Finanzen

Drohende Bankenkrise: Westliche Notenbanken lancieren Dollar-Notversorgung

Die Notfall-Übernahme der Credit Suisse kann die Nervosität an den Finanzmärkten nicht lindern - im Gegenteil. Große westliche Zentralbanken schwemmen das System wieder mit Liquidität.
20.03.2023 09:00
Aktualisiert: 20.03.2023 09:20
Lesezeit: 3 min
Drohende Bankenkrise: Westliche Notenbanken lancieren Dollar-Notversorgung
Droht eine neue Bankenkrise? Ein Passant geht an Kursanzeigen vorbei. (Foto: dpa) Foto: Adi Weda

Angesichts der schweren Spannungen im Finanzsystem greifen die großen westlichen Notenbanken ein. Die Bank of England, die Europäische Zentralbank (EZB), die US-Notenbank Federal Reserve System, Japans Zentralbank, die Schweizerische Nationalbank und die kanadische Zentralbank kündigten am Sonntag eine Aktion zur Stärkung der Liquiditätsversorgung via bestehender US-Dollar-Swapabkommen an.

Wende in der Geldpolitik

Solche Dollar-Swap-Vereinbarungen wurden während der letzten Finanzkrise und während der Corona-Pandemie aufgelegt. Sie sind eine Reaktion auf massiven Stress im globalen Bankensystem. Die Swapgeschäfte sollen die Finanzmärkte und insbesondere den Interbankenhandel mit genug Dollar-Liquidität versorgen.

Um die Effektivität der Swap-Linien bei der Bereitstellung von US-Dollar-Refinanzierung zu verbessern, haben sich die Zentralbanken darauf geeinigt, die Häufigkeit von Geschäften mit 7-tägiger Laufzeit von wöchentlich auf täglich zu erhöhen. Dieser tägliche Betrieb beginnt am Montag, den 20. März 2023 und wird einer Pressemitteilung der Federal Reserve zufolge mindestens bis Ende April andauern.

Das Netzwerk von Swap-Linien zwischen diesen Zentralbanken basiert auf einer Reihe verfügbarer ständiger Fazilitäten und dient als wichtiger Liquiditäts-Notfallmechanismus, um Spannungen auf den globalen Finanzierungsmärkten zu mindern und so dazu beizutragen, die Auswirkungen solcher Spannungen auf die Kreditversorgung von Haushalten und Unternehmen abzumildern.

Das erweiterte Fenster für Dollar-Kredite der EZB ist am Montag bislang jedoch kaum in Anspruch genommen worden. Nur ein Finanzinstitut aus dem Währungsraum sicherte sich fünf Millionen Dollar, wie aus Daten der EZB am Montag hervorging.

Die derzeitigen Turbulenzen im Bankensektor gehen mit einem erhöhten Bedarf an Liquidität einher. In der vergangenen Woche haben die US-Banken eine Rekordsumme an kurzfristigen Krediten bei ihrer Notenbank Federal Reserve ausgeliehen. Die über das sogenannte Diskont-Fenster ausgeliehene Summe übertraf mit rund 153 Milliarden Dollar sogar den bisherigen Höchstwert aus der weltweiten Finanzkrise 2008.

Hinzu kamen unter anderem Gelder über das neue Bank Term Funding Program (BTFP) der Federal Reserve, das nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) eingerichtet wurde. Im Rahmen des BTFP wurden bereits hunderte Milliarden Dollar abgerufen, weshalb die Bilanzsumme der US-Zentralbank wieder deutlich steigt.

CS und UBS mit massiven Kursverlusten

Die Anleger steigen nach der Übernahme der Credit Suisse im großen Stil bei der Bank aus. Die Titel der Schweizer Großbank sackten am Montag im frühen Handel um 63 Prozent auf 0,68 Franken ab - unter den von der UBS bezahlten Kaufpreis von 0,76 Franken. Die Anteile der UBS brachen 13 Prozent auf 14,92 Franken ein. Europaweit rutschten Titel von Finanzdienstleistern und Versicherern zum Teil tief ins Minus. Der europäische Bankenindex fiel um 5,3 Prozent und der Index der Versicherer um 3,3 Prozent.

Die UBS übernimmt in einer Rettungsaktion die schwer angeschlagene Credit Suisse für drei Milliarden Franken. Zusätzlich steht die UBS für Verluste von bis zu fünf Milliarden Franken gerade. Die Schweizerische Nationalbank und die Regierung unterstützen den Deal mit Liquiditätshilfen in dreistelliger Milliardenhöhe.

Deutsche Banken unter Druck

Die Furcht vor weltweiten Ansteckungseffekten durch die Turbulenzen um die Schweizer Großbank Credit Suisse sorgt weiterhin für Nervosität unter Spekulanten und Finanzmarktteilnehmern.

Die Unruhe belastet auch die Aktienkurse der Deutschen Bank und der Commerzbank. Die Aktien der beiden Frankfurter Institute fallen im Geschäft von Lang & Schwarz um knapp vier beziehungsweise gut fünf Prozent, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Montagmorgen berichtet.

Die entscheidende Frage sei, ob die Rettungsmaßnahmen ausreichten, um den massenhaften Abzug von Kundengeldern zu stoppen, sagte Damien Boey, Chef-Anlagestratege der Investmentbank Barrenjoey. „Die Antwort ist noch nicht eindeutig.“

Asiens Börsen in Rot

Die wichtigsten asiatischen Börsen haben am Montag überwiegend nachgegeben. Die Übernahme der Credit Suisse und die Notfall-Maßnahmen der Notenbanken zur Liquiditätsversorgung des Finanzsystems konnten gegen die Ängste vor einer möglichen Bankenkrise nur wenig ausrichten. Allerdings hielten sich die Verluste in Grenzen, nachdem es bereits in der vergangenen Woche deutlich bergab gegangen war.

Der japanische Nikkei 225 schloss am Montag 1,42 Prozent tiefer bei 26 945,67 Punkten. Ähnlich sah es beim australischen S&P ASX 200 aus, der sich 1,38 Prozent im Minus mit 6898,50 Punkten aus dem Handel verabschiedete. Für den Hang-Seng-Index der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong, wo auch ausländische Anleger handeln dürfen, ging es zuletzt sogar um 3,37 Prozent auf 18 861,23 Punkte bergab. Die Stimmung für die Banken bleibt weiterhin angeschlagen: Die in Hongkong notierten Aktien der Großbank HSBC büßten über 6,5 Prozent ein.

Vergleichsweise gut behauptete sich indes der CSI-300-Index mit den 300 wichtigsten Werten der Handelsplätze Schanghai und Schenzhen, der schon zuletzt weniger als die anderen Indizes verloren hatte. Er gab lediglich um 0,50 Prozent auf 3938,89 Zähler nach. Das Börsenbarometer profitierte davon, dass die chinesische Notenbank am Freitag überraschend den Mindestreservesatz für heimische Banken gesenkt hatte.

Die chinesische Zentralbank hatte sich in den vergangenen Jahren nicht (beziehungsweise nur in Ansätzen) an der von westlichen Pendants verfolgten ultralockeren Geldpolitik beteiligt und mehrfach vor den Gefahren einer zu langen Nullzinsphase gewarnt. Die Absenkung des Mindestreservesatzes angesichts einer nach wie vor niedrigen Inflation im Land zeigt, dass das chinesische Finanzsystem bislang nur peripher von der gegenwärtigen Krise im westlichen Finanzsystem betroffen ist.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Börse aktuell: DAX-Kurs unter Druck nach US-Angriff auf den Iran, Ölpreise steigen
23.06.2025

Die Börse steht unter Druck: Nach dem überraschenden US-Angriff auf iranische Atomanlagen herrscht Verunsicherung an den Aktienmärkten....

DWN
Finanzen
Finanzen Bankgeschäfte im Wandel: Online-Banking auf dem Vormarsch – auch bei Älteren
23.06.2025

Digitale Bankgeschäfte sind längst keine Domäne der Jüngeren mehr. In Deutschland steigt die Nutzung von Online-Banking quer durch alle...

DWN
Panorama
Panorama Israel Iran Konflikt: Trump signalisiert Unterstützung für Machtwechsel im Iran
23.06.2025

US-Präsident Donald Trump deutet nach den Bombardierungen der Atomanlagen im Iran durch das US-Militär Unterstützung für einen Wechsel...

DWN
Technologie
Technologie Mensch und Maschine: Die Zukunft der Cyberabwehr
23.06.2025

Cyberangriffe werden raffinierter, herkömmliche Schutzmechanismen reichen nicht mehr aus. Moderne Sicherheitszentren setzen daher auf eine...

DWN
Immobilien
Immobilien Miete bald unbezahlbar? Mehr als die Hälfte des Gehalts für die Miete
23.06.2025

Als Mieter müssen viele Menschen mittlerweile mehr als die Hälfte ihres Einkommens für ihre Bleibe bezahlen. Wie eine repräsentative...

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrpflicht in Deutschland: Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
22.06.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stellenabbau: Deutsche Industrie verliert in nur einem Jahr 100.000 Arbeitsplätze
22.06.2025

Die desaströse Wirtschaftspolitik der letzten Jahre führt in der Konsequenz zu immer mehr Stellenabbau in der deutschen Industrie. Vor...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliardenschwere Anleger schwenken um: Keine Rezession in Sicht
22.06.2025

Milliardenschwere Fondsmanager halten eine globale Rezession inzwischen für höchst unwahrscheinlich. Dennoch dominieren Unsicherheit und...