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Powell zum Trotz: Märkte wetten auf Ende des Zinsanstiegs

Trotz aller gegensätzlichen Beteuerungen von Fed-Chef Jerome Powell nach der Notenbanksitzung diese Woche erwarten die Märkte nun ein Ende der Zinsanhebungen.
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05.05.2023 14:57
Aktualisiert: 05.05.2023 14:57
Lesezeit: 4 min
Powell zum Trotz: Märkte wetten auf Ende des Zinsanstiegs
Fed-Chef Powell warnte am Mittwoch in Washington: Die Zinsen könnten sogar weiter erhöht werden. (Foto: dpa) Foto: Carolyn Kaster

Der Präsident der Federal Reserve, Jerome Powell, wurde während der Pressekonferenz nach der Anhebung der Leitzinsen über die Fünf-Prozent-Marke am Mittwoch immer wieder mit der gleichen Frage bombardiert. Die Reporter versuchten immer wieder, den Notenbankchef festzunageln. Doch lange gelang es ihm, den Fragen im entscheidenden Punkt konsequent auszuweichen.

Zuvor hatte der Offenmarktausschuss (Federal Open Market Committee, FOMC) der Federal Reserve den geldpolitischen Schlüsselsatz um einen viertel Prozentpunkt auf die neue Spanne von 5 bis 5,25 Prozent angehoben. Diese zehnte Anhebung in Folge war vom Markt erwartet worden. Der Zinsanstieg von Anfang 2022 bis heute ist äußerst rasant verlaufen - damals lag der entscheidende Zinssatz noch nahe null Prozent. Ist der Zinsanstieg nun vorbei?

Fed-Chef Powell will Zinsen vorerst nicht wieder senken

Immer wieder fragten die Reporter, ob eine Entscheidung über eine "Pause" bei den Zinserhöhungen im Juni getroffen worden ist und ob es in diesem Jahr "Zinssenkungen" geben wird. Und immer wieder weigerte sich Powell, sich festzulegen. "Eine Entscheidung über eine Pause wurde heute nicht getroffen", sagte er gleich zu Beginn. Und immer wieder sagte er, dass eine Pause der Zinserhöhungen von den kommenden Daten abhänge.

"Ich denke, die Geldpolitik ist straff", sagte Powell. Womöglich sei man auf einem ausreichend hohen Zinsniveau angelangt, oder zumindest nicht weit davon entfernt. Zugleich dämpfte er Erwartungen an baldige Zinssenkungen. Da die Fed derzeit davon ausgehe, dass der starke Preisauftrieb nicht so schnell nachlassen werde, wären Senkungen aus Powells Sicht in einem solchen Umfeld unangebracht.

"Wenn unsere Prognose im Großen und Ganzen stimmt, wäre eine Zinssenkung nicht angebracht, wir werden die Zinsen nicht senken", sagte er. Auch wird das Timing für eine Zinssenkung noch in diesem Jahr immer knapper. Denn zunächst käme ein Ende der Erhöhungen. In den drei letzten Straffungszyklen dauerten die Pausen zwischen sieben Monaten (2019) und 14 Monaten (2006-2007). Wenn die Fed ab Juni pausiert, verbleiben dieses Jahr nur noch sechs Monate.

Doch dieses Mal hat es der Straffungszyklus mit dem schlimmsten Inflationsschub seit 40 Jahren zu tun. Und Powell hat einmal mehr gesagt, dass die Fed die unangenehme Angewohnheit hat, die Inflation wieder aufleben zu lassen: "Wir haben gesehen, dass die Inflation seit März 2021 zwei oder drei Mal gesunken und wieder gestiegen ist", sagte er. Und in diesem inflationären Umfeld sei eine Zinssenkung einfach nicht angebracht.

Analysten erwarten Ende der Zinserhöhungen

Trotz aller Beteuerungen von Fed-Chef Powell stellen sich zahlreiche Analysten auf eine Pause bei den Zinsanhebungen ein. Sie berufen sich dabei unter anderem darauf, dass die Fed eine Passage aus ihrem Text gestrichen hat, wonach eine gewisse zusätzliche geldpolitische Straffung angemessen sein könnte. Stattdessen wurde eine Formulierung als Orientierungslinie für die Finanzmärkte gewählt, die die Tür für eine Erhöhung zwar offen lässt, aber kein klares Signal mehr dafür gibt.

"Das war's wohl", sagten die Commerzbank-Ökonomen Bernd Weidensteiner und Christoph Balz mit Blick auf die Zinsserie der Notenbank. Die Betonung der neuen Forward Guidance, die mehrfachen Verweise auf die bereits erfolgten Zinsschritte und die Verschärfung der Kreditvergabebedingungen deuten auf eine Pause im Zinserhöhungsprozess hin. "Wie die Erfahrung der Vergangenheit zeigt, ist eine solche Pause aber normalerweise das Ende der Zinsschritte."

Doch Powell selbst erklärte die erwähnte Streichung der Passage mit warnenden Worten: "Sie werden feststellen, dass in der Erklärung vom März ein Satz stand, in dem es hieß: 'Der Ausschuss geht davon aus, dass eine weitere Straffung der Geldpolitik angemessen sein könnte.' Dieser Satz steht nicht mehr in der Erklärung. Wir haben ihn herausgenommen."

Und weiter: Stattdessen sagen wir, dass der Ausschuss bei der Bestimmung des Ausmaßes, in dem eine zusätzliche geldpolitische Straffung angemessen sein könnte, bestimmte Faktoren berücksichtigen wird. Das ist also eine bedeutsame Änderung, denn wir sagen nicht mehr, dass wir 'antizipieren'. Wir werden uns also von Sitzung zu Sitzung von den eingehenden Daten leiten lassen, und wir werden diese Frage auf der Juni-Sitzung angehen."

Und weiter: "Man hat das Gefühl, dass wir dem Ende dieser Entwicklung viel näher sind als ihrem Anfang. Wenn man all die Verschärfungen zusammenzählt, die über verschiedene Kanäle laufen, haben wir das Gefühl, dass wir uns dem Ende nähern oder vielleicht sogar schon da sind. Aber auch das wird eine fortlaufende Bewertung sein. Und wir werden diese Faktoren, die wir aufgelistet haben, prüfen, um festzustellen, ob noch mehr getan werden muss."

Bankenkrise wirkt wie Zinserhöhung

An den Terminmärkten signalisierten auch die Zinsfutures nach der Fed-Entscheidung vom Mittwoch die Erwartung einer Zinspause bei den Sitzungen im Juni und Juli, der bereits im September eine Senkung folgen könnte. Eine Pause eröffnet die Möglichkeit, dass die im Eiltempo durchgezogene geldpolitische Straffungs-Serie ihre Wirkung nach und nach entfaltet und sich überdies der Bankensektor von den jüngsten Erschütterungen erholen kann.

Ein Ausverkauf bei Aktien der Bank First Republic hatte Sorgen um die Stabilität des US-Finanzsektors wiederaufflammen lassen. Erst die Rettungsübernahme der Regionalbank durch JP Morgan sorgte für Beruhigung. Vor der First Republic war im März bereits bei der Silicon Valley Bank und der Signature Bank die Reißleine gezogen worden, nachdem Kunden auch dort Milliarden Dollar an Einlagen abgezogen hatten.

Die Fed sagte, das Bankensystem sei "robust und widerstandsfähig". Zwar würden die jüngsten Entwicklungen wahrscheinlich zu strengeren Kreditbedingungen für Verbraucher und Firmen führen und somit die Wirtschaft belasten. Doch Verwerfungen im Bankensystem "könnten aus Sicht der Fed offenbar zu einer übertriebenen Einschränkung der Kreditvergabe führen und wie zusätzliche Zinserhöhungen wirken", so die Analyse der Commerzbank-Experten.

Die Inflation in den USA sank im März um einen vollen Punkt auf 5 Prozent, das niedrigste Niveau seit Mai 2021. Die Fed kann dies als Teilerfolg verbuchen, auch wenn das Ziel einer Teuerungsrate von 2 Prozent noch bei weitem nicht erreicht ist. Powell betonte, der Inflationsdruck sei noch hoch. Es werde voraussichtlich noch ein langer Weg, bis die Zielmarke erreicht werde. Zugleich hält er eine Rezession für weniger wahrscheinlich. Wenn doch erwarte er einen milden Verlauf.

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