Unternehmen

Verbote drohen: Politik nimmt Autoreifen ins Visier

Die großen Reifenhersteller geraten unter Druck. Aufgrund neuer Auflagen müssen sie quasi das Rad neu erfinden. Im Zuge der geplanten Euro-7-Emissionsregeln sollen bestimmte Autoreifen verboten werden.
19.05.2023 13:02
Aktualisiert: 19.05.2023 13:02
Lesezeit: 2 min

Reifenhersteller sind am Grübeln, sie müssen buchstäblich das Rad neu erfinden: Bei der Verschärfung der Emissionsregeln in Europa und den USA werden erstmals auch verbindliche Regeln für den Reifenabrieb aufgenommen. Gleichzeitig verschärft sich das Problem mit der wachsenden Zahl an Elektro-Autos – diese sind deutlich schwerer als ihre Benzin- oder Diesel-Pendants – und mit dem Gewicht steigt die Menge an Reifen-Partikeln, die auf der Straße liegen bleibt. Für Unternehmen von Continental über Michelin bis Nokian Tyres bedeutet das ein Umdenken in der Entwicklung. „Es ist nicht ganz ein perfekter Sturm“, sagt Gunnlaugur Erlendsson, Chef des britischen Startups Enso, das sich auf die Entwicklung haltbarer Reifen für Elektroautos konzentriert hat. „Aber es ist nicht weit weg davon.“

Nach Schätzungen des Umweltbundesamtes bleiben jährlich ungefähr 150.000 Tonnen Reifenpartikel in der Umwelt und geraten von dort aus als Mikroplastik in den Boden, in Flüsse und Seen und letztlich auch ins Trinkwasser. Der Straßenverkehr ist damit mit Abstand die wichtigste Quelle für die schädlichen Partikel, die in der Natur kaum abgebaut werden können.

Umweltgifte im Reifenabrieb

Der Reifenabrieb besteht zudem nicht nur aus Mikroplastik. Zum Teil enthält er auch gesundheitsschädigende Stoffe. Autoreifen bestehen aus rund 200 verschiedenen Inhaltsstoffen, von denen viele aus Erdöl gewonnen werden. Die meisten von ihnen sind vergleichsweise harmlos – einige richten jedoch größere Schäden an. Besonders 6PPD – die Chemikalie soll den Reifen vor Ozonschäden schützen. Oxidiert 6PPD, entsteht ein Giftstoff, an dem Fische sterben können. Es wird damit gerechnet, dass Kalifornien den Reifenherstellern noch in diesem Jahr vorschreibt, Alternativen zu 6PPD zu finden.

Auch die Europäische Union will das Problem mit dem Reifenabrieb im Zuge der Euro-7-Emissionsregeln in den Griff bekommen. Erstmals werden dabei Standards für Reifen vorgegeben. Damit kommen auch Elektroautos nicht um die in der Branche scharf kritisierten Regelungen herum. „Die unbeabsichtigten Konsequenzen bei Elektroautos sind, dass wir einen höheren Reifenabrieb haben, außer, wir bauen bessere Reifen“, sagt Enso-Chef Erlendsson, der für seine Reifen in Anspruch nimmt, dass sie ein Drittel weniger Abrieb haben als die der Platzhirsche.

Tatsächlich fallen die Ergebnisse bei Abriebtests sehr unterschiedlich aus. Emissions Analytics aus Großbritannien untersucht, wie viele Partikel bei unterschiedlichen Reifen entstehen. Das „schmutzige Ende“ seien „billige China-Importe“, die auf dem europäischen Markt weit verbreitet seien, sagt Emissions-Analystics-Chef Nick Molden.

Sollten wegen der Euro-7-Vorschriften die schlechtesten Reifen vom Markt verschwinden, „kann man schon eine Menge Partikel vermeiden“, sagt Michelin-Expertin Cyrille Roget. „Das ist ein erster Schritt, und wir glauben, dass das etwas ist, was schneller passieren kann.“ Michelin und Continental führen an, dass sie daran arbeiten, ihre Reifen haltbarer zu machen – Roget zufolge konnte Michelin den Abrieb zwischen 2015 und 2020 um fünf Prozent senken.

Nach Einschätzung von Emissions Analytics kommt auf die Branche noch einiges an Arbeit zu – schließlich hat der Siegeszug der schweren Elektroautos gerade erst begonnen. Eine Herausforderung wird es dabei sein, auf Kautschuk zu verzichten, der weltweit knapp ist. Continental hat einen Fahrradreifen entwickelt, in dem Löwenzahn-Kautschuk zum Einsatz kommt, und will das Material auch in Autoreifen einsetzen. Enso setzt auf Recycling-Material. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, um die Reifen zu verbessern, sagt Enso-Chef Erlendsson. „Wir werden nie ganz ohne Abrieb auskommen, aber wir können ihn reduzieren.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Politik
Politik Venezuela-Manöver: Maduro reagiert auf US-Flugzeugträger in der Karibik
12.11.2025

Während die USA ihren größten Flugzeugträger in die Karibik schicken, reagiert Venezuela mit einem massiven Militärmanöver....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Grüner Wasserstoff aus Dänemark: Export nach Deutschland eröffnet Chancen für die grüne Transformation
12.11.2025

Dänemark produziert grünen Wasserstoff im Überfluss, doch der heimische Markt bleibt hinter den Erwartungen zurück. Kann das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft "Wirtschaftsweise": Auch 2026 kein spürbarer Aufschwung
12.11.2025

Die deutsche Wirtschaft kommt auch 2026 kaum voran. Der Sachverständigenrat warnt vor fehlendem Aufschwung, kritisiert den Einsatz des...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kontrolle von Krankschreibungen: Wie Unternehmen Fehlzeiten effektiv prüfen
12.11.2025

Die Kontrolle von Krankschreibungen wird für Unternehmen zunehmend wichtiger, um Fehlzeiten und Missbrauch effektiv zu managen. Doch wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Bayer-Aktie: Milliardenschwere Glyphosat-Klagen belasten Konzern
12.11.2025

Die Bayer-Aktie steht erneut unter Druck: US-Rechtsstreitigkeiten um Glyphosat und PCB zwingen den Konzern zu hohen Rückstellungen,...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose 2026: Rohstoffexperten sehen weiteren Kursanstieg
12.11.2025

Laut aktuellen Prognosen dürften 2026 sowohl Edelmetalle als auch Industriemetalle weiter ihren Wert steigern. Analysten und Händler...

DWN
Politik
Politik COP30 in Brasilien: So sollen Milliarden die grüne Transformation und das Klima sichern
12.11.2025

Auf dem Klimagipfel COP30 in Belém stehen nicht nur ökologische Ziele im Mittelpunkt, sondern vor allem die Finanzierung der globalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation: Keine Entlastung für Verbraucher in Sicht
12.11.2025

Die Inflation in Deutschland verliert an Tempo – doch im Alltag spüren viele davon wenig. Zwar sind Energie und manche Lebensmittel...