Malaysia, Thailand und Vietnam werden von der deutschen Politik gerne als attraktive Alternativen zu China genannt. Wenn man aber die wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen in diesen Ländern genauer analysiert, stellt sich die Lage viel differenzierter dar. Fraglich bleibt auch, ob die Hoffnung des Westens realistisch ist, diese südostasiatischen Länder als politisches Gegengewicht zu China aufbauen zu können.
Die Enttäuschung im Weißen Haus war groß. Zum geplanten Gipfel mit den Staaten des südostasiatischen Staatenbündnisses ASEAN hatten gleich vier Staatschefs wegen angeblicher Terminschwierigkeiten abgesagt. Zwar konnte das Treffen später nachgeholt werden, aber auch hier erfüllten sich die Erwartungen der Amerikaner nicht.
So blieb eine gemeinsame Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine weitgehend aus und von den zehn Mitgliedsstaaten der ASEAN schloss sich nur Singapur den Sanktionen des Westens aus. Dabei dürften weniger die Beziehungen der Länder zu Russland, dessen Einfluss in der Region eher begrenzt ist, eine Rolle gespielt haben. Viel wichtiger war für sie die Position Chinas, das als Hauptschuldigen für den Ausbruch des Krieges die USA und die Expansion der NATO sieht.
Malaysia
Malaysia zählt zu den führenden Produzenten von Elektrotechnik in der Welt und auch als Standort für Chemie, Maschinenbau und Automobilzulieferer gewinnt es immer mehr an Bedeutung. Für 2023 wird ein Wirtschaftswachstum von gut 4 Prozent erwartet. Ausländische Direktinvestitionen haben in den vergangenen Jahren erheblich zum Wachstum beigetragen.
Sashirao Appanah, Deputy Director der staatlichen malaysischen Investitionsagentur MIDA für Mitteleuropa: „Besonders die Branchen Elektronik, Chemie, Maschinenbau und Automotive bieten attraktive Investitionsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen.“
Insgesamt hat Malaysia als Ziel für westliche Investitionen an Attraktivität gewonnen, doch wirtschaftlich hat China eine viel größere Bedeutung. China ist der wichtigste Handelspartner.
Einfach ausgedrückt: Wenn China Fieber hat, bekommt Malaysia eine Grippe. Der neue Premierminister Anwar Ibrahim hat dies erkannt und einer seiner ersten Auslandsbesuche führte ihn nach Peking. Darüber hinaus schenkt die neue Regierung auch der Kooperation mit den Nachbarstaaten in Südostasien mehr Aufmerksamkeit. Deutschland und die EU spielen für die Malaysier nur die zweite Geige.
Deutsche Investitionen sind in Malaysia grundsätzlich willkommen, aber deutschen Firmen wird dort keine Vorzugsbehandlung zuteil. Und auch als Absatzmarkt für deutsche Waren ist das südostasiatische Land nur bedingt interessant. Zwar wuchs der deutsch-malaysische Handel 2022 deutlich, aber Deutschland steht nur für knapp 3 Prozent des malaysischen Außenhandels. Zudem liefert Malaysia doppelt so viele Waren nach Deutschland, wie es von dort erhält. Zugleich ist der malaysische Markt mit 34 Millionen Konsumenten im asiatischen Maßstab eher klein.
Und noch ein weiterer Faktor macht deutlich, dass mit verstärkter wirtschaftlicher Kooperation mit Malaysia die chinesische Dominanz in Asien kaum reduziert werden kann: Das Wirtschaftsleben des Landes wird überwiegend von der chinesischen Minderheit beherrscht, die über sehr enge private und geschäftliche Verbindungen zum Mutterland verfügt.
Thailand
Ein weiterer Hoffnungsträger in Südostasien ist Thailand. Gerne wird von deutscher Seite auf die traditionell guten Beziehungen zum „Land des Lächelns“ verwiesen. Nicht so gerne spricht die deutsche Politik darüber, dass Thailand keine Demokratie ist.
Seit 2014 wird das Land von einem Militärregime beherrscht. Zwar fanden 2019 international umstrittene Wahlen statt, bei denen aber nur der Militärchef Prayut im Amt bestätigt wurde. Im Sommer 2020 kam es zu Massendemonstrationen für den Rücktritt von Prayut und eine Begrenzung der Macht des Königs. Neuerliche Demonstrationen und Unruhen sind jederzeit möglich. Besonders unter jüngeren Thais ist Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen sehr verbreitet. Das Militär dominiert die Politik des Landes seit Jahrzehnten.
Wirtschaftlich wird Thailand vollkommen von der Metropolregion Bangkok dominiert. Hier leben 16 Millionen der knapp 70 Millionen Thais. Von daher konzentrieren sich auch die meisten Investitionen auf den Großraum Bangkok.
Der Associate Partner der Unternehmensberatung Roedl & Partner in Thailand, Philip Ende zu den Investitionsmöglichkeiten: „Der thailändische Markt ist für ausländische Investoren streng reguliert. Jedoch gibt es zahlreiche staatliche Förderungsmöglichkeiten, die eine Investition gerade in Thailand attraktiv werden lassen.“
Die thailändische Regierung fördert Investitionen besonders in den Bereichen Logistik, Elektronik, Automotive, moderne Landwirtschaft, Medizintechnik und auch im für Thailand besonders wichtigen Tourismussektor. Corona hat aber auch gezeigt, dass der Tourismus zu sehr die Wirtschaft des Landes dominiert. So hatte das Land des Lächelns in der Pandemie wenig Grund zum Lächeln. Vor allem aufgrund des völligen Wegbleibens ausländischer Touristen schrumpfte die Wirtschaft in den Krisenjahren 2020 und 2021.
Im Jahr 2023 erwartet Thailand sehnsüchtig die Rückkehr vor allem der chinesischen Touristen. Hierin zeigt sich ebenso wie in der Außenhandelsstatistik die große Bedeutung Chinas für das Land. Vor der Pandemie kam ein gutes Viertel aller Touristen aus China, mit zunehmender Tendenz. Zudem kam 2021 ein knappes Viertel aller thailändischen Importe aus China und knapp 14 Prozent aller Exporte gingen in das Reich der Mitte. Und auch bei den ausländischen Direktinvestitionen lag der chinesische Anteil bei über einem Viertel.
In Thailand haben chinesische Unternehmen in wichtigen Wirtschaftssegmenten eine starke Position, die in den nächsten Jahren vermutlich noch wachsen dürfte. Auch in anderen Bereichen ist der chinesische Einfluss groß. Laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Jahr 2022 unterhalten sechs führende thailändische Medien eine Kooperation mit chinesischen Nachrichtenagenturen und übernehmen von diesen viele Meldungen. Auch über den kulturellen Austausch und die beliebten chinesischen Fernsehserien verfüge China über nicht geringe „Soft Power“ in Thailand.
Investitionen in Thailand können für Unternehmen in bestimmten Branchen durchaus sinnvoll sein. Die Hoffnung durch westliche Investitionen den chinesischen Einfluss in Thailand schwächen zu können, ist dagegen eher unrealistisch.
Vietnam
Vietnams Verhältnis zu China ist komplexer als das Thailands. Über Jahrhunderte haben die Vietnamesen ihre Freiheit gegen den großen Nachbarn im Norden verteidigen müssen. Nicht selten waren sie dem chinesischen Kaiser tributpflichtig. Im Vietnamkrieg gewährte ihnen China aber Unterstützung gegen die USA.
Doch nachdem Vietnam seinen Nachbarn Kambodscha 1979 besetzt hatte, verschlechterte sich das chinesisch-vietnamesische Verhältnis massiv, da Peking eine Dominanz Vietnams in Südostasien nicht dulden wollte. Zwar sind die Vietnamesen längst wieder aus Kambodscha abgezogen, doch das Verhältnis ist weiterhin von Spannungen geprägt.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung informiert auf seiner Homepage über die politische Lage in Vietnam: „Eine organisierte Opposition gibt es ebenso wenig wie eine rechtsstaatliche Gewaltenteilung, freie Wahlen oder eine unabhängige Justiz. Regierung, Parlament, Verwaltung und Rechtsprechung werden von der Parteiführung kontrolliert.“
Gerade die Grünen und Außenministerin Baerbock, die so gerne eine Außenpolitik propagieren, die sich an Menschenrechten orientiert, dürften daher Vietnam eigentlich nicht als ernsthafte Alternative zu China sehen.
Doch im krassen Widerspruch dazu sagte Frau Baerbock bei einer Rede vor dem Wirtschaftstag der Konferenz der Leiter der deutschen Auslandsvertretungen im September 2022: „Es gibt gerade im pazifischen Raum viele Länder, mit denen sich eine Zusammenarbeit lohnt. Nicht ohne Grund verlegt Apple gerade einen Teil seiner Produktion nach Vietnam. Das bedeutet auch für uns als Auswärtiges Amt, gerade dort unsere Kontakte, unsere Beziehungen zu intensivieren.“
Der Fall Vietnam bestätigt den Verdacht mancher Analysten, dass es Baerbock in enger Allianz mit den USA allein um die Schwächung Chinas und nicht um Menschenrechte oder eine von ihr gerne beschworene Wertegemeinschaft der Demokratien geht.
Fazit
Die Staaten Südostasiens bieten derzeit noch keine wirklich überzeugende Alternative zu China. Ein zügiges wirtschaftliches Abkoppeln vom größten deutschen Handelspartner wäre mit katastrophalen Einbußen für die deutsche Wirtschaft verbunden.
Eher machbar ist dagegen eine allmähliche Reduzierung der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China. Dieser Prozess dürfte viele Jahre in Anspruch nehmen. Die Übergangszeit gibt aber zugleich den Staaten Südostasiens die Möglichkeit, politische und wirtschaftliche Reformen in Angriff zu nehmen und dadurch ihre Attraktivität für deutsche Investoren weiter zu steigern.