Die Elektro-Revolution kommt aus China. CATL („China Amperex Technology Company“), der größte Batteriehersteller der Welt, hat auf der Automobilmesse in Shanghai eine neuartige „verdichtete Batterie“ angekündigt. Es handelt sich um einen Akku auf Lithium-Ionen-Basis, wobei das Leitmaterial weder branchenüblich flüssig noch fest sei, also eine Art Zwischenstufe darstellen soll. In Ermangelung genauerer Angaben spekulieren Experten, dass es sich um gasförmiges Elektrolyt handelt, welches bei relativ geringem Druck flüssig oder sogar fest wird. Andere Insider gehen eher von einem festen beziehungsweise elastischen Polymer-Elektrolyt aus.
Doppelt so hohe Energiedichte
Dem leitenden CATL-Wissenschaftler Wu Kai zufolge soll die Energiedichte der Batteriezellen bis zu 500 Wattstunden pro Kilogramm erreichen – eine disruptive Zahl, die bei Experten für Aufsehen sorgt. Der Batterieforscher Maximilian Fichtner, Direktor des Helmholtz-Instituts in Ulm, meint auf Twitter zu diesem Entwicklungssprung: „100 kWh Batterien mit einem Zellgewicht von 200 kg. Unglaublich. [...] Damit werden Träume war“.
Im Fahrzeug-Bereich liegen die Höchstwerte für klassische Lithium-Ionen-Batterien aktuell bei um die 250 – auch für CATLs hauseigene „Qilin“-Serie, die auf eine Lithium-Eisen-Phosphat-Kombination setzt. Die kurz vor dem Produktionsstart stehende neue Generation von Feststoff-Batterien des chinesischen Autoherstellers und CATL-Großkunden „Nio“ peilt Werte von 360 an. Kobalt- und nickelfreie LFP-Batterien, die in einigen Tesla-Modellen verbaut sind und ebenfalls vom chinesischen Platzhirsch geliefert werden, erreichen nicht mal 200 Wattstunden je Kilo.
Details dazu, wie diese technische Meisterleistung möglich ist, gab CATL laut dem chinesischen Fachmagazin CN EV Post auf der Messe nicht bekannt. In der Präsentation seien lediglich nicht spezifizierte Innovationen bei einzelnen Bauteilen erwähnt worden, darunter der Separatorfolie und der „Hochenergie-Kathode“. Auch war die Rede von einer „herausragenden“ Lade- und Entladeleistung.
Neben der hohen Energiedichte sei die neue Batterie auch sehr sicher – ein wichtiges Thema, da Elektroauto-Batterien seit jeher ein großes Brandrisiko aufweisen. Im Gesamtpaket sollen sich CATLs Super-Batterien sogar für kleine E-Flugzeuge eignen.
Wu Kai zufolge durchbricht die neue Akku-Technologie die Grenzen, die die Entwicklung des Batteriesektors für E-Fahrzeuge lange Zeit eingeschränkt haben. Die Batterien der Zukunft sollten nun hohe Sicherheit und geringes Gewicht in den Vordergrund stellen.
Super-Batterie: Weniger Gewicht und mehr Leistung
Die Vorteile von CATLs Hochleistungs-Batterie liegen auf der Hand. Der Akku ist in einem Elektroauto nicht nur der größte Kostenpunkt, sondern auch das mit Abstand schwerste Bauelement. Eine Energiedichte von 500 Wattstunden je Kilogramm bedeutet, dass eine nur 200 Kilogramm schwere Auto-Batterie dieses neuen Typs 100 Kilowattstunden Strom aufnehmen könnte und damit um ein vielfaches leichter wäre als herkömmliche Lithium-Ionen-Akkus. E-Autos mit der neuen Batterietechnik von CATL wären kompakter zu bauen, hätten ein deutliche geringeres Gesamtgewicht und benötigten weniger Antriebskraft.
Zugleich steigt auch die Reichweite enorm, wobei hier nicht nur der Energiegehalt in der Batterie eine Rolle spielt, sondern auch der Verbrauch. Trotzdessen ist CATLs Innovation ein entscheidender Schritt in Richtung der notwendigen Reichweiten, die Kunden im PKW-Bereich sehen wollen, damit sich ein Elektrowagen in der Praxis auch lohnt.
Für potentielle Besitzer von E-Autos ist auch die Langlebigkeit ein wichtiger Faktor. Zur Anzahl der Ladezyklen hat sich der weltweit führende Batterieproduzent bisher nicht geäußert. Ein Richtwert für die maximale Reichweite wurde auch noch nicht kommuniziert. Das ist etwas enttäuschend, denn CATL gibt sich an anderer Stelle alles andere als bescheiden und ruft nicht weniger als eine Revolution im Autobatterie-Segment aus.
Noch in diesem Jahr will CATL seine neue Batterie-Technologie in Serienproduktion bringen. Das wird eine große wirtschaftliche Herausforderung. Die „innovativen“ Materialien dürften höhere Produktionskosten verursachen. Hinzu kommen beträchtliche Forschungskosten, die auch irgendwann wieder eingespielt werden müssen.
CATL hat bei der Premiere nichts zu den angepeilten Gesamtkosten einer einzelnen Batterien gesagt. Zudem wurde offen gelassen, wie und zu welchen Kosten sich die Technologie überhaupt vom Labor in die Massenproduktion übertragen lässt. Da der chinesische Batteriegiganten bald in Serienfertigung gehen will, muss man eigentlich eine vernünftige Lösung für diese Fragen haben. CATL beliefert viele große Automobilkonzerne und will sich bestimmt nicht auf teure Premium-Modelle spezialisieren.
Investitions- und Innovationsoffensive
Wenn CAT nicht der mit Abstand größte Batterie-Hersteller der Welt sondern ein kleines Startup wäre, würde man all die Ankündigungen vielleicht weniger ernst nehmen. „CATL hat bisher immer geliefert“, so Batterieexperte Fichtner via Twitter. Der Konzern kontrolliert satte 37 Prozent des globalen Marktes im Bereich EV-Batterien, wobei die stärksten Konkurrenten BYD und LG Energy jeweils nur 13,5 Prozent des zukunftsträchtigen Marktes ausmachen. In der Heimat China, wo 2022 zwei Drittel aller Elektroautos weltweit verkauft wurden, ist CATL mit fast 50 Prozent Marktanteil die unangefochtene Nummer Eins.
Zu den wichtigsten Kunden des noch vergleichsweise jungen Konzerns zählen Tesla, Nio und Honda. CATL-Batterien versorgen unter anderem die I.D.-Serie von Volkswagen und die in China gebauten Tesla-Modelle „Model 3“ und „Model Y“. 80 Prozent der Umsätze werden in China erwirtschaftet. Trotz globaler Marktdominanz wächst CATL weiterhin rasant.
Um diese Marktstellung zu behaupten, setzt das Unternehmen auf eine gigantische Investitions- und Innovationsoffensive, in die sich die jüngsten Ankündigungen nahtlos einreihen. In Ungarn entsteht gerade eine 7 Milliarden Euro teure Fabrik und in den USA wurde jüngst ein großer Lizenzdeal mit Ford abgeschlossen. Eine Expansion der Produktionskapazitäten nach Südostasien scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein – aktuell befindet sich CATL in Gesprächen mit Thailands Regierung.
Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass der Marktführer Autoherstellern im Rahmen eines Exklusivdeals massive Rabatte auf Elektroauto-Batterien anbietet. Autobauer bekommen starke Preisnachlässe, wenn sie im Gegenzug für mehrere Jahre den Großteil (bis zu 80 Prozent) ihrer Stromzellen bei CATL kaufen. Mit der Perspektive, in naher Zukunft die neuen Hochleistungs-Batterien beziehen zu können, gäbe es nun ein weiteres Argument für die Autokonzerne, verstärkt auf CATL-Technologie zu setzen.
Prof. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Forschungsinstituts („Center for Automotive Research“) glaubt aber nicht, dass mit CATLs neuester Entwicklung die komplette E-Auto-Branche umgekrempelt wird. Den echten disruptiven Quantensprung für die Zukunft elektrischer Mobilität sieht der Auto-Experte in der Feststoffbatterie-Technologie, auch „Solid State“ genannt.
Brancheninsider sprechen derweil von einem „Preiskrieg“ CATLs gegen die Konkurrenz. Diesen Preiskrieg kann sich der chinesische Gigant leisten, weil die Produktion von Lithiumkarbonat - eine Schlüsselkomponente in E-Autos - im eigenen Betrieb sitzt. Chinas Platzhirsch verfügt über große Lithiumquellen und hat dadurch erhebliche Kostenvorteile. Viele Milliarden Dollar wurden insbesondere im Ausland in den Bergbau und die Raffination von Lithium investiert. Der jüngste Vorstoß erfolgte im Januar, als Bolivien die Lizenz zur Erschließung lokaler Lithiumreserven an ein chinesisches Konsortium unter der Leitung von CATL vergab.
CATLs „Salz-Batterie“ bereits seit zwei Jahren auf dem Markt
Auch abseits der Lithium-Akkus ist Chinas Batteriegigant innovativ unterwegs. Auf der Shanghai Automesse wurde eine Kooperation mit dem chinesischen Autobauer Chery angekündigt. Chery wird im Automobilbereich der erste Abnehmer für Sodium-Ionen-Akkus von CATL. Die „Salz-Batterie“ mit der Energiedichte von 160 Wh/kg wurde schon vor knapp zwei Jahren vorgestellt.
Salzbatterien sollen eine Kosteneinsparung gegenüber Lithium-Akkus um bis zu 70 Prozent ermöglichen, weil die kostenintensiven Lithium- und Kobalt-Komponenten komplett wegfallen. Ein weiterer Vorteil dieser Technologie ist die geringere Kälteempfindlichkeit. Zudem können Sodium-Ionen-Batterien in nur 15 Minuten auf 80 Prozent geladen werden.
Dafür fällt allerdings die Reichweite bei gleicher Baugröße deutlich geringer aus – die aktuelle Generation von CATLs Sodium-Akkus liefert bei typischen PKW-Dimensionen maximal 400 Kilometer am Stück. Prof. Dudenhöffer äußerte sich gegenüber den DWN eher skeptisch, was die Salz-Batterien angeht: „Die Energiedichte ist eben sehr gering“, meint der Auto-Experte. Der niedrige Preis sei vorteilhaft, aber insgesamt könne man damit höchstens eine Low-Cost-Nische bedienen.
Alternativ ist für Dudenhöffer auch der Einsatz in CATLs hauseigener Swapping-Technologie interessant. Hierbei handelt es sich um ein Batteriesystem, das flexibel an verschiedene Automobil-Typen anpassbar ist. Identische Batterien sind untereinander flexibel austauschbar. Die Akkus können in Blöcken kombiniert werden, um die elektrische Leistung zu erhöhen und genauso schnell wieder getrennt werden.