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Berliner Verkehrsbetriebe und E-Bus-Hersteller stöhnen unter der Last des Krieges

Der E-Bus-Markt ist gerade in den vergangenen fünf Jahren etwas ins Laufen gekommen. Doch jetzt macht der Ukraine-Krieg und der Chipmangel den Verantwortlichen in Deutschland einen Strich durch die Rechnung. MAN hat sich deswegen sogar etwas ganz Besonderes einfallen lassen.
06.04.2023 15:19
Aktualisiert: 06.04.2023 15:19
Lesezeit: 3 min

Ende 2021 waren die Vertreter der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und des Landes Berlin noch guten Mutes: Die Betreiber der öffentlichen Verkehrsmittel in der deutschen Hauptstadt kündigten den Kauf von 90 weiteren E-Bussen an. Drei Tage vor Weihnachten erteilten sie dem niederländischen Hersteller Ebusco den Zuschlag für den Auftrag. Berlin stellte dafür insgesamt 65 Millionen Euro bereit – und die Lieferung sollte spätestens ein Jahr später abgeschlossen sein. Der ehrgeizige Plan sah vor, dass zu diesem Zeitpunkt auf Berlins Straßen insgesamt 228 Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb kursieren.

Berlin wartet noch immer auf neue E-Busse

Doch dann brach ein paar Wochen später der Krieg in der Ukraine aus – und brachte das gesamte Gleichgewicht der Wirtschaft durcheinander, das international eng verflochten ist. Das Ergebnis: Die BVG hat bisher ihre Pläne nicht einhalten können und hinkt mit dem Aufstocken seiner E-Bus-Flotte weit hinterher. „Wir haben aktuell rund 160 E-Busse im Einsatz“, sagte BVG-Sprecher Jannes Schwentu den Deutschen Wirtschafts Nachrichten (DWN). „Davon stammen 18 von Ebusco“, so der Vertreter der BVG. „Diese Zahl steigt derzeit sehr schnell – fast täglich – und wird auf insgesamt 90 steigen“, sagte Schwentu.

Hintergrund: Demnach warten die Berliner noch auf 72 weitere Fahrzeuge des Modells Ebusco 2.2, das insgesamt 65 Fahrgästen Platz bietet, davon 32 Sitzplätze. Den ersten Bus hatten die Berliner Ende August 2022 präsentiert – und so sollte es dann eigentlich auch weitergehen. Doch sind die Niederländer durch den Krieg einfach nicht in der Lage gewesen, ihren Auftrag rechtzeitig zu erfüllen.

„Grund waren vor allem Probleme in der Lieferkette. Zum Beispiel die überall bekannten Chip-Engpässe, ein Brand im Werk eines Komponentenzulieferers, diverse Lockdowns in Zulieferländern und nicht zuletzt auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine“, erklärte Schwentu. „Am Ende fehlten dadurch wichtige Teile, um die Fahrzeuge fertigzustellen und durch die BVG abnehmen zu können. Wir waren allerdings die ganze Zeit in engem Austausch mit Ebusco sowie dem Zulieferbetrieb und haben unterstützt, wo wir konnten“, sagte der Sprecher.

Diese Verzögerung ist umso unangenehmer, weil sich gerade Berlin ein sehr ehrgeiziges Ziel gesetzt hat. Die Stadt will in den kommenden sieben Jahren bis 2030 seine gesamte Flotte elektrifizieren, die schätzungsweise einen Gesamtbestand von rund 1.500 hat. Demzufolge beträgt der Anteil der E-Busse nur 15 Prozent, selbst wenn alle bestellten Ebusco-Fahrzeuge in Betrieb wären. Doch auch andere Hersteller haben ähnliche Probleme – beispielsweise MAN, das den Lion's City E baut, der bereits in vielen Städte auf dem Kontinent fährt.

MAN will mit Task Force die Lieferketten sichern

„Nur wenn die benötigten Teile wie Halbleiter verfügbar sind, kann die Produktion reibungslos laufen“, sagte auch Sebastian Lindner, der Sprecher des Unternehmens. „Hier kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Beeinträchtigungen. Hier arbeitet eine Task-Force mit Hochdruck daran, die Lieferketten so gut es geht, zu sichern“, so der Firmenvertreter.

Diese Verzögerungen durch den Krieg sind auch deswegen so unangenehm, weil der Markt für E-Busse in Deutschland gerade ins Laufen kommt. So hat die Elektrifizierung der Fahrzeuge in Deutschland in den vergangenen Jahren einen enormen Sprung gemacht, auch wenn dieses Segment für den gesamten Verkehr immer noch relativ unbedeutend ist. Das lässt sich aus dem aktuellen E-Bus-Radar der Consulting PricewaterhouseCoopers (PWC) ablesen:

Genau 1.884 Busse mit emissionsfreien, elektrifizierten Antrieben fuhren im Jahr 2022 auf Deutschlands Straßen – 620 mehr als 2021. Das entspricht einem Zuwachs von fast 50 Prozent. Die Marke von 2.000 Fahrzeugen wird damit bald erreicht. Zwischen 2017 und 2021 wuchs die Anzahl jährlich neu angeschaffter Busse sogar exponentiell: von 10 auf 586 Busse. Damit beträgt der Anteil der E-Busse jetzt 3,5 Prozent. Ein weiteres Problem: Es gibt nur eine verhältnismäßig wenig ausgebaute Infrastruktur für Ladeplätze. Außerdem kostet der E-Bus im Vergleich zum Diesel ungefähr doppelt so viel – in Abhängigkeit von der Ausstattung.

E-Bus kann höhere Anschaffungskosten ausgleichen

Experten gehen aber davon aus, dass die sogenannte Total Cost of Ownership (TCO) entscheidend ist, die die Gesamtkosten eines Fahrzeuges während dessen Nutzung beschreibt. Bei der Betrachtung der TCO zählen nicht nur die Kosten des ursprünglichen Kaufs, sondern auch die Gesamtkosten des Produkts oder Service über den kompletten Nutzungszeitraum hinweg.

„Hierbei gibt es Einflussgrößen wie zum die für die Zukunft anzunehmenden geringeren Stromkosten im Vergleich zum Diesel und die niedrigeren Kosten für Wartung sowie Verschleiß“, erklärte Lindner von MAN.

„Insgesamt gehen wir davon aus, dass unser Elektrobus im Vergleich zum konventionell angetriebenen MAN-Stadtbus in Sachen TCO in den kommenden Jahren gleichziehen kann“, so der Sprecher. „Unser Ziel ist aber ganz klar, noch deutlich mehr Elektrobusse auf die Straße zu bringen: Bis 2025 wird die Hälfte der neuen MAN-Stadtbusse lokal emissionsfrei angetrieben sein. Und wir gehen davon aus, dass nur fünf Jahre später 90 Prozent der MAN-Busse mit Batterieantrieb ausgeliefert werden“, bleibt Lindner trotz aller Probleme optimistisch.

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