Deutschland

Deutsche Wirtschaft rutscht offiziell in die Rezession

Die deutsche Wirtschaft ist das zweite Quartal in Folge geschrumpft und somit offiziell in die Rezession gerutscht. Der Konsum ist deutlich zurückgegangen.
25.05.2023 09:40
Aktualisiert: 25.05.2023 09:40
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Sinkende Konsumausgaben der unter der hohen Inflation leidenden Verbraucher haben die deutsche Wirtschaft nun doch erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 in eine Rezession gestürzt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte von Januar bis März um 0,3 Prozent zum Vorquartal und damit das zweite Vierteljahr in Folge, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Es revidierte damit seine ursprüngliche Schätzung von Ende April, die noch eine Stagnation ergeben hatte. Im vorangegangen vierten Quartal 2022 war die Wirtschaftsleistung sogar um 0,5 Prozent gesunken. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge wird von Rezession gesprochen.

"Es gab sie doch – die Winterrezession", sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle. "Unter der Last der immensen Inflation ist der deutsche Konsument in die Knie gegangen und hat die gesamte Volkswirtschaft mit sich gerissen." Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht das genauso: "Die massiv gestiegenen Energiepreise haben im Winterhalbjahr ihren Tribut gefordert". Wegen stark steigender Preise erlitten die Verbraucher deutliche Kaufkraftverluste, weil die Löhne langsamer stiegen.

Eine Wende zum Besseren erwarten die meisten Experten aufgrund zahlreicher Belastungsfaktoren nicht: So entfalten die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) gerade ihre volle Wirkung. Die Kreditnachfrage ist wegen der höheren Zinskosten bereits eingebrochen. "Während die inflationären Belastungen langsam abklingen, wachsen diejenigen der restriktiven Geldpolitik", sagte Volkswirt Scheuerle. "Das Gift der Inflation wird mit dem Gegengift hoher Zinsen bekämpft."

REZESSIONSRISIKO GESTIEGEN

Der Indikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) - in den zahlreiche Daten aus der Real- und der Finanzwirtschaft einfließen - signalisiert für die kommenden Monate eine Rezessionsrisiko von 37,6 Prozent. Auch die bislang noch robusten Exporteure bekommen angesichts der schwächer werdenden Weltwirtschaft Gegenwind zu spüren. Das Barometer für die Exporterwartungen der Industrie fiel im Mai auf 1,8 Punkte von 6,5 Zählern im April, wie das Münchner Ifo-Institut bei seiner Unternehmensumfrage herausfand. Das ist der niedrigste Wert seit November 2022. "Die weltweiten Zinserhöhungen schlagen langsam auf die Nachfrage durch", sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. "Der deutschen Exportwirtschaft fehlt die Dynamik."

Viele Experten erwarten daher keinen Aufschwung, im Gegenteil: "Düster sieht es für das zweite Halbjahr aus", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Dann sind die Nachholeffekte in der Industrie aufgezehrt. Einen Ausgleich für den zu erwartenden fortgesetzt schwachen privaten Konsum und die angeschlagene Bauwirtschaft gibt es damit nicht mehr." Der Schrumpfkurs der deutschen Wirtschaft werde sich daher vermutlich fortsetzen.

WENIGER AUTOS UND SCHUHE GEKAUFT

Ausgebremst wurde die Konjunktur im ersten Quartal vom abnehmenden privaten Konsum. Dieser sank im ersten Quartal um 1,2 Prozent. "Die Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte zeigte sich in verschiedenen Bereichen" so die Statistiker. "Sowohl für Nahrungsmittel und Getränke als auch für Bekleidung und Schuhe sowie für Einrichtungsgegenstände gaben die privaten Haushalte weniger aus als im Vorquartal." Daneben wurden weniger neue Pkw gekauft, was auch mit dem Wegfall der Prämien für Plug-in-Hybride und der Reduzierung der Prämien für Elektrofahrzeuge zu Jahresbeginn zu tun haben dürfte.

KEIN STARKER AUFSCHWUNG IN SICHT

Auch der Staatskonsum gab nach, und zwar um 4,9 Prozent. Positive Impulse kamen dagegen von den Investitionen, die um 3,9 Prozent wuchsen. Hier legten insbesondere die Bauinvestitionen zu, weil wegen des milden Winters weitgehend durchgearbeitet werden konnte. Allerdings dürfte das nicht anhalten, weil insbesondere dem Wohnungsbau die Aufträge wegen gestiegener Material- und Zinskosten weggebrochen sind. Auch der Außenhandel stützte die Konjunktur, da 0,4 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen exportiert wurden. Die Importe schrumpften dagegen.

Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr mit einem BIP-Wachstum von 0,4 Prozent. 2024 soll es dann zu einem kräftigeren Anstieg von 1,6 Prozent reichen. Viele Ökonomen sind pessimistischer. Commerzbank-Chefökonom Krämer rechnet mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr von 0,3 Prozent, dem 2024 eine Stagnation folgen soll. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland bleibt widerstandsfähig: Warum die russische Wirtschaft trotz Krieg nicht zusammenbricht
04.09.2025

Trotz Sanktionen, Kriegsausgaben und Bankenproblemen bleibt die russische Wirtschaft widerstandsfähig. Warum ein Zusammenbruch ausbleibt...

DWN
Finanzen
Finanzen Experten raten: Verkauf der Novo Nordisk-Aktie kann sinnvoll sein
04.09.2025

Die Novo Nordisk-Aktie gilt als Favorit vieler Anleger. Doch Experten zeigen, warum selbst ein Verkauf mit Verlust zum steuerlichen Vorteil...

DWN
Politik
Politik Vertrauen in den Staat auf Tiefstwert: Mehrheit der Bürger hält den Staat für überfordert
04.09.2025

Wie blicken die Bundesbürger auf den Staatsapparat? Neuste Zahlen geben Aufschluss: Drei von vier Bundesbürgern halten den Staat für...

DWN
Technologie
Technologie Elektromobilität: Europas Batterieproduktion droht uneinholbarer Rückstand
04.09.2025

Noch vor zehn Jahren war Europas Autoindustrie technologisch in der Weltspitze. Doch der von China angeführte Umstieg auf die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Frankreich-Schulden: Frankreichs Verschuldung ist außer Kontrolle - Muss der IWF eingreifen?
04.09.2025

Die Frankreich-Schulden treiben das Land in eine politische und finanzielle Krise. Investoren zweifeln an der Stabilität, und die Eurozone...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindersparen statt Konsum: So sichern Sie die Zukunft Ihres Erstklässlers
04.09.2025

Der erste Schultag ist nicht nur emotional ein Meilenstein – er sollte auch ein finanzieller Wendepunkt sein. Experten erklären, warum...

DWN
Panorama
Panorama Pharmaindustrie: Marktstart für Alzheimer-Mittel Lecanemab in Deutschland
04.09.2025

Ab ersten September ist erstmals ein Alzheimer-Medikament erhältlich, das den Krankheitsverlauf verlangsamen kann. Lecanemab soll bei...

DWN
Politik
Politik Justiz überfordert: Unerledigte Verfahren oder Einstellungen bei Staatsanwaltschaften auf Rekordhoch!
04.09.2025

Die Staatsanwaltschaften kommen kaum noch hinterher. Die Aktenberge wachsen und wachsen: Zum Jahresende 2024 gab es einen traurigen...