Finanzen

Goldpreis steigt - trotz wachsendem Widerstand der Klimapolitik

Lesezeit: 6 min
29.05.2023 08:57  Aktualisiert: 29.05.2023 08:57
Der Goldpreis wurde zuletzt durch Geldpolitik und geopolitische Umbrüche nach oben getrieben. Doch nun macht die Klimapolitik der Branche zunehmend Probleme. Das hat Auswirkungen auf den Goldpreis.

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Im vergangenen Jahr kauften die Zentralbanken netto 1.079 Tonnen Goldbarren, so viel niemals zuvor, seit diese Art von Daten im Jahr 1950 erstmals aufgezeichnet wurden. Diese extrem starke Nachfrage der Zentralbanken hat entscheidend dazu beigetragen, dass der Goldpreis seit Ende März dieses Jahres in der Nähe seines Allzeithochs von 2.072 Dollar pro Feinunze handelt und dass neue Rekorde bereits in Reichweite zu sein scheinen.

Ein entscheidender Faktor dieser Entwicklung ist die Abkehr der Entwicklungsländer vom Dollar, auch weil der Westen im Rahmen seiner Sanktionen gegen Russland dessen Devisenbestände in Höhe von 300 Milliarden Dollar einfroren, die auf Dollar, Euro und Pfund Sterling lauteten. Das hat viele Staaten mit Dollar-Beständen alarmiert, und deren Zentralbanken beeilen sich, ihre Devisenbestände zu diversifizieren und mehr Gold zu kaufen.

Das Gold profitiert aber auch als traditioneller sicherer Hafen vor dem Hintergrund der zahlreichen globalen Krisen, darunter massive Schulden, hohe Inflation, der Ukraine-Krieg, hohe Zinsen und die Bankenkrise. Einige Prognostiker gehen davon aus, dass der Goldpreis bald sein reales Rekordhoch (also unter Berücksichtigung der Inflation) von fast 3.300 heutigen Dollar pro Feinunze erreichen könnte, das im Jahr 1980 erreicht wurde.

Mit Gold gedeckte Börsenfonds (Gold-ETFs) hatten zehn Monate lang in Folge Abflüsse verzeichneten, bevor sie im März und April wieder leichte Zuflüsse von Anlegergeldern meldeten, wie der World Gold Council berichtet. Auch diese Nachfrage trug zum jüngsten Wiederanstieg des Goldpreises bei, der im April und Anfang Mai vorübergehend wieder über 2.000 Dollar pro Feinunze notierte.

"Neutrale Portfolios" mit Gold

Wenn Stagflation, geopolitische Spannungen und die Abkehr vom Dollar anhalten, wird auch der Goldpreis weiter steigen. "Ist dies eine neue Ära? Ganz einfach, ja", zitiert die Financial Times Ruth Crowell, Geschäftsführerin der London Bullion Market Association, die die globalen Standards und Preisbenchmarks für den Goldhandel festlegt. "Bei der Umschichtung zu Gold geht es darum, als Reaktion auf die Geopolitik ein neutraleres Portfolio zu schaffen."

Seit November hat der Goldpreis um etwa ein Fünftel zugelegt und notiert nun knapp unter 2.000 Dollar. Ein entscheidender Grund für den erheblichen Preisanstieg beim Gold ist das wachsende Risiko bei anderen Anlagen. Wegen einer Reihe von Krisen sind die Märkte in den letzten Monaten volatiler geworden, nachdem in den USA drei regionale Banken zusammengebrochen waren und die Schweizer Großbank Credit Suisse vom Rivalen UBS übernommen worden war.

Aktuell stehen in den USA die Verhandlungen über die Obergrenze für ihre Staatsschulen wieder auf der Kippe stehen. Finanzministerin Janet Yellen hat vor einer finanziellen und wirtschaftlichen Katastrophe gewarnt, wenn der US-Kongress sich nicht bis Anfang Juni auf eine Anhebung der Schuldenobergrenze einigt, was die Möglichkeit einer ersten Zahlungsunfähigkeit des Staates mit sich bringen würde.

Nach Ansicht von Mark Bristow, dem Chef von Barrick Gold, dem zweitgrößten Goldproduzenten der Welt, haben die Zentralbanken keine Optionen mehr. Der Inflationsgeist sei aus der Flasche und die Schwellenländer stehen vor dem Risiko einer Schuldenspirale in US-Dollar. Deren Schulden seien höher als ihr Bruttoinlandsprodukt, sodass eine große Finanzkorrektur notwendig sei. "Der einzige Ausweg ist eine harte globale Landung."

Gold statt Dollar

Spätestens seit der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 gibt es einen klaren globalen Trend: Der Anteil des Dollars an den weltweiten Devisenreserven ist von mehr als 70 Prozent im Jahr 2000 auf heute weniger als 60 Prozent gesunken. Diese tektonische Verschiebung wurde von Russland, China, der Türkei und Indien angeführt. "Viele Länder haben verstanden, dass der Dollar eine Waffe im Dienste der USA war", so Sebastien de Montessus, CEO von Endeavour Mining.

Für Russland haben die Sanktionen des Westens seine Abhängigkeit von Gold, das es auch im eigenen Land fördert, nur noch verstärkt. Als die globale Finanzkrise 2008 ausbrach, pries Präsident Wladimir Putin die russischen Gold- und Hartwährungsreserven als "Sicherheitspolster" für den Kreml, um die wirtschaftlichen Schmerzen von Millionen Russen zu lindern.

In den folgenden Jahren verstärkte die russische Zentralbank still und leise ihre Bemühungen, den Anteil des Edelmetalls an ihren internationalen Währungsreserven zu erhöhen. Heute hält Russland sechsmal so viel Gold wie noch im Jahr 2007. Das Edelmetall macht heute etwa 25 Prozent der russischen Reserven in Höhe von 600 Milliarden Dollar aus.

China setzt auf Gold

Im Dezember warb der chinesische Präsident Xi Jinping dafür, Zahlungen für saudi-arabisches Öl und Gas in Renminbi abzuwickeln - was nach Ansicht von Analysten nur dann an Fahrt gewinnen wird, wenn es in Gold umgewandelt werden kann. "Gold ist dabei, in das weltweite Zahlungssystem zurückzukehren", sagt Paul Wong, Marktstratege bei Sprott Asset Management.

Die chinesische Zentralbank verfügt mit rund 3,2 Billionen Dollar über die größten Devisenreserven der Welt und hat in den letzten sechs Monaten immer wieder offiziell Gold gekauft. Viele Beobachter in der Goldbranche gehen aber davon aus, dass der Umfang der chinesischen Goldkäufe deutlich höher gewesen ist, als es die offiziell gemeldeten Zahlen nahelegen.

Dies könnte China helfen, die US-Währung herauszufordern, meint Oliver Ramsbottom, Partner bei McKinsey. "Chinas anhaltende Goldkäufe könnten als Teil einer langfristigen Politik zur Lockerung der Kapitalkontrollen interpretiert werden, wodurch der Renminbi eine größere Herausforderung für den US-Dollar darstellt", zitiert ihn die Financial Times.

Staaten, die hoch in Dollar verschuldet sind, wenden sich ebenfalls dem Gold zu. Vor seiner Zahlungsunfähigkeit im Dezember schlug Ghana, der sechstgrößte Goldproduzent der Welt, vor, seine Ölimporte mit Gold zu bezahlen, ähnlich wie der mittelalterliche Tauschhandel von Gold gegen Salz zwischen den Mittelmeerländern und Westafrika. Simbabwe, ein weiteres Bergbauland, hat goldgedeckte digitale Token eingeführt - und widersetzte sich damit dem IWF.

Gold und die Fed

In naher Zukunft hängt der Goldpreis entscheidend davon ab, welchen Weg die Federal Reserve einschlägt. Beamte der Notenbank signalisierten letzte Woche, dass sie sich von weiteren Zinserhöhungen nicht abschrecken lassen würden, nachdem die Märkte verstärkt auf eine Pause der Zins-Erhöhungen gewettet hatten. In der Folge ging der Goldpreis zurück, da höhere Zinsen die Attraktivität von Anleihen im Vergleich zum Gold erhöhen.

Gelingt es der US-Zentralbank tatsächlich, die Inflation von 4,9 Prozent im April auf das von ihr angestrebte Ziel von 2 Prozent zu senken, würde dies die Nachfrage nach Gold stark dämpfen, weil das Edelmetall eine Absicherung gegen Inflation darstellt. Schon jetzt hat die Fed den geldpolitischen Schlüsselsatz auf eine Spanne von 5 bis 5,25 Prozent angehoben. Die Rendite für zehnjährige US-Staatsanleihen liegt derzeit bei rund 3,8 Prozent.

Gold und das Klima

Zuletzt ist die Goldminenindustrie unter größeren Druck geraten, ihre Emissionen zu senken, die Umweltbelastung zu reduzieren und transparenter zu werden.

Tom Palmer, CEO der Newmont Corporation, des weltgrößten Goldbergbauunternehmens, geht davon aus, dass dies zu weiteren Fusionen in der Goldminenindustrie führen wird, da die Unternehmen langlebigere Minen benötigen, um ihre Klimaziele und Umweltvorgaben zu erfüllen.

Gold spielt anders als Silber keine direkte Rolle bei der Energiewende. Seine Vorkommen liegen jedoch häufig neben Kupfer, das für kohlenstoffarme Technologien wie Windturbinen, Elektroautos und Stromübertragungsleitungen von entscheidender Bedeutung ist. Nur 8 Prozent des Goldes kommen in Bereichen wie Technik, Medizin und Industrie zum Einsatz. Der Großteil wird für Schmuck und Investitionen verwendet.

Die immer stärker werdende Klimapolitik bedroht nun auch die Goldminen. Eine aktuelle Studie mit dem Titel "Das Argument gegen den Goldabbau" unter Leitung von Stephen Lezak vom Scott Polar Institute der Universität Cambridge besagt, dass der CO2-Fußabdruck der Goldgewinnung mindestens so groß ist wie der des gesamten innereuropäischen Luftverkehrs. Zudem könne die weltweite Nachfrage größtenteils durch Recycling gedeckt werden.

Lezak verweist zudem auf negative Auswirkungen des Goldabbaus wie Quecksilberemissionen und Wasserverbrauch. Und die Nichtregierungsorganisation Swissaid beschuldigte die Goldraffinerien in einem im März veröffentlichten Bericht, aufgrund von Menschenrechts- und Umweltbedenken nur ungern offenzulegen, aus welchen Minen sie ihr Gold beziehen.

Viele Goldproduzenten sagen, dass sie die Lebensbedingungen der Menschen vor durch die Schaffung von Arbeitsplätzen verbessern, und ihre Umweltauswirkungen reduzieren. Doch der Druck der Klimapolitik könnten in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Zudem könnte die anhaltende Debatte dem Ruf des Goldes bei jüngeren Anlegern erheblichen Schaden zufügen.

Zwar arbeitet der Branchenverband World Gold Council an der Schaffung eines mit Gold gedeckten Stablecoins. Doch Andreas Hablützel, der Schweiz-Chef des Edelmetallhändlers Degussa, glaubt nicht an einen stärkeren Aufschwung beim Gold. "In Europa ist die jüngere Generation nicht wirklich an Gold interessiert. Ich glaube nicht, dass wir eine große Chance auf einen Aufschwung haben", zitiert ihn die FT.

Bitcoin-Fans sind mit Gold-Fans darin einig, dass das Fiat-Währungssystem scheitern wird. Und weil die Weltwirtschaft derzeit echte Risiken birgt und Aktien und Anleihen Anzeichen dafür zeigen, dass sie ihr 20-jähriges Muster des gleichzeitigen Anstiegs umkehren könnten, werden viele Anleger weiterhin auf eine alternative Anlage setzen, die in den vergangenen Jahrtausenden ihren Wert zumindest bewahrt hat: Gold.


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