Angesichts der geopolitischen Veränderungen hat die Bundesregierung erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie beschlossen. In dem Papier bekennt sich die Ampel-Regierung zu einer verstärkten sicherheitspolitischen Rolle Deutschlands in der Welt. Die Verteidigungsausgaben sollen bis in die 2030er Jahre auf das Zwei-Prozent-Ziel der Nato-Staaten erhöht werden.
Zugleich durchzieht das am Mittwoch von Bundeskanzler Olaf Scholz und vier Ministerinnen und Ministern vorgestellten Papier der Wunsch nach weniger Abhängigkeit von autokratischen Ländern wie Russland oder China sowie die Suche nach neuen Partnern in der Welt. "Das heutige Russland ist auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum", heißt es. Die möglichst enge Zusammenarbeit mit den USA und innerhalb der EU wird betont.
SPD, Grüne und FDP hatten sich erst mit erheblicher Verzögerung auf die Strategie verständigt, die laut Scholz "bald" durch eine eigene China-Strategie ergänzt werden soll. Er betonte, der Schutz der Menschen sei zentrale Aufgabe des Staates. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) unterstrich, dass für die Sicherheit Deutschlands eine "360-Grad-Perspektive" nötig sei. Die Strategie soll am Donnerstag den Ministerpräsidenten erläutert und nach den Planungen der Koalition am Freitag dann im Bundestag diskutiert werden.
CDU-Chef Friedrich Merz erklärte, das Papier sei "inhaltlich blutleer, strategisch irrelevant, operativ folgenlos und außenpolitisch unabgestimmt". Zudem fehle die Abstimmung mit den Bundesländern und den außenpolitischen Partnern. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, leider hebe der Bund die Länder von Anfang an nicht grundlegend und auf Augenhöhe eingebunden. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD) warnte, die Strategie dürfe "nicht wie manch anderes Grundlagenpapier in der Vergangenheit in der Schublade verstauben".
BAERBOCK - PARTNER KÖNNEN SICH AUF UNS VERLASSEN
Außenministerin Annalena Baerbock, die federführend bei der Ausarbeitung war, betonte einen sehr umfassenden Ansatz vom Katastrophenschutz, über die Entwicklungshilfe, den Kampf gegen Klimawandel und den Schutz der Infrastruktur bis hin zur Sicherung der Wasserversorgung. Sie verwies auf das enorme Interesse auch im Ausland an der deutschen Sicherheitsstrategie. "Unsere Partner sollen spüren, dass sie sich auf unser Land verlassen können - so wie wir uns lange auf andere verlassen haben.". Der am 24. Februar 2022 gestartete russische Angriffskrieg gegen die Ukraine habe gezeigt, "dass Frieden und Freiheit nicht vom Himmel fallen".
STEIGENDE MILITÄRAUSGABEN
Ein Element ist das Vorhaben, "im mehrjährigen Durchschnitt" zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. "Wir müssen aus der Zeit der Friedensdividende in die Freiheits- und Friedensinvestitionen kommen", sagte Lindner. Zunächst solle dies durch die Kombination des Bundeshaushalts mit Ausgaben aus der Sonderkreditlinie über 100 Milliarden Euro für eine bessere Bundeswehr-Ausstattung erreicht werden. Gegen Ende des Jahrzehnts müsse sich das aber auch im normalen Haushalt abbilden, betonten Scholz, FDP-Chef Lindner und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).
Die Regierung will einerseits die Kapazitäten etwa bei der Cyberabwehr und im Weltraum ausbauen, andererseits Risiken in der Zusammenarbeit mit Ländern wie China reduzieren. Dazu sollen Unternehmen Anreize bekommen, Reserven an kritischen Rohstoffen anzulegen, wie dies in Ländern wie Japan bereits der Fall ist. "In den Bereichen, wo wir maximal verwundbar sind, müssen wir uns anschauen, ob das unsere Sicherheit gefährdet", sagte Baerbock mit Blick auf Lieferketten. Sie nannte als sensible Sektoren beispielsweise Rohstoffe für den Bau von Solaranlagen oder Windräder und Medikamente.
Fallen gelassen wurde von der Ampel die Einrichtung eines nationalen Sicherheitsrates zur besseren Koordinierung der Außen- und Sicherheitspolitik. Dies scheiterte vor allem an der Frage, wo ein solches Gremium angesiedelt sein könnte.
Eine Änderung gegenüber dem Koalitionsvertrag deutet sich bei Rüstungsexporten an Drittländer an. Eigentlich hatten die Grünen und die SPD-Linken den Kurs verschärfen wollen. Nun sagte Scholz, es bleibe zwar bei strengen Vorgaben. "Aber die strategischen Fragen werden mit berücksichtigt." Baerbock verwies darauf, dass auch ihre Partei bei dem Thema umdenke, was etwa die Waffenlieferungen an die Ukraine zeigten. (Reuters)