Deutschland

Nach AKW-Aus: Industrie dringt auf neue Gaskraftwerke

Die deutsche Industrie fordert angesichts der Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke auf eine schnelleren Ausbau des Ökostroms und neue Gaskraftwerke.
14.04.2023 12:43
Aktualisiert: 14.04.2023 12:43
Lesezeit: 2 min

"Die Abschaltung der Kernkraftwerke verknappt schlagartig das Angebot auf dem Strommarkt, während der Zubau neuer Kapazitäten nach wie vor zu langsam verläuft", sagte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Tanja Gönner, am Freitag. Man brauche daher mehr Ökostrom, aber auch schnell neue wasserstofffähige Gaskraftwerke. Im kommenden Winter werde man zunächst auf mehr fossile Energie und Atomstrom aus Nachbarländern angewiesen sein.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) und Umweltgruppen wie der WWF nannten den Atomausstieg dagegen überfällig. Atomstrom habe selbst in den Wintermonaten Januar und Februar nur vier Prozent zur Versorgung beigetragen und könne ersetzt werden.

Die letzten drei deutschen Reaktoren Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland gehen am Freitagabend beziehungsweise Samstag vom Netz. Eigentlich war das Aus bereits für Ende 2022 festgelegt, wurde aber im Zuge der Energiekrise durch den Ukraine-Krieg per Machtwort von Kanzler Olaf Scholz (SPD) um dreieinhalb Monate aufgeschoben. Union aber auch die Ampel-Partei FDP hatten sich für noch längere Laufzeiten oder zumindest eine AKW-Reserve eingesetzt.

Der BDI sprach trotz des jüngsten Preis-Rückgangs von exorbitant hohen Stromkosten. Die staatlichen Preisbremsen kämen bei vielen Unternehmen nicht an. An der Börse sei Strom immer noch dreimal so teuer wie im Schnitt des vergangenen Jahrzehnts.

Als Problem bei der Versorgung gilt, dass verlässliche Stromlieferanten wie jetzt AKW und Zug um Zug auch Kohlemeiler abgeschaltet werden sollen. Dafür will das Wirtschaftsministerium neben dem schnellen Ausbau von Wind- und Solarstrom auch Gas-Kraftwerke ausschreiben, die später mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden können. Staatliche Förderung der Investitionen ist nötig, da die Anlagen nur für kurze Zeiträume im Einsatz sein sollen, etwa bei Dunkelheit mit Windstille. Wirtschaftsminister Robert Habeck will noch in diesem Jahr die Ausschreibung für die Anlagen starten nachdem die EU die Genehmigung gegeben hat.

Der Ökostrom-Verband BEE forderte aber in erster Linie eine Konzentration auf die günstige Wind- und Solarenergie. Billig sei Atomenergie zudem nie gewesen: "Deutschland steigt nicht nur aus der gefährlichsten, sondern auch aus einer der teuersten Energieerzeugungsarten aus", sagte BEE-Chefin Simone Peter. "Allein die Gestehungskosten von Atomstrom liegen mittlerweile mehr als doppelt so hoch wie die des Erneuerbaren-Energien-Mixes. Von den Folgekosten für Endlagerung und Rückbau ganz zu schweigen."

Der Umweltverband WWF sprach von einem historischen Schritt nach mehr als 60 Jahren Atomkraft. "Alle Kraft muss jetzt in den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Elektrifizierung in vielen Anwendungsbereichen fließen, damit Deutschlands Strom bis zum Jahr 2030 zu 80 Prozent und bis 2035 zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien stammt", sagte WWF-Expertin Viviane Raddatz. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Offene Immobilienfonds in Schockstarre: Anleger ziehen Milliarden ab - wie geht es weiter?
13.03.2025

Aktuelle Daten zeigen, dass Anleger Summen in Milliardenhöhe aus offenen Immobilienfonds abziehen. Januar war der schlimmste Monat seit...

DWN
Finanzen
Finanzen Fast 3000 Dollar: Goldpreis erreicht neuen Höchststand
13.03.2025

Zölle, Gegenzölle, Strafzölle: Der von den USA entfachte Handelsstreit treibt Anleger zum Gold als sicheren Hafen. Seit dem Amtsantritt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Volkswagen-Absatzrekord: VW verkauft mehr Currywürste als Autos
13.03.2025

Vegan war gestern: Sie ist seit Jahren das meistverkaufte Produkt der Marke Volkswagen: die VW-Currywurst. Und während der Autoabsatz...

DWN
Politik
Politik AfD scheitert mit Klage gegen geplante Änderung des Grundgesetzes - Linke stimmen auch dagegen
13.03.2025

Die AfD ist mit dem Versuch gescheitert, die Sondersitzung des Bundestags mit den Beratungen über eine Änderung des Grundgesetzes zu...

DWN
Politik
Politik US-Regierung droht Shutdown – Schumer warnt vor parteipolitischer Blockade
13.03.2025

Der US-Senat steht vor einer wegweisenden Abstimmung, die das Risiko eines Regierungsstillstands birgt. Laut dem Minderheitsführer der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mietpreisbremse: Wie Conny Mieter-Ansprüche juristisch gegen Eigentümer durchsetzt
13.03.2025

Was einst schon einmal dem Start-up Flightright GmbH bei Flugreisen geglückt ist, nämlich für Verbraucher bei Airlines Entschädigungen...

DWN
Panorama
Panorama Ukraine-Krieg: Moskau meldet die Befreiung der Stadt Sudscha im Gebiet Kursk
13.03.2025

Moskaus Streitkräfte haben nach eigenen Angaben die seit sieben Monaten von ukrainischen Truppen besetzte Kleinstadt Sudscha im...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rheinmetall rüstet auf: Rüstungskonzern plant Aufstockung auf 40.000 Mitarbeiter
13.03.2025

Das Waffengeschäft boomt und damit Deutschlands größter Rüstungskonzern Rheinmetall: Die Auftragsbücher sind so voll wie nie. Der...