcke werden nach Ansicht des amerikanischen Großinvestors Ray Dalio in den kommenden Jahren vor allem die Länder prosperieren, die weniger anfällig für globale Konflikte sind. Auf seiner Liste stehen Mitglieder des Verbands Südostasiatischer Nationen wie Indonesien und Vietnam sowie Indien, aber auch einige Golfstaaten.
Warum Ray Dalio mexikanische Aktien empfiehlt
In Lateinamerika hält Dalio große Stücke auf Mexiko. Die Investoren-Legende wies in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Nikkei explizit auf Mexiko als attraktiven Zukunftsmarkt hin. „Die Produktion wird von China nach Mexiko verlagert, weil es dort billiger ist und sie leicht in die Vereinigten Staaten exportieren können“.
Der Gründer des 150 Milliarden Dollar schweren Hedgefonds Bridgewater Associates sagte, dass die derzeitige Weltordnung sich in einer Weise verändere, die auf sich eskalierende geopolitische Konflikte hindeuten. „Eine Untersuchung der vergangenen Kriege und der Logik zeigt, dass diejenigen, die an den Kriegen beteiligt waren, großen Schaden erlitten haben, während diejenigen, die nicht in die Kriege verwickelt waren, erfolgreich waren“, sagte er und erklärte, dass es den neutralen Ländern in der Regel besser ging als den Siegern.
„Trotzdem wird es immer schwieriger, neutral zu bleiben“, mein der Fondsmanager. Und dann existiere zudem das Problem des abnehmenden Einflusses des US-Dollars. „Die Ära einer vom Dollar dominierten Weltordnung und einer globalisierten Wirtschaft schwindet“, erläutert Dalio.
Er empfiehlt stattdessen, in Länder zu investieren, die über solide Finanzen verfügen, keine ernsthaften internen Konflikte haben, weniger anfällig für internationale Kriege sind und weiterhin eine dynamische Wirtschaft haben. „Diejenigen, die eine Globalisierung anstreben, werden jetzt über die Vereinigten Staaten, China und Europa hinausschauen“, meint Dalio. „Die Antiglobalisierung wird in den Großmächten und den mit ihnen verbündeten Ländern wahr sein“, aber neutrale Länder, die als „Zufluchtsorte für Globalisten“ dienen, werden großen Wohlstand erleben, sagte er. Mexiko sei ein Beispiel dafür.
Im Ausblick für 2021 von Dalios Hedgefonds Bridgewater Associates heißt es wörtlich: „Mexiko ist ein Land, das (in der Coronakrise, Anm.d.Red.) die volle Wucht einer rückläufigen Wirtschaft und des Liquiditätsentzugs zu spüren bekam und den Rückgang der Wirtschaft nicht durch fiskalische Stimulierung oder das Drucken von Geld ausgleichen konnte. Ausgaben, Einkommen und Importe brachen ein, und die fiskalischen und monetären Bilanzen blieben weitgehend unverändert. Infolgedessen wies ihre Leistungsbilanz einen großen Überschuss auf, während gleichzeitig ihre Währung und ihre Vermögenspreise fielen. Somit diskontieren ihr Wechselkurs und ihre Vermögenspreise jetzt implizit eine Fortsetzung der extremen Ströme, die sie geprägt haben, und die zusammengebrochenen Einkommens- und Ausgabenniveaus, die mit diesen Strömen in Einklang stehen. Alles, was in Richtung einer Normalisierung der Geld- und Kreditströme geht, würde zu einem Wirtschaftsszenario führen, das viel besser ist als das, was eingepreist wird, und gleichzeitig den Liquiditätsengpass abbauen, der das derzeitige Preisgefüge geprägt hat.“
Mexiko zählt zu den Schwellenländern der zweiten Generation, denen man einen ähnlich starken Aufschwung zutraute wie den BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China. Das für ein Schwellenland typische dynamische Wirtschaftswachstum fehlt aber zurzeit. Laut Financial Times erwarten lokale Analysten für 2023 nur ein Wachstum von 1,2 Prozent.
Als fortgeschrittenes Schwellenland war das geringe Wirtschaftswachstum der letzten vier Jahre eine kleine Enttäuschung. Nicht alles ist also rosig in Mexiko. Doch trotz zuletzt eher enttäuschender Wachstumsjahre ist Mexiko auf Rang 16 der größten Volkswirtschaften der Welt (Rang 13 nach Kaufkraftbereinigung), auch dank des regen Warenaustauschs mit den USA. In Lateinamerika ist Mexiko die zweitgrößte Wirtschaftsmacht hinter Brasilien. Mexiko ist aber nicht so bevölkerungsreich wie Brasilien und schneidet beim BIP pro Kopf wesentlich besser ab.
Mexiko und USA: Wirtschaftlich engstens verzahnt
Streckenpferd ist die Automobilbranche. In diesem Bereich ist Mexiko die viertgrößte Exportnation der Welt. Jedes zweite gefertigte Fahrzeug wird ins Ausland verkauft. Viele große Autohersteller lassen heute in Mexiko produzieren, darunter Nissan. Volkswagen, Daimler und General Motors. Nun plant auch Tesla den Bau einer 5 Milliarden Dollar teuren Fabrik in Nordmexiko.
Das Land hat mit einem Median von 29,4 eine relativ junge Alterstruktur. Das Lohnniveau ist im internationalen Vergleich günstig und von Mexiko aus ist man nicht weit vom wichtigen US-Markt entfernt. Mexiko kristallisiert sich als eines der Länder heraus, das vom “Nearshoring“-Trend profitiert. Der Verlagerung von Lieferketten für kritische Märkte wie den USA weg von China und hin zu näheren Regionen.
„Nearshoring ist Mexikos beste Wachstumschance für die nächsten zehn Jahre und findet bereits statt“, sagte Carlos Capistran, Leiter der Wirtschaftsabteilung für Kanada und Mexiko bei der Bank of America in einer Erklärung. „Mexikos geografische Lage, die Fragmentierung der globalen Lieferketten und die anhaltende Umkehrung des China-Handelsschocks Anfang der 2000er Jahre machen es zu einem natürlichen Kandidaten für Unternehmen, die ihre Produktion verlagern, um den US-Markt zu bedienen.“
Mexiko investiert seit Jahren große Summen in die Infrastruktur, was sich nun zunehmend auszahlt. Die Zusage der Regierung, in den nächsten Jahren 44 Milliarden von Dollar in die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur zu investieren, dürfte das Land zu einem noch attraktiveren Standort für zukünftige Investitionen der Privatwirtschaft – insbesondere der verarbeitenden Industrie – machen. Bei einer geringen Staatsverschuldung von 40 Prozent des BIP kann man sich eine solche Fiskalpolitik auch noch auf längere Zeit leisten.
Knapp 80 Prozent der mexikanischen Exporte (Stand 2022 umgerechnet rund 400 Milliarden Dollar an Güterwert) landen aktuell in den USA. Mexiko selbst ist wiederum der zweitgrößte Käufer von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus den Vereinigten Staaten. Mexiko ist Teil des Freihandelsabkommens USMCA mit den USA und Kanada.
Die Abhängigkeit von den USA kann auch zu einem Problem werden. In den letzten Jahren hat Mexiko immerhin bereits mehrere Freihandelsabkommen mit europäischen und asiatischen Ländern abgeschlossen. Für internationale Konzerne ist der Wirtschaftsraum sehr attraktiv, weshalb die Handelsaktivitäten weiter florieren dürften und die extreme US-Dominanz im Außenhandel mittel- bis langfristig ein Ende finden sollte.
Mexikos Aktienmarkt bietet einige Geheimtipps
Wie kann man als Privatanleger in Mexiko investieren? Das ist einfacher als in den meisten anderen Schwellenländern. Mexiko hat nämlich einen gut entwickelten Kapitalmarkt. Die Mexikanische Börse „Bolsa Mexicana de Valores“ (kurz BMV) ist die zweitgrößte in Südamerika und unter den vielen kleineren Börsen eine der wichtigsten der Welt.
Kaum jemand kennt etablierte Mexiko-Aktien wie zum Beispiel den Getränkehersteller „Fomento Económico Mexicano“. Das Telekommunikationsunternehmen „América Móvil“ profitiert von der Kommunikationsfreudigkeit der Südamerikaner. Einer der weltweit führenden Konzerne im Bereich Baustoffe ist der mexikanische Zementhersteller „Cemex“. Nur um ein paar Beispiele zu nennen.
Die mexikanische Börse ermöglicht neben dem Handeln heimischer Aktien beispielsweise auch günstige Investitionen in zahlreiche US-Aktien über ADRs in mexikanischen Peso. Mit Indexfonds von Anbietern wie iShares und DWS können Anleger auch breit gestreut auf den mexikanischen Markt setzen. Orientierung für die Performance mexikanischer Aktien bietet der Leitindex IPC, der in den letzten fünf Jahren solide abgeschnitten hat.
Wer möchte, kann natürlich auch auf einen Wertzuwachs des mexikanischen Peso spekulieren. Ob das auf einem Fünfjahreshoch eine gute Idee ist, muss natürlich hinterfragt werden. Hohe Zinsen von über 10 Prozent machten den Peso zum US-Dollar zwischenzeitlich so teuer wie seit Frühjahr 2018 nicht mehr. Aktuell bekommt man 18,8 Peso für einen Dollar.
„Mittelfristig sehen wir einen starken Peso“ sagte Gabriel Casillas, Leiter des Bereichs Latin America Economics bei Barclays gegenüber der Financial Times. „Innerhalb Lateinamerikas sieht Mexiko in fast jeder Hinsicht sehr gut aus.“
Die Tücken der Emerging Markets
Investitionen in einzelne Schwellenländer sind eine heikle Angelegenheit, die sich oftmals nicht so entwickelt, wie man sich das vorgestellt hat. Die große Zeit der BRICS-Staaten wurde schon 2008 ausgerufen und dennoch war das Geld in den US-Börsen deutlich besser angelegt. Konzerne in den USA profitieren in unserer globalisierten Wirtschaft auch enorm vom Wachstum in den Schwellenländern.
Schwellenland-Indizes liefen in den meisten Zeiträumen schwächer als die Börsen der Industrienationen. Zudem wird, wenn die Finanzmärkte kriseln, Geld aus den Emerging Markets abgezogen und in solchen Fällen sinken deren Aktienmärkte in der Regel überproportional zum US-Markt. Das kann sich natürlich ändern. Die Welt steht vor einem wirtschaftlichen Paradigmenwechsel, der die globale Verteilung der Marktkapitalisierung signifikant ändern kann.
Mit Einzelaktien erhöht sich die Chance auf Outperformance, aber auch das Risiko nach unten. Wenn man Dalios Thesen zustimmt und auf Mexiko setzen will, ist man vielleicht ohnehin besser damit beraten, diejenigen US-Aktien zu kaufen, die vom Aufstieg Mexikos am meisten profitieren werden. Dann muss man aber auch bedenken, dass Mexiko massiv an der US-Wirtschaft hängt und es bis zu einem gewissen Grad immer so bleiben wird.
Wenn das dynamische Wirtschaftswachstum in Zukunft vor allem in Südostasien stattfindet, was auch Dalio glaubt, sollte man vielleicht eher in den dortigen Börsen auf Einzelwerte oder Indizes setzen. Hier hängt man jedoch am stark politisch geprägten chinesischen Aktienmarkt, was gerade in der jüngeren Vergangenheit ein Problem war.